12 Der Angriff

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Der Rest des Tages war wirklich beschissen gelaufen. So wundervoll meine nächtliche Erfahrung auch gewesen war, meine gute Laune war sogleich zerstört, als mir die Audienz bei den drei Meistern und dem Schreiber gewährt wurde.
Ich hatte beschlossen ihnen von Ace und den Neuigkeiten die ich über die, jetzt nurnoch zwei Reiche, hatte, nichts zu erzählen. Vor allem weil ich Caspar nicht über den Weg traute.
Aber ich erzählte ihnen von Dorcha, wie er sich alleine durchschlagen musste, dass er zahm war und sich anpassen würde und dass er mein Drache war. Ich zog jeden Hebel der mir einfiel, um ihr Einverständnis zu erlangen, ihn auf die sichere Seite des Berges zu holen.
Doch sie alle zeigten sich wenig verständnissvoll.
Caspar wies die Bitte klar ab; mit der Begründung kein Monster in den Berg voller reiner Drachen lassen zu wollen.
Mir war dann die Bemerkung mit den Missbildungen der Drachen hier rausgerutscht, was die Sache auch nicht wirklich besser gemacht hatte.
Und sogar Gendryl, von dem ich es am wenigsten erwartet hatte, lehnte meine Bitte entschieden ab.
Er hatte allerdings keine Begründung. Wahrscheinlich wollte er nicht noch mehr anecken, nachdem er meinetwegen schon so viele Kompromisse eingegangen war. Es war verständlich, aber genau jetzt hätte ich seine Hilfe doch so sehr gebraucht.
Also war ich wütend aus der Kammer gerauscht und mit Marie zusammengestossen.
Diese, noch immer an Krücken gehend, hatte nichts besseres als abwertende Kommentare für mich übrig, worauf ich ihr ebenfalls von Dorcha erzählte und dass ich ihn schicken würde, um sie im Schlaf zu zerreissen. Daraufhin hatte sie mich furchtvoll ein Schattenbiest genannt und hatte das Weite gesucht.
Finn, der mir natürlich noch gefehlt hatte, musste das Gespräch ja unbedingt mitbekommen haben und mich sanft anlächeln. Er ermutigte mich, eine andere Lösung zu finden und sagte mir wie sehr er sich für mich freue, aber dennoch fiel es auch dem blauäugigen Schönling nicht ein, mir zu helfen diese verdammten Regeln einfach zu brechen. Alle hier waren dafür zu brav. Also musste ich mir eben selbst helfen. Nur wie...
Und als wäre das nicht genug wurde ich beim Abendessen im grossen Seisesaal von Kira und Ida angemotzt, wieso sie die letzten seien, die von meinem Drachen erfuhren.
Als ob das das mein grösste Problem in Moment war. Entnervt hatte ich den Löffel in meine Suppe geklatscht und war davon gerauscht, wofür ich mich kurz danach dann auch schon wieder schlecht fühlte.
Dann hatte ich noch Tante Selenes täglichen Brief gelesen. Wie immer beschrieb sie was im Dorf vor sich ging, sagte mir wie stolz sie auf mich sei und dass sie mich vermisste. Das trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei.
Also war ich früh zu Bett gegangen und hatte Stundenlang überlegt, was ich jetzt tun sollte. Und wie ich es Dorcha beibrachte, dass ich ihn nicht über den Berg bringen konnte. Ich fühlte mich, als hätte ich ihn im Stich gelassen. Und hier lag ich nun immer noch, hellwach mit schnarchenden Zimmer Genossinnen. In tiefster Nacht. Dorcha hatte mir gehorcht und war nicht mehr aufgetaucht, was wahrscheinlich auch sicherer für ihn war, jetzt wo wegen meiner grossen Klappe jeder über ihn bescheid wusste. Und trotzdem vermisste ich ihn irgendwie. Erst jetzt war mir klar was Finn damit gemeint hatte, als er gesagt hatte wie Tief die Verbindung zwischen Reiter und Drache reichte.
Unruhig wälzte ich mich hin und her, die Decke war viel zu heiss geworden. Ich riss die Augen auf. Das hiess Dorcha war hier irgendwo in der Nähe. Denn sonst hätte ich nicht plötzlich das Gefühl unter meiner Decke zu verbrutzeln.
Ich sprang aus dem Bett und rannte ans neu reparierte Fenster.
Gehetzt und sehnsüchtig liess ich den Blick über die klare Nacht schweifen, in der nur vereinzelte Wolken zu sehnen waren; die sich gemütlich über den Himmel bewegten.
Doch mein Drache liess sich nicht blicken.
„Wieso zeigst du dich nicht, Dorcha?"
Fragte ich leise in die Stille hinein und versuchte in der Nacht irgendeine Drachenähnliche Gestalt auszumachen.
Volltreffer.
Weit hinten, beinahe noch am Horizont, konnte ich einen Drachen ausmachen, der sich schnell näherte.
Doch wieso hatte sich Dorcha so weit vom Berg entfernt?
Dann schnappte ich geschockt nach Luft.
Dieser Drache war nicht Dorcha.
Und es war auch nicht nur einer. Es waren mindestens ein dutzend Drachen, die sich langsam mit ihren Umrissen aus dem Dunkeln der Nacht lösten und geradewegs den Berg ansteuerten.
„Scheisse." flüsterte ich und machte einen Schritt zurück vom Fenster, dass in den Festen Fels des berges eingelassen war.
Zuerst dachte ich an Ace, doch er hatte gesagt sie hätten nur zwei Drachen, und das waren eindeutig mehr.
„Krimur."
Stiess ich hervor und spürte sowohl Angst als auch Wut in mir aufsteigen. Und Schuldgefühle. Schliesslich hatte Ace mich vorgewarnt, dass Krimur nicht nur sein Reich im Visier hatte, doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass seine Warnung so bald Wahrheit werden würde. Und trotzdem hätte ich etwas sagen sollen.
Scheisse, wo waren denn die Nachtwächter wenn man sie mal brauchte? Sie hätten schon lange die grosse Glocke schlagen sollen, doch es blieb weiterin still. Die Marcaiche hatten sich zu sehr daran gewöhnt, dass es ruhig blieb.
„Scheiss drauf."
Ich drehte mich um und rannte aus dem Zimmer, so schnell ich konnte durch die dunkeln Gänge, mit dem Lift konnte ich nicht fahren da niemand wach war um ihn zu betätigen; also eilte ich die unendliche Anzahl an Stufen hinauf. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, in der mein Blut rauschte und ich Angst hatte, ich könnte bereits zu spät sein.
Dann endlich kam ich atemlos und nach Luft schnappend mit Seitenstechen oben auf der Spitze des Berges an, wo mich sogleich die eiskalte Luft empfing.
Ich stand auf einer geraden Plattformt am höchsten Punkt des Berges und blickte direkt auf die Drachen, die mit schweren, silbern glänzenden Rüstungen bepackt waren; und nur noch wenige hundert Meter vom Berg entfernt waren. Sie würden einfach darüber fliegen können.
„Dorcha...wo bist du?"
Rief ich in Gedanken als auch in Wirklichkeit so verzweifelt, dass ich mich gerne selbst geohrfeigt hätte. Wenn ich es schon versaut hatte, alle vorzuwarnen, musste ich wenigstens jetzt Alarm schlagen.
Mit zwei Sprüngen war ich bei der riesigen, bronzenen Glocke, die auf Hüfthöhe in den Boden eingelassen war und griff nach dem Schläger, der daneben lag.
Ich hob ihn hoch und schlug so fest ich konnte auf das rötliche Material.
Der Klang der daraufhin ertönte liess mich beinahe taub waren.
Die Glocke schallte, so tief dass der Ton sich durch den ganzen Berg auszubreiten schien, und meinen gesamten Körper zum zittern brachte.
Trotzdem schlug ich erneut drauf, immer und immer wider, während ich verzweifelt hoffte dass die Drachenreiter schnell genug waren um die Angreifer abzuwehren.
Ich wusste nicht, ob die Dörfer den Klang auch hörten und vorgewarnt waren, aber ich hoffte es sehr.
Durch das stetige, weit durch die Nacht hallende, Klingeln der Glocke machte ich aber auch die Feine auf mich aufmerksam. Und diese hatten den Berg unterdessen erreicht.
Ich riss di Augen auf und liess den Schläger fallen, als ich sah wie die ersten Drachen über meinen Kopf hinweg segelten, direkt ins Drachentaal hinein. Ihre schwer bewaffneten Reiter sassen drauf und die Schwänze waren in eiserne, gezackte Rüstungen gesteckt. Wie Kampfmaschinen, sahen sie aus. Und es waren gleich zwölf davon.
Wir waren zwar mehr Marcaiche, aber viele von uns waren noch in der Ausbildung.
Dann löste sich einer der Drachen aus der Gruppe und flog etwa tiefer, mich fixierte er mit blutunterlaufenen Augen. Willenlosen Augen. Er hätte mir leid getan; wenn er nicht das riesige Maul weit aufgesperrt hätte, und ich aus den Tiefen seines Rachens rote Glut hätte ausmachen können.
Ich sprang von der Glocke weg und drückte mich flach auf den Boden, als ich hörte wie das Feuer aus seinem Maul auf mich zuschoss. Ich dachte schon ich würde als gebrutzeltes Hühnchen enden. Das war wenigstens besser als zu sehen, wie Krimur das Drachentaal attackierte, ohne dass es irgendwer mitbekommen hatte.
Doch in letzter Sekunde, als ich schon die beissende Hitze des Feuers an meiner Wange zu spüren meinte, legte sich ein Schatten über mich und ich erkannte, dass Dorcha gekommen war.
Gut getarnt, beinahe Eins mit dem Berg, hatte er sich über mich gelegt und mit seinen Flügeln und Beinen eine Kugel um mich herum gebildet, den Kopf wachsam hoch gestreckt.
Das Feuer würde an ihm abprallen, denn Drachen konnten nicht durch ihr eigenes Feuer verletzt werden.
Durch einen Spalt seiner Flügel konnte ich flach atmend erkennen, wie die Drachen mit ihren Meistern nun geradewegs auf die Siedlungen im grünen Tal zuflogen, und den Berg mühelos passiert hatten. „Das erste Dorf dass sie treffen werden wird meins sein."
Flüsterte ich leise und bemerkte dann, was das bedeutete.
Mir wurde eiskalt und beinahe hätte ich mich vor Furcht übergeben.
Als Dorcha sich wieder von mir weg bewegte und die Flügel ausschüttelte, sprang ich sofort auf.
„Wir müssen hinterher!"
Alleine? Ich bin stark aber ich kann es nicht mit zwölf ausgewachsenen Drachen aufnehmen.
Ich schüttelte panisch den Kopf.
„Aber wir müssen doch etwas unternehmen! All diese Menschen sind doch völlig schutzlos ohne uns!"
Ich wandte mich zu meinem Drachen und sah ihm tief in die schönen, gelben Augen, die Mitgefühl aber auch Sorge um mich widerspiegelten.
„Bitte Dorcha. Ich muss meine Tante und die Anderen Bewohner beschützen."
Er hiess es nicht gut, dass konnte ich ihm ansehen, doch er streckte mir seinen Flügel entgegen, sodass ich daran hoch klettern konnte.
Vielleicht war ew meine Panik, die verursachte, dass ich viel schneller oben war als in der gestrigen Nacht.
Ich griff mir eine Schuppe und schon machte Dorcha zwei Schritte um Schwung zu holen, bevor er vom Boden abhob und mit schnellen Flügelschlägen die Verfolgung aufnahm.
Jetzt konnte ich nicht mehr tun als beten, dass die anderen so schnell wie möglich folgten. Aber warten, dafür war keine Zeit mehr.
Die Nachtluft war zum zerrissen angespannt, bereit weit vor mir sah ich die Schwadrone an Drachen die fernen Lichter im Wald ansteuern.
„Wir sind zu langsam."
Schrie ich gegen den Wind an und Dorcha schnaubte Wütend.
Dann wurden seine Flügelschläge noch kräftiger und er katapultierte uns regelrecht nach vorne.
Mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit rasten wir durch die Nacht, unter uns flogen die Flüsse und Hügel nur so vorbei.
Ich wusste nicht einmal, was ich tun konnte, um sie zu bekämpfen. Ich hatte nicht viel gelernt und ich trug nicht mehr als meinen Pyjama, nicht einmal ein Schwert hatte ich bei mir. Nicht dass ich damit hätte umgehen können.
Und ich brachte mit dieser Aktion nicht nur mich, sondern auch meinen Drachen in Gefahr, der gerade alle Kraft aufwandte, sich zwölf gepanzerten Drachen zu nähern.
Gendryl hätte gesagt dass ich unverantwortlich handelte und er hatte damit absolut recht. Aber ich konnte doch nicht zusehen wie sie das Drachentaal einnahmen.
Ab und zu blickte ich hinter mich, suchte vergeblich nach den Umrissen von weiteren Drachen die dem Dorf in dem ich aufgewachsen war zu Hilfe eilen würden. Die Nacht war leer. Ich hörte zwar aus dem Berg Drachen rufen und das Klirren der Glocke, doch noch hatte Niemand die Verfolgung aufgenommen.
Ich verfluchte sie alle, dafür dass sie ihre einzige Aufgabe nicht einmal richtig erfüllen konnten.
Das war mein Weg um irgendwie Druck abzubauen, denn je näher wir dem Dorf kamen, desto mehr wurde mir bewusst, dass die feindlichen Drachen vor mir dort ankommen würden.
Dorchas Schwanz peitschte hinter mir durch die Luft und wie ein Pfeil schoss er durch die Luft, gerne hätte ich ihm gedankt, dafür wie bereitwillig er mir in den möglichen Tod folgte.
Du bist mein Mensch, natürlich folge ich dir wo auch immer du hin gehst.
Ertönte die Stimme des schwarzen Drachen in meinem Kopf und ich schluckte den Kloss in meinem Hals herunter.
Ich streichelte über seinen Hals, da ich nicht imstande war, jetzt noch etwas zu sagen.
Dann hatten wir das Dorf erreicht.
Bereits vom Himmel aus sah ich die Zerstörung. Die Häuser standen in Flammen, Vieh rannte laut schreiend in Panik umher, die Menschen stolperten aus ihren Häusern. Es stank nach Rauch und dunkle Rauchschwaden zischten an mir vorbei in die Nacht hinein.
„nein..."
Flüsterte ich und liess den Blick über die Drachen unter uns schweifen, die ihr Feuer auf alles spieen was sich bewegte.
Die ersten von ihren waren am Boden angekommen und krabbelten jetzt wie Eidechsen über den Boden, während ihre Reiter mit ihren Schwertern flüchtende Dorfbewohner niedermetzelten, oder wenn es Männer waren in einer Richtung zusammen trieben.
Mein Blick fiel auf eine junge Frau die aus ihrem lichterloh brennenden Haus stürzte und an ihrer Hand ein kleines Kind hinter sich herzog.
Dann drehte ich den Kopf und nur wenige Meter hinter ihr, hatte ein Reiter sie bemerkt und lenkte seinen Drachen im Senkflug auf sie zu.
Meine Miene verfinsterte sich und ich verzog die Lippen wütend.
„Nein, das tust du nicht."
Dorcha las meine Gedanken, denn kaum hatte ich beschlossen es zu tun, legte er auch schon die Flügel an und schoss auf die Erde zu, direkt auf den Drachen, der uns noch nicht bemerkt hatte.
Halt dich gut fest.
Mit einem tobenden Brüllen krachte Dorcha von oben auf den Drachen und zerriss seinen Reiter mit den Krallen, bevor er sie in die Rüstung des Tieres bohrte und die Flügel ausstreckte, um abzubremsen.
Abrupt wurde der Drache aus seiner Flugbahn gerissen und mit einem markerschütternden Schrei wurde er von Dorcha zur Seite geschleudert.
Blut spritzte auf meine Kleidung, als der Drache mit schlingerndem Hals an mir vorbei zischte und zurück fiel.
Die Frau sah uns und die Angst in ihren Augen traf mich tief.
Sie weinte und ihr Kind schrie, viele Schreie waren zu hören. Und sie alle brannten sich schmerzhaft in mein Herz.
Dorcha streckte die Vorderklauen aus und griff sich die beiden so vorsichtig er es in vollem Flug eben konnte, dann sausten wir möglichst schnell zum
Waldrand, der noch kein Feuer gefangen hatte, und wohin die meisten Überlebenden auch flüchteten.
Während sich die Baumkronen unter seinen kräftigen Flügelschlägen nach hinten Bogen und die Menschen angsterfüllt nach oben starrten, legte mein Drache die Mutter und ihr Kind auf den Boden.
„Gut gemacht."
Rief ich gegen das Chaos an, und hoffte dass Dorcha mich hörte.
Doch in diesem Moment kracht von hinten erwas in uns herein und ich verlor den Halt, flog mehrere Meter in die tiefe und landete hart auf dem Boden.
Kurz verschlug es mir die Luft, dann rappelte ich mich auf und suchte mit meinen Blicken nach Dorcha.
Die Frau die ich geradeeben gerettet hatte half mir, aufzustehen.
Sie sagte mir irgendetwas, doch ich hörte es nicht. Ich hatte nur Augen für meinen Drachen, der gerade um sein Leben kämpfte. Der Reiterlose Drache wollte Rache verüben, und hatte die Klauen in die Flanken meines Drachens gebohrt.
Er schnappte nach ihm, doch Dorcha war schneller und schlug seine Zähne in den Hals des anderen.
Es donnerte unglaublich laut, als die mächtigen Kreaturen zu Boden gingen und das Gras mit schwarzem Blut färbten.
Dorcha hatte recht gehabt, Drachen kämpfen zu sehen war schrecklich. Denn sie waren Mächtig und doch zerstörten sie sich gegenseitig.
Während der drache unter Dorcha nach Luft röchelte, richtete sich dieser wieder auf und legte die Flügel an, um den schwer verletzten Angreifer auch mit seinen Klauen anzugreifen.
Ich hatte unglaubliche Angst um meinen Drachen, zu sehen dass er verletzt wurde zerbrach mir das Herz.
Doch ich hatte keine Zeit, mir sorgen zu machen, denn kaum hatte der schwarze Drache dem erlegenen das Genick gebrochen, näherte sich der nächste Panzerdrache.
Noch im Flug sprang dessen Reiter von seinem Rücken und landete direkt vor mir und den versteckten Dorfbewohnern.
Ich konnte Dorchas Ruf hören, als er bereitwillig den Kampf mit dem gepanzerten Biest aufnahm, doch ich konnte nur den grossen Mann anstarren, der mit gezücktem, blutigen Schwert vor mir stand. Unter seiner silbernen Rüstung konnte ich nichts erkennen, er trug einen Helm
Der sin Gesicht verdeckte. Und dennoch konnte ich die Dunkelheit in seiner Seele spüren, denn Niemand anderes wäre imstande sowas zu tun. Ich war unbewaffnet und im Gegensatz zu ihm schützte mich keine Rüstung.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich stellte mich schützend vor die Dorfbewohner.
Irgendwie musste ich sie vor ihm beschützen.
Also griff ich mir einen dicken Ast, der am Boden lag. Gerade noch rechtzeitig hob ich ihn mit beiden Händen hoch, um ihm dem Mann entgegen zu stemmen, als sein Schwert auf mich nieder fuhr. Es bohrte sich ins Holz und als er es heraus ziehen wollte, blieb es stecken.
Das sah ich, unerfahren im Kampf und völlig unbewaffnet, als meine Chance.
Mit aller Kraft zog ich am Holz, ringend um mein Gleichgewicht, bis ihm der Griff entglitt und ich das Schwert mitsamt Stock hinter mich werfen konnte.
Kaum hatte ich den Kopf wieder nah vorne gewandt, stürzte sich bereits der Mann auf mich und rammte mich schmerzhaft zu Boden.
Ich hatte das Gefühl unter dem Gewicht der Rüstung zu ersticken und bekam endgültig keine Luft mehr, als er sich über mich gekniet hatte und mi seinen Händen stählern meinen Hals abdrückte.
Es war ein betäubendes Gefühl, alw mir der letzte Atemzug, den ich für so verständlich gehalte hatte, einfach abgeschnitten wurde. Sofort schlug meine Lunge und mein ganzer Körper alarm, ich rang nach Luft, versuchte die Hände an meinem Hals erfolglos zu lockern.
Tränen stiegen mir in die Augen und der Druck in meinem Kopf wurde so gross, dass ich das Gefühl hatte gleich zu explodieren.
Ich öffnete verzweifelt den Mund, doch keine erlösende Luft strömte in meinen Hals.
Der Mann hob mich an und schmetterte dann meinen Kopf auf den Boden, sodass schwarze Punkte vor meinen Augen tanzten und ich drohte, das Bewusstsein zu verlieren. Hinter meinen Augen explodierte ein stechender Schmerz und ich wusste, dass es vorbei war. Ich wandte den Kopf nach rechts, so gut ich konnte und erkannte wie die Frau, deren Kleinkind sich hinter ihr versteckte, mir langsam und unauffällig das Schwert zuzuschieben versuchte. Dieses musste sie aus dem Holz gezogen haben.
Verzweifelt und mit letzter Kraft tasteten meine verkrampften Finger nach dem kühlen Griff.
Ich bekam ihn zu fassen und zog ihn langsam zu meinem Bauch, sodass ich ihn mit beiden Händen fassen konnte.
Röchelnd versuchte ich wach zu bleiben, und als der Angreifer meinen Kopf erneut wie eine Nuss auf einen Stein schleudern wollte, nahm ich all meine Wut zusammen und stach das Schwert tief in seinen ungeschützten Hals.
Kurz erstarrte er, dann liessen seine Hände meinen Hals los und während er zu atmen versuchte, tropfte Blut unter seinem Helm hervor.
Ich schaffte es mich auf die Seite zu rollen, bevor der tote Körper neben mir zu Boden ging und zuckend liegen blieb.
Tief sog ich die Luft in mich ein und krallte die Hände ins Gras, während ich hustete und ausspuckte.
Mein Hals schmerzte so sehr und noch immer tanzten Sterne vor meinen Augen, doch ich setzte mich taumelnd auf. Mit dem Atem
Kamen auch langsam die Funktionen meines Körpers zurück und ich schaffte es, auf die Beine zu kommen.  Ich hatte gerade wirklich jemanden getötet. Ein Lebewesen.
Aber mein einziger Gedanke galt Dorcha.
Als ich sich meine Sicht endlich langsam klärte konnte ich ihm mit dem feindlichen Drachen ringen sehen, beide waren blutüberströmt und es war der grausigste Anblick der mir je untergekommen war.
Der Feind schaffte es irgendwie, die Oberhand zu gewinnen und ich erkannte, in welcher Lage sich mein Drache befand.
Das frisch gewonnene Adrenalin in meinen Adern brachte mich dazu, klar denken zu können.
Ich drehte mich um und mit dem Fuss stiess ich den toten Mann zur Seite und zog das Schwert aus seinem Hals. Bei diesem Anblick wurde mir fast schlecht.
Mit zitternden Händen schleifte ich es dem Boden entlang direkt auf die beiden mächtigen Kreaturen zu, die ihre Klauen auf den anderen niedersausen liessen.
Ohne eine Sekunde zu zögern rammte ich das Schwert bis zum Griff in das Bein des Drachen der über meinem Reittier stand.
Dieser Warf den Kopf zurück und stiess einen gellenden Schrei aus. Kurz war er abgelenkt, er senkte den Kopf um mich zu erledigen.
Blitschnell schoss Dorcha vor und schlug seine Zähne in die Kehle des Angreifers und zerfetzte sie mit zwei Bissen.
Ein Strom an dunkelm Blut ergoss sich auf den Boden vor mir und tränkte die Erde. Meine Beine waren beinahe schwarz, so hoch spritzte das Blut an mir auf. Es roch nach Schweiss und während der sterbende Drache zu Boden ging und Dorcha sich auf die Beine stemmte, konnte ich im Hintergrund das hell lodernde Dorf ausmachen. Es schmerzte, zu sehen wie meine Kindheit dahin siechte, zerstört durch die Männer Krimurs.
Dann hob ich den Kopf und atmete erleichtert aus.
Die Marcaiche waren eingetroffen. Zu spät, aber dennoch waren sie gekommen.
Die voll ausgebildeten Reiter inklusive Finn, Caspar und Marie stürzten sich mit ihren Drachen auf die gepanzerten Angreifer, sodass lautes Gekreische den Himmel erfüllte.
Die anderen Lernenden waren nicht dabei und Gendryl enthielt sich dem Kampf und brachte lediglich so viele Menschen wie möglich zum Waldrand.
Sein Weisser Drache war träge, wahrscheinlich waren sie beide zu alt für diese schweren Kämpfe. Während ich Dorchas schwerste Verletzungen mit der restlichen Energie die in meinem Körper übrig war, heilte, beobachtete ich den Kampf vom
boden aus.
Die Marcaiche starben wie die Fliegen, einer nach dem Andern fiel vom Rücken seines Drachens und wurde von den Flammen unter ihnen verschlungen.
Ab und zu bebte die Erde, wenn ein schwerer, lebloser Drachenkörper dort aufprallte. Nur Caspar metzelte sie alle Nieder, mit einer solchen Wut dass ich ihn beinahe bewundert hätte. Neben ihm Marie, die sich, so ungern ich es auch zugab, viel besser hielt als ich. Finn auf seinem hellblauen breiten Drachen flitzte wie der Blitz zwischen den Angreifern hin und her und ich hoffte dass er nicht getroffen werden würde.
Dafür hatte ich ihn viel zu gerne bekommen.
Dann liess ich den Blick über die verängstigen Menschen schweifen, die am Waldrand standen und zusahen wie ihre Lebensgrundlage verbrannte.
Ich suchte mit meinen Blicken die Gesichter ab, doch das eine dass ich so unbedingt unter ihnen finden wollte, fand ich nicht.
Das Herz gefror mir und der Atem stockte mir.
„Selene."
Flüsterte ich lautlos und rannte los. Dorcha begleitete mich wie ein Schatten und stiess brennende Gegenstände aus dem Weg, bevor ich sie überhaupt erreichen konnte.
Ich musste husten, während ich mir verzweifelt und mit schmerzenden Beinen und pochendem Kopf einen Weg zwischen den brennenden Häusern suchte. Es knackste und loderte um mich herum, doch mit Dorcha an meiner Seite war mir das egal.
So schnell mich meine Beine trugen rannte ich über das Gras das meine Füsse einzusaugen schien, sodass ich viel zu langsam war.
Dann endlich erkannte ich die Hütte, in der ich gross geworden war.
Flammen stoben aus den Fenstern und das Dach war bereits teilweise eingestürzt.
Ich starrte dass orange Feuer an, dass sich züngelnd in die Dunkelheit streckte, als wäre es stolz auf seine Leistung.
Ohne anzuhalten rannte ich auf den Eingang zu.
Es war mir egal dass die Hütte jeden Moment einstürzen würde. Ich musste Selene da raus holen, koste es was es wolle. Sie war der letzte Mensch, den ich noch auf dieser Welt hatte.
Doch so weit musste es gar nicht kommen. Als ich um die Ecke bog, wo sonst immer Selenes bunte Blumentöpfe auf der hölzernen Veranda standen, blieb mir der Atem stehen.

Stolen Secrets: Erbin der Drachen *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt