Shadow 10

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Seine Worte jagten mir einen Schauer über den Rücken und mir kam das Lied von Rammstein in den Sinn, aus dem er zitiert haben könnte. Andererseits kannte hier niemand Musik, warum also er?

"Du kennst Rammstein?", fragte ich ihn vorsichtig. "Du weißt, was Musik ist?"

"Du vergisst, dass du nicht der erste Mensch bist, der hier in meinen bescheidenen Räumen war, Weltenwandler. Er hat mir vieles über euch beigebracht, welches ich dann von hier aus weiterverfolgt habe. Aber genug geredet, ihr seid ja nicht nur dafür hier, denke ich mal, oder Storm?"

Storm räusperte sich. "Nein, eigentlich wollte ich etwas Anderes."

"Dann folgt mir." Drakon verschwand in der Dunkelheit hinter sich und wir folgten ihm, wenn ich auch ein wenig zögerlich war. Er führte uns in eine kleine Kammer, die von schwarzen Kerzen beleuchtet wurde. Die tanzenden Schatten an den Wänden schienen sich zu Figuren zu verformen, die dann wieder mit der Dunkelheit verschmolzen. Drakon ging zu einem kleinen Tisch und schlug ein Buch auf, das darauf lag. Es sah sehr alt aus und er behandelte es mit dementsprechender Vorsicht.

"Setz dich", sagte er zu mir und deutete auf einen klapprig aussehenden Stuhl, der mir vorher gar nicht aufgefallen war. Ich tat wie geheißen und sah neugierig in das Buch. Aber die Seiten waren leer.

"Hier, damit geht es besser." Drakon reichte mir eine Glasfeder und ein Fässchen, dessen Inhalt ich nicht genauer definieren konnte. Dann verließen er und Storm den Raum und ich war in der tanzenden Dunkelheit allein. Ich tunkte die Feder in die Flüssigkeit und überlegte, was ich damit machen sollte, aber meine Hand machte sich selbstständig und ich begann, in einer Sprache zu schreiben, die ich noch nie zuvor gesehen oder gehört hatte. Nach einiger Zeit fing eine weibliche Stimme an, in dieser Sprache zu flüstern und meine Worte verblassten auf dem Papier. Ich schrieb unbeirrt weiter, aber es wurden immer mehr Stimmen und die Worte verschwanden immer schneller. Meine Hand fing an zu schmerzen, aber es war wie ein Zwang, ich schrieb und schrieb. Ich wollte meine Hand zwingen, ruhig zu sein, damit aufzuhören, denn die Stimmen verursachten mittlerweile Kopfschmerzen bei mir, aber es ging nicht. Ich hatte nun fast die Doppelseite vollgeschrieben und es ging alles so schnell, dass ein Buchstabe, nachdem ich ihn aufschrieb, sofort verschwand. Die Stimmen wurden unerträglich laut und die Luft im Raum fing an zu wirbeln.

Und dann war die Seite voll und die Glasfeder zerbrach. Die Worte, die ich geschrieben hatte, leuchteten auf und verformten sich zu Gesichtern, Schatten und Bildern. Und mit einem Male schlug sich das Buch von alleine zu und die Stimmen waren weg. Die plötzliche Stille schmerzte schon fast in meinen Ohren.

"Hallo Skylar", wisperte jemand hinter mir und ich schrie auf und wirbelte herum, wobei ich vergaß, dass ich auf einem Stuhl saß und diesen mitsamt mir zu Boden warf. Der Aufprall trieb mir die Luft aus den Lungen und ich sah mich keuchend um, aber ich sah niemanden. Dann flog die Tür mit einem Knall auf und ich schrie noch einmal. Im Türrahmen stand Drakon. Er machte ein paar Schritte in meine Richtung, bis er erstarrte und nach Luft rang.

"Selenio ...", keuchte er. Ich spürte einen Luftzug und dann erkannte ich die verschwommene Gestalt, die nun in Drakons Armen lag. Es war ein Mann mit langen, schwarzen Haare, er war überraschend klein.

"Drakon", seufzte der Geist und in seiner Stimme lag so viel Sehnsucht, dass ich mich nicht traute mich aufzusetzen und die beiden zu stören. "Es ist so lange her, doch du erinnerst dich an mich, ich danke dir" Die beiden lösten sich voneinander.

"Wie könnte ich dich denn vergessen, Wunderkind?", lächelte Drakon und strich Selenio durch das Haar, ehe sein Lächeln wieder erlosch. "Warum bist du gekommen? Du weißt, dass es gefährlich ist."

"Ich musste", antwortete Selenio ernst und dann sah er mich an. Mir schoss das Blut in die Wangen und ich stellte mich und den Stuhl schnell wieder hin. "Sie braucht meine Hilfe."

Drakons Augen weiteten sich, als er verstand und nickte. "Es war schön, dich wieder zu sehen, Weltenwunderkind", flüsterte er.

"Die Freude ist ganz meinerseits", antwortete Selenio und die beiden umarmten sich wieder. Drakon senkte den Kopf und küsste ein Mal an Selenios Hals, das mir erst jetzt auffiel. Es waren Bisspuren. Das Stöhnen, das diesem daraufhin entschlüpfte lies mich noch röter werden, als zuvor und ich sah zu Boden. Kurze Zeit später hörte ich, wie sich die Tür wieder schloss und sah auf. Selenio stand direkt vor mir und sah mich mit schiefem Kopf an. Dann grinste er.

"Du bist niedlich", sagte er und stupste gegen meine Nase. Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich eine Welle durch meinen Körper gehen fühlte. "Öffne mich, wenn du nicht weiter weißt", flüsterte er, dann legte er seine Stirn an meine und hielt mich mit seinen Händen bei ihm. Ich merkte, wie langsam etwas in meinen Kopf gesogen wurde und dann war er verschwunden. Ich fiel auf die Knie, mein Kopf fühlte sich an, als würde er platzen und als würde etwas durch ihn kriechen, auf der Suche nach einem freien Plätzchen.

"Nicht schon wieder", dachte ich und biss die Zähne zusammen. Die Schatten an den Wänden wurden immer größer und tanzten vor meinen Augen, wie um mich zu verspotten. Und dann gingen flackernd einer nach dem anderen alle Leuchtkäfer aus, bis ich in völliger Dunkelheit lag.

Und dann schrie ich.

ShadowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt