3 - [DAS Spektrum]

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Lautstark hörte ich meine Banknachbarn miteinander reden. Ich verstand wirklich nicht, wie man 45 Minuten unaufhaltsam miteinander flüstern konnte, wenn man doch in den Pausen ordentlich miteinander reden konnte.

Es nervte mich einfach nur. Ihr flüstern löste eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper auf. Mühsam versuchten meine Ohren das knirschen der Kreide, ihr flüstern, und das ständige klicken des Kugelschreibers in Bank hinter mir zu verarbeiten.

Angestrengt versuchte ich alles auszublenden, während ich weiterhin meine Aufmerksamkeit auf die Tafel richtete. Aber eigentlich war ich so überfordert, dass nichts davon gelang.

Hilfesuchend sahen meine Augen zu unseren Klassenlehrer, in der Hoffnung, dass er meine Nachbarn auseinandersetzten, oder sie zumindest zum Schweigen bringen würde.

Stattdessen schien er jedoch meinen Blick nicht zu bemerken. Generell schien es niemand etwas auszumachen, dass die beiden miteinander redeten oder das jemand die ganze Zeit mit dem Kugelschreiber spielte.

Seufzend fuhren meine Hände zu meinen Ohren entlang und hielten sie zu. Noch immer verstand ich jedes Wort, nur war es alles gedämpft.

Es war angenehmer, erträglicher.

Ich hatte mich so sehr auf die Tafel konzentriert, dass ich das verstummen meiner Banknachbarn nicht bemerkt hatte.

Erst als ich die tiefe Stimme meines Rektors hörte, drehte ich meinen Kopf zur Tür des Raumes und ließ meine Hände sinken.

Vor Nervosität hielt ich meinen Atem an, aus dem Rahmen der Tür wurde Rektor Thornton von ihr gefolgt.

Mit einem aufgeregten Lächeln stellte sie sich neben ihn und ließ ihren Blick durch die Menge gleiten.

Ich war mir sicher gewesen, dass jeder das schnelle Pochen meines Herzens hören konnte, da es kurz davor war einen Marathon zu rennen. Am liebsten wäre ich mit ihm aus dem Raum gerannt.

Warum musste sie auch ausgerechnet in meine Klasse kommen? Redete ich in Gedanken mit mir.

Ich ließ mich weiter in meinen Sitz fallen und senkte meinen Kopf leicht, so, dass mir einige Strähnen nach vorne fielen.

,,Wenn du dich einmal der Klasse vorstellen möchtest?" Lachte Mister Thornton.

Mit einem freundlichen Lächeln ging sie einen Schritt weiter nach vorn, doch blieb ihr Blick auf mir hängen.

Panisch biss ich meine Zähne zusammen und versuchte ihre Augen zu meiden.

Wenn sie mich zu lange anstarrte, dann hätten es meine Mitschüler auch getan.

,,Ich bin Brooklyn Meyers" Sprach sie jedoch und ließ schnell ihren Blick nochmal durch den gesamten Raum gleiten. Sofort hoben einige meiner Klassenkameraden ihre Hände, was sie etwas überrascht nach hinten schreiten ließ.

,,Wieso wechselst du mitten im Schuljahr?"
,,Von wo kommst du her?"

Fragten Sophie und Juniper durcheinander.

,,Die Fragen könnt ihr in der Pause stellen!" Richtete sich unser Klassenlehrer Mister White zu Wort, was die gesamte Klasse genervt aufstöhnen ließ.

Schließlich hatte niemand Lust auf Unterricht.

Ich spürte, wie sich alles in mir erhitzte. Brooklyn hätte sich einen Platz suchen müssen. Hinter mir und neben mir war ein Platz frei.

Zwar bezweiflte ich, dass sie sich neben mir gesetzt hätte, doch wollte ich sie auch nicht hinter mir haben.

Der Gedanke daran, dass sich ihr Blick in meinen Rücken gebrannt hätte, ließ mich panisch in meinen setzt vorsichtig nach vorn und zurück schwanken.

,,Setz dich doch zu Finley" Schlug Mister White vor und zeigte auf dem Jungen mit schwarzen Haaren. Erleichterung breitete sich in mir aus, als Brooklyn sich am weitesten von mir weg setzten musste.

,,Dann können wir ja-" Setzte Mister White an, als Brooklyn sich gesetzt hatte, doch wurde er sofort von der Klingel unterbrochen.

Genervt rollte er seine Augen und ließ sich in den Stuhl seines Pultes zurückfallen.

Sofort hörten meine Ohren das quietschten von Stühlen, die über den Boden geschliffen wurden.

Eine kleine Menschenmenge hatte sich um Brooklyn gebildet, die sie wie ein Tier im Zoo beobachteten.

,,Also, warum hast du nun Schule gewechselt?" Fragte Sophie noch einmal nach, als sie sich zu Brooklyn vorlehnte, was ihre rot gefärbten Haare nach vorne fallen ließ.

,,Mein Vater hat seine alte Arbeit gekündigt und deshalb sind wir umgezogen" Meinte sie mit einem schulterzucken, als wenn es nichts gewesen wäre.
,,Und wo hast du vorher gewohnt?" Wiederholte auch Juniper ihre Frage und setzte sich direkt neben Sophie.
,,Wir sind ziemlich oft umgezogen, deshalb hab ich eigentlich schon fast überall gewohnt"

Meine Mundwinkel hoben sich wegen meiner leichten Verwirrung. Es klang danach, als wüsste sie es selbst nicht einmal, wo sie vorher gewohnt hatte.

Unabsichtlich belauschte ich weiterhin das Gespräch der großen Gruppe, bis sich meine Ohren tatsächlich vor Neugier und doch Besorgnis spitzten.

,,Wer ist das eigentlich?" Hörte ich sie fragen, wahrscheinlich zeigte sie sogar mit dem Finger auf mich.
,,Ach, dass ist nur Summer"

Ich konnte den Inhalt meines Magens schon in meinen Hals spüren, als Juniper meines Namen sagte.

Panisch hielt ich meinen Kopf gesenkt und versuchte ihnen zu zuhören.
,,Sie ist ziemlich schüchtern, oder?"
,,Keine Ahnung, sie ist aber auf dem Spektrum" Wisperte Sophie das letzte Wort, als wäre es etwas schlimmes gewesen.

Als wäre es ein hochansteckender Virus gewesen, der sich auf sie übertragen hätte, wenn sie mich berühren würden. Als müsste sie sich davor fürchten, genauso zu werden wie ich.

,,Spektrum?" Wiederholte Brooklyn leicht stutzig, als hätte sie keine Ahnung, was das bedeuten würde.
,,Ja, kein Plan. Sie ist halt einfach komisch" Versuchte Finley zu Flüstern, stattdessen sprach er allerdings in normaler Lautstärke, was den anderen nicht zu gefallen zu schienen.

Leicht hauten die Jungs ihn gegen die Schulter, während die Mädchen ihnen mit ihren Zeigefinger vor dem Mund zum Schweigen bringen wollten.

Sie alle starrten mich an, doch schauten sie sofort wieder weg, als sich unsere Blicke trafen.

Alle außer Brooklyn.

Mit einem entschuldigenden Lächeln sah sie mich an und hob leicht ihre Hand, um mir zu zuwinken, wie gestern. Nur nicht so enthusiastisch.

,,Also..." Sprach Finley laut und dehnte dabei das Wort schön in die Länge aus.
,,Hast du was nach der Schule heute schon was vor?" Fragte er schnell nach, um die unangenehme Stille, in der man eine einzelne Büroklammer auf den Boden hätte fallen hören können, zu brechen.

Schnell brach sie unseren Blickkontakt und sah zu ihm.
,,Ich muss noch einige Kisten auspacken" Lachte sie nervös, dabei hatte ich gestern kaum Kisten gesehen.
,,Vielleicht morgen" Wollte er diese Absage runterspielen.
,,Ja, vielleicht"

Butterfly SyndromeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt