Shadow 2

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Dieser Gargoyle war einfach von meinem Block in mein Zimmer gekommen und lachte mich aus. Was zum Teufel habe ich eigentlich für Drogen genommen, dass da so etwas bei herauskommt?

Er hatte meinen extrem verwirrt und geschockten Gesichtsausdruck wohl bemerkt, denn er hörte auf zu lachen und ging ein paar Schritte auf mich zu.

"Verzeih meine Unhöflichkeit. Ich war mir nicht bewusst, dass du sehr verwirrt von all dem sein würdest. Nun, mein Name ist Shadow und ich bin, wie du sicherlich schon bemerkt hast, ein Gargoyle."

Ich starrte ihn einfach nur an. "Wo zum Teufel kommst du her?!", brachte ich schließlich heraus. er grinste wieder.

"Darf ich mich setzen?", fragte er und zeigte auf den noch freien Platz im Erker. Ich nickte.

Er setzte sich neben mich und fing an zu erzählen: "Dir ist sicherlich aufgefallen, dass deine Zeichnung verschwunden ist. Es mag vielleicht etwas kompliziert klingen, aber du hast mich in dein Zimmer gezeichnet. Das bedeutet, du malst ein Bild und es erscheint in Wirklichkeit. Und das ist auch mit mir passiert, du hast mich hergezeichnet. Gestern auch schon und ich habe dich dann in dein Bett gelegt."

Ich wurde ein wenig rot bei dem Gedanken, dass er mich schlafend gesehen hatte. Wtf warum wirst du rot? Stehst du etwa auf ihn? Ich konnte förmlich spüren, wie die Stimme in meinem Kopf grinste und mit den Augenbrauen wackelte. Ich stellte mir vor, wie ich ihr eine scheuerte. Und ja, ich bin ein wenig verrückt und habe Stimmen im Kopf. Die manchmal ziemlich nerven können.

"A-aber wenn du wegen meiner Zeichnung aufgetaucht bist, warum ist dann alles andere, was ich gezeichnet habe in meinem Block geblieben?"

Er lehnte sich gegen die kühle Fensterscheibe und legte seine Flügel an. In mir stieg plötzlich das Verlangen auf, ihn zu berühren, um zu sehen, ob er wirklich aus Stein war und wie es sich anfühlte, beweglichen Stein anzufassen, aber ich ließ es lieber bleiben.

"Du hast eine Gabe und sie ist gerade erst dabei, sich auszubilden. Erst ab deinem 18. Geburtstag werden alle deine Zeichnungen real werden. Und wenn du eine Sache oder Person einmal erschaffen hast, wird es dir immer leichter fallen, sie oder es wieder zu zeichnen."

"A-aber, d-dann kann ich ja nie wieder etwas zeichnen, was ich einfach nur als Zeichnung haben möchte..."

"Klar kannst du das. Du zeichnest einfach ein Blatt mit der entsprechenden Zeichnung und real wird ein Blatt Papier mit deiner Zeichnung drauf", er lächelte mich an und stupste gegen meinen Arm. "Du guckst, als hätte deine Katze grade Samba getanzt, alles ok?"

"Ich hab keine Katze", war das einzige, was ich zustande brachte. Nicht nur die Sache mit meinen Zeichnungen, sein Finger war warm. Verdammt warm, als wäre er eine Heizung, die man auf Stufe 5 gedreht hatte. Und das kam so unerwartet, dass ich einfach nur dasitzen und nach vorne starren konnte.

Nach einer Weile schloss ich meinen Mund und sah ihn an. "Also, nur damit ich das richtig verstehe, ich zeichne etwas und es wird Wirklichkeit? Und im Moment geschieht das nur manchmal, aber wenn ich 18 bin immer?"

"Ganz genau."

Ich schnappte mir meinen Stift und skizzierte das Erste, was mir einfiel, eine Rose mit Wassertropfen. Und dann konnte ich zusehen, wie sie langsam verblasste ... und in Shadows Hand wieder auftauchte. Verdammt, sie war sogar nass.

"Sie ist wunderschön", murmelte Shadow und drehte sie gedankenverloren in den Händen.

Okay, okaay. Ich kann Dinge real zeichnen. Oder wie auch immer man das nennen mag. Und mein 18. Geburtstag ist übermorgen. Oh Gott, was hab ich mir da nur eingefangen? Und was mach ich jetzt mit dem Gargoyle?

"Ähm, Shadow?", fragte ich ihn leise. Er hatte die Augen geschlossen und roch an der Rose. "Hmm?", brummte er.

Er sah so friedlich aus, dass ich vergessen hatte, was ich ihn eigentlich fragen wollte und stattdessen nur: "Äh, wie alt bist du eigentlich?" stammelte. Oh wie peinlich.

Er öffnete die Augen, sah mich an und lachte. Ich wurde rot und sah wieder auf meinen Block.

"In euren Jahren dürfte ich so etwa 24 sein"

"Oke", flüsterte ich. Er sah nicht aus wie 24, er sah jünger aus. Naja wird wohl daran liegen, dass er aus Stein is und nich altert, meinst du nich auch? Ach halt die Klappe.

"Du wirst übermorgen 18, oder?", fragte er mich und ich nickte. Nach einiger Zeit, in der wir beide still nebeneinander saßen, sah ich ihn an und zuckte zusammen.

"Wo ist die Rose hin?", fragte ich ihn.

"Du holst uns aus dem Papier heraus, irgendwann müssen wir wieder hinein. Ich werde erst gegen Sonnenaufgang verblassen, aber eine Rose wie diese hält nur ein paar Minuten."

Klang irgendwie logisch, ich konnte ja schließlich nicht unendlich viel Materie aus ein paar Bleistiftstrichen erschaffen.

"Warum bleibst du länger, als die Rose?", fragte ich ihn.

"Weil ich selbst entscheiden kann, wann ich zurückgehe. Jedenfalls bis Sonnenaufgang, dann muss ich zurück, Gargoyles mögen Sonne nicht wirklich."

"Dann werdet ihr wieder zu normalem Stein, nicht wahr?"

"Ganz genau. Und dann kann ich auch nicht mehr entscheiden, ob ich hierbleiben will und gehe früher oder später sowieso weg. Deshalb gehe ich lieber wenn es noch dunkel ist, aber dafür freiwillig."

Ich nickte, als Zeichen, dass ich verstanden hatte. Dann fing mitten aus dem Nichts plötzlich mein Wecker an zu klingeln und ich schrie auf.

"Oh Gott, mein Wecker, tut mir Leid, den hab ich total vergessen", lachte ich, nur um gleich darauf zu gähnen. "Ich sollte langsam mal ins Bett gehen, ich hab morgen noch viel zu tun."

Ich wollte aus dem Erker in mein Zimmer gehen, doch er hob mich in seine Arme, fragt mich nicht, wie er das in dem kleinen Raum geschafft hat, und trug mich zu meinem Bett.

Ich hatte nicht untertrieben, als ich von einer Heizung gesprochen hatte, er war ziemlich warm. Und der Stein, aus dem er bestand, fühlte sich wie ein geschliffener Edelstein an, nur halt in warm und nachgiebig.

Er legte mich sanft auf mein Bett. "D-Danke, das wär nicht nötig gewesen, ich hätte auch-"

"Shh" unterbrach er mich und legte sich neben mich. Okay, okay, das war definitiv creepy.

Dann drehte er mich auf die Seite und zog mich an sich ran, sodass mein Rücken an seiner Brust lag und er mich umarmte.

"Du hattest gestern einen Albtraum, als ich mich neben dich gelegt hab, hast du besser schlafen können"

"O-okay", stotterte ich. Er kicherte.

Okaay, ich lag in meinem Bett, hinter mir ein Gargoyle, der ungefähr 6 Jahre älter war als ich und den ich aus meinem Block gezeichnet hatte. Wenn das kein Traum war, dann war es ein sicheres Anzeichen dafür, dass ich psychisch gestört war.

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