4 Ein neues Leben

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Ich schwieg und sah mich um.
Das schwache Licht der Lampe in der irgend eine Fliege gefangen war und laut summte, erhellte die Gesichter im Wagen etwas, sodass ich erkennen konnte wer drin war.
Gendryl sass auf der Bank mir gegenüber, gemeinsam mit dem Pergament Schreiber der mit offenem Mund schlief.
Ich konnte sogar einen Spucke Faden sein Kinn hinab hängen sehen, während er bei jedem Einatmen schnarchte als gäbe es kein Morgen.
Dieses Geräusch war es auch, dass jedes Mal die drückende Stille zerfetzte.
Ordentlich und mit geradem Rücken, wieder den genervten Gesichtsausdruck im Gepäck sah Caspar geradeaus.
Es schien für ihn ein einziger Albtraum zu sein.
Pech, dann sollte er eben etwas anderes machen.
Ich zumindest konnte auf ihn verzichten.
Mein Blick schweifte zu Finn, er sass ruhig am äusseren Rande meiner Bank und sah aus dem Fenster, welches von seidenen Blauen Vorhängen bis zur Hälfte bedeckt war.
Er trug keine Rüstung mehr, sondern ein ledernes Outfit, was mich ziemlich an einen Waldläufer erinnerte.
Und dann sass da noch so ein Mädchen neben mir.
Sie hatte echt schöne schwarze Haare, die glänzten wie Pech als das Licht sie streifte.
Sie waren lange, sehr lange.
Meine Reichten über meinen Rücken, ein ganzes Stück sogar.
Aber ihre waren so lang dass ich mich fragte ob sie darauf sitzen konnte.
Tat sie glaub ich nicht.
Ihr Gesicht war sehr rund und sie besass eine schöne kleine Stupsnase.
Ich fand meine schon immer zu lange.
Die kurzen Wimpern verdeckten grüne freundliche Augen, mit denen sie mich nun ansah, als sie meinen Blick spürte.
Das war das Einzige was wir gemeinsam hatten.
Unter langen Wimpern hatte auch ich grüne Augen.
Das Einzige was ich an mir schön fand.
Früher hatte ich mich Waldkind genannt.
Weil meine Haare so braun wie Matsch und die Erde waren.
Und meine Augen so grün wie die Wälder die daraus spriessen.
Es passte und ich war zufrieden damit, auch wenn ich mir neben dem Mädchen gerade irgendwie hässlich vorkam.
Sie lächelte mich breit an und beugte sich zu mir.
Sie flüsterte nur, aber in der Stille hätte sie genau so gut laut sprechen können, denn es machte keinen Unterschied.
"Ich bin Ida. Und du?"
Ich runzelte die Stirn.
Freundlichkeit war anscheinend voll ihr Ding.
"Quinn."
Flüsterte ich zurück. Ich hätte eigentlich auch normal reden können. Naja egal, so blieb das Feeling erhalten.
Und die Anderen taten so als würden sie nicht zuhören.
Wer's glaubt.
"Wir sind die zwei letzten, alle anderen Auserwählten sind schon dort, bist du nervös?"
Ich lehnte mich zurück und schüttelte dann langsam den Kopf.
In der Tat war ich nur Traurig und spürte jetzt schon fressende Sehnsucht.
Aber nervös war ich nicht. Nicht mal die Bohne.
Zumindest jetzt noch nicht.
"Ich schon...ich war so glücklich als ich den Test bestanden habe und ich freue mich so auf das Schloss..und die Drachen! Denkst du sie werden gross sein?"
Plapperte sie und ich verzog das Gesicht. Zum Glück sah man das im Dunkeln nicht.
"Du hast Freude?"
Fragte ich etwas ungläubig und sie hielt in ihrem Redefluss inne.
"Ja klar! Wir werden Zauberinnen sein und Drachen haben! Du etwa nicht?"
Erstaunt und aus grossen Augen sah sie mich an.
"Nein. Ich musste meine Tante zurück lassen."
"Ich habe eine fünfköpfige Familie, meine Mutter fand es ganz gut dass sie nicht noch ein Maul mehr zu stopfen hat. Und ausserdem sind sie unheimlich stolz auf mich."
Stolz streckte sie die Brust raus.
Sofort fühlte ich mich schlecht weil ich davon ausgegangen war, dass ich die Einzige war die Jemanden verlassen musste und es nicht einfach hatte.
Aber im Gegensatz zu mir versank sie nicht in Selbstmitleid und versprühte das pure Leben.
Wahnsinn.
"Vermisst du sie denn gar nicht?"
Sie grinste breit.
"Doch wahrscheinlich schon, aber irgendwann werde ich sie mit meinem Drachen besuchen gehen und meine Geschwister dürfen dann mit reiten.
Ich freue mich auf den Tag."
Sie strahlte förmlich und ich kam mir daneben vor wie eine Trübsal blasende Kröte.
Aber Selene hatte sich auch nicht für mich gefreut, so war es mir gar nicht in den Sinn gekommen fröhlich zu wirken.
"Davor gibt es aber noch einen weiten Weg zu beschreiten Ida."
Meldete sich der Gletschersee Mann zu Wort.
Sie neigte sofort respektvoll den Kopf.
"Ja natürlich Meister."
Sie hatte echt keine Probleme mit irgendwas.
Ich lehnte den Kopf zurück und sah aus dem Fenster, denn nun schwiegen wieder alle.
Ich glaube die Meisten versuchten zu schlafen, sie mussten eine weitaus längere Reise hinter mir haben als ich.
Aber ich starrte einfach aus dem Fenster.
Spürte das Holpern der Kutsche und hörte das Stampfen der Pferde, ihr lautes Atmen wenn sie uns Hügel hinauf zogen oder Täler hinab trugen.
Die Landschaft veränderte sich laufend, immer sah ich neue Dörfer, neue Felder die bestellt waren fremde Wälder, die wir im Dunkeln der Nacht durchquerten. Das Einzige was blieb, waren die riesigen Berge am Horizont, welche so weit von uns entfernt waren.
Irgendwann schloss ich aber dennoch die Augen und liess mich davon tragen, um die Gefühle und die überrumpelnden Tatsachen meines Lebens zu vergessen. Wenigstens kurz.

Stolen Secrets: Erbin der Drachen *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt