13 Der Brief, der alles änderte

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Stattdessen war alles unter einer dicken Ascheschicht begraben, während die Flammen aus dem Türrahmen ins freie sprangen. Mein Blick wanderte weiter, einige Meter von meinem brennenden Kindheitshaus entfernt, lag eine Gestalt. Dorcha, der das haus um seine doppelte grösse überragte, knurrte leise, als wolle er mich vorwarnen, oder sogar verhindern, dass ich näher ging. Aber ich hörte nicht auf ihn, meine beine, die so weich waren wie die blutgetränkte Erde unter mir, trugen mich von alleine zu ihr hin. Instinktiv wusste ich, dass es Selene war. Als sich ihre Umrisse etwas schärfer aus der Dunkelheit heraus bildeten, stieg mir der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase. Dann erblickte ich sie. Ihre Kleidung war bis aufs unerkenntliche verbrannt, ihre haut zeigte nichts mehr von ihrer eleganten Blässe, die sie einst besessen hatte. Sie war aufgeplatzt, rot verbrannt oder an einigen Stellen bis auf die Knochen abgebrannt und verkohlt. Selbst ihr gesicht konnte ich beinahe nicht mehr erkennen. Nur ihre Augen waren noch dieselben wie immer. Selenes Augen, leer und ohne jeden lebensfunken darin, starrten sie mich an, während ihr Kopf seitlich auf dem Gras lag. Ich atmete rasselnd ein und drehte mich weg. Ich musste mich übergeben, ich würgte und Tränen stiegen mir in die Augen. Das konnte nicht sein, das durfte nicht wahr sein! Unter grosser Überwindung liess ich mich neben meiner tante auf den Boden sinken und fasste mit zitternden Fingern eine letzte verbliebene goldige Strähne ihres Haars an. Vorsichtig, als könnte sie bei der kleinsten Berührung auseinander brechen. "Es tut mir so leid dass ich nicht rechtzeitig da war...dass ich sie nicht gewarnt habe." Schluchzte ich, während mir heisse Tränen über die Wange liefen und ich ihr salz auf meinen aufgesprungenen Lippen brennen fühlen konnte. Doch das Brennen war nichts im Gegensatz zum Schmerz in meinem Herzen. ich realisierte, dass es meine Schuld war, dass der letzte mensch auf Erden der mir noch geblieben war, meinetwegen tot war. ich senkte den Kopf und mein Körper wurde von unkontrollierten Schluchzern geschüttelt, am liebsten hätte ich mich neben sie ins Gras gelegt und wäre nie wieder aufgestanden. Ich spürte wie Dorcha sich hinter mich stellte, ich konnte seine Beine neben mir spüren, wie eine schützende Mauer umgaben sie mich. Ich konnte spüren dass er meine trauer übernahm und mitlitt, auch wenn er Selene nie gekannt hatte. Er warf den Kopf in die Luft und stiess einen traurigen, lauten Brüller hervor, der einem durch Mark und bein ging. Er widerhallte in der Nacht und ging dann doch unter in dem Gemisch von Kampfgeräuschen, die über uns am Himmel stattfanden. Ich bekam das nicht mehr gross mit, denn ich konnte mich nicht mehr bewegen und nichts anderes mehr tun als Selene anzustarren, während Dorcha wie ein Schutzengel über mich wachte. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass die Feinde die noch übrig blieben, bald die Flucht ergriffen, und von einigen der Marcaiche verfolgt wurden. Kurz kam der Mond wie ein Hoffnungsschimmer hinter den düsteren Wolken hervor, die schwer und düster vom Nachthimmel hingen. da glitzerte etwas in Selenes Hand, die sie halb unter ihren Körper gezogen hatte. es grauste mich, sie anzufassen und ich wollte sie auch nicht entehren, indem ich ihre leiche bewegte, aber dennoch griff ich langsam nach der silbernen, kleinen Schatulle, die von ihren verkohlten Fingern umklammert wurde. ich hatte keine zeit, mir die feinen Verzierungen auf dem silbern leuchtenden Deckel genauer anzusehen, denn ich sah nun wie Gendryl und sein alter, weißer Drache langsam neben mir zum Landen ansetzten. Schnell verbarg ich die kleine Schachtel unter meinem Pyjama, dass unterdessen mehr rot als hellblau war. Bisher hatte ich gar nicht gemerkt, wie blutverkrustet und verdreckt meine haut und meine Kleidung war. Doch jetzt spürte ich es, zusammen mit den höllischen Kopfschmerzen und den völlig entkräfteten Gliedern. "Quinn, hier bist du." meinte gendryl mit sanfter Stimme und während Dorcha aus tiefer kehle zu Grollen begann und sich dem alten Drachen meines Meisters zusandte, kam dieser auf mich zu. er legte tröstend eine Hand auf meine Schulter und schwieg einige Sekunden. "kanntest du sie" fragte er dann und ich hörte Schmerz in seiner Stimme mitklingen. Als hätte ihn mein Verlust an einen eigenen erinnert. "Sie war meine Tante. das letzte Mitglied meiner Familie. Jetzt habe ich nurnoch Dorcha." Leicht drehte gendryl mein gesciht zu sich hinauf. "Das ist nicht wahr Quinn. Dein heldenhafter Einsatz heute Abend, obwohl du eigentlich noch gar nicht bereit wärst für einen Kampf, hat gezeigt wie unverzichtbar du für unsere Familie bist." "Welche Familie?" Schniefte ich und sah meinen Meister aus verquollenen Augen an. Er antwortete nicht, stattdessen blickte er kurz zu Dorcha, der seine Nüstern gebläht hatte und den Meister misstrauisch aus großen, gelben Augen beobachtete. "Ich denke dein Drache hat es sich verdient, hier im Drachentaal zu leben. Ich werde gleich nach den Rettungsarbeiten und dem Wideraufbau des Dorfes mit den anderen meistern reden." Natürlich bedankte ich mich, und es war auch endlich die Lösung die ich mir eigentlich herbei gesehnt hatte. Doch durch meine Trauer hindurch konnte ich fühlen, dass es für mich nicht stimmte, hier untätig herum zu sitzen und Angriffe unserer feinde zu verschlafen. Die Marcaiche waren schwach geworden, hatten ihre Drachen verkümmern lassen. Ich wollte das ändern.

Stolen Secrets: Erbin der Drachen *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt