11 - [Alles In Ordnung]

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Zusammengekauert saß ich auf der Toilette und sah zu der weißen Decke herauf, welche auch mal weißer aussah. Die Decke hatte definitiv einen neuen Anstrich nötig.

Langsam atmete ich ein und versuchte die Stille auszublenden, jedoch scheiterte ich daran, als ich das quietschen der Tür vernahm.

,,Summer?" Hörte ich Brooklyns Stimme nach mir fragen.

Unabsichtlich wimmerte auf. Ich wollte nicht, dass sie mich hörte. Nicht, weil ich alleine sein wollte - was ich dennoch sein wollte - sondern weil ich nicht wollte, dass es irgendjemand auffiel.

,,Ist alles in Ordnung?" Ihre Schritte näherten sich, doch stoppte sie.
,,Soll ich jemanden holen?"
,,Nein!" Kam es einfach aus mir geschossen. Ich erschreckte mich selbst vor meiner eigenen Lautstärke.

,,Nein. Nein, danke" Flüsterte ich in die Stille hinein. Sie antwortete nicht, aber ich hörte den Stoff ihrer Jacke an der Fliesenwand rutschen.

,,Darf ich wissen, was los ist?" Sprach sie vorsichtig, dabei entwich ihr ein kurzes Lachen, welches mich fast dazu brachte, die Tür aufzuschließen.
,,Sie haben uns alle angeguckt"
,,Wieder deine Sozialephobie?"

Der Ton ihrer Stimme war so beruhigend, so verständnisvoll, so angenehm zu lauschen.

,,Ja"

Stille, aber ich wollte, dass sie weiter spricht. So, dass ich die Geräusche der Außenwelt nicht mehr hören musste.

,,Wovor hast du Angst?" Ich wollte lachen, schlug aber versehentlich meinen Kopf leicht gegen die Fliesenwand, was mich tatsächlich auflachen ließ.
,,Was ist so komisch?" Dabei war ich mir sicher, dass sie ebenfalls ein Grinsen auf den Lippen hatte, als sie das sagte.
,,Nichts. Es ist nur, ich hab dir nur schon gesagt, was eine Sozialephobie ist"

Ich zuckte mit den Schultern, dabei konnte sie es nicht mal sehen.
,,Du hast Angst vor den Meinungen der anderen, aber ist die Meinung von Finley, Sophie, Juniper und Co, wirklich wichtig?"
,,Nein-"
,,Also"
,,Nein, dass ist nicht was ich meine"
,,Erkläre es mir"

Seufzend versuchte ich meine Worte zusammen zu suchen, während mein Blick zur Tür gerichtet war. Intensiv versuchte ich durch diese zu sehen, um Brooklyn erblicken zu können. Vergeblich, natürlich.

,,Ich fürchte mich vor ihren Worten, Taten, Aufmerksamkeit. Das alles was ich sage, gegen mich verwenden werden könnte. Ich wäre lieber unsichtbar, als das Gespött von allen" Ich konnte meine Stimme brechen hören, trotzdem konnte ich ein Lächeln auf meinen Lippen spüren.

War meine Angst wirklich so unbegründet, dass sich selbst mein eigener Körper über mich lustig machen musste?

,,Du bist kein Gespött!" Sprach sie in aller Ernsthaftigkeit.
,,Außerdem würde ich nur halb so viel Spaß hier haben, wenn du unsichtbar wärst"
,,Du hättest trotzdem noch Spaß hier" Schnaubte ich, doch bereute ich meine Worte sofort. Warum hatte ich das nur gesagt?
,,Unsichtbar bedeutet nicht, nicht existent. Du wärst immer noch hier, nur könnte ich dich nicht sehen"

Sie lachte. Ihr Lachen füllte diesen Raum aus, auch wenn es nur ganz leicht war.

,,Ich glaube, wenn ihr euch mal richtig miteinander unterhalten würdet, dann würdest du vielleicht deine Angst verlieren" Schlug sie als eine Lösung vor, als ihr Lachen verstummte.

Aber Brooke verstand nicht wirklich, dass es dazu keine einfache Lösung gab. Man konnte sich bei einer Person sicher fühlen, doch hätte man gleichzeitig nach drei Tagen, in denen man sich nicht gesehen hat, wieder zu fremden werden können.

,,So leicht ist das alles nicht, Brooke" Nervös spielte ich mit meinen Fingern, während ich angestrengt ausatmete.
,,Kann ich es denn irgendwie leichter für dich machen?"

Brooklyn Freundlichkeit und Besorgnis fühlten sich schon fast unecht an. Warum hätte sie all das für mich tun wollen?

,,Nein" Seufzte ich.
,,Die Welt ist nicht für Menschen geschaffen, die nicht zur Norm gehören"

Ich wollte nicht so deprimierend klingen. Wahrscheinlich ruinierte ich Brooklyns gesamte Laune, mit meinem selbstmitleid.

,,Das versteh ich nur zu gut" Fragend sah ich zur weißen Tür auf. Noch immer hoffte ich, dass ich sie dadurch sehen könnte. Ich fragte mich, von was sie sprach. Von ihrer Hautfarbe?

,,Möchtst du vielleicht die Tür öffnen?" Hörte ich sie fragen, dabei konnte ich ihre Schritte hören, die sich langsam der Kabine näherten.
,,Nein..."

Ich hätte über mich selbst lachen können. Aber genau das war es, wo vor ich Angst hatte: das ich die Leute mit dem Chaos meiner Emotionen abschrecken könnte.

Es war einfacher so zu tun, als könnte ich sie nicht hören, wann immer sie meinen Namen sagten. Es war einfacher immer zu Lächeln und nett zu sein, wann immer sie mit mir reden mussten.

Schließlich war alles einfacher, als mich mit meinen Emotionen auseinander zu setzen, die ich selbst nicht einmal verstand.

,,Bist du dir sicher?" Fragte sie noch einmal nach, dabei zögerte ich mit meiner Antwort vorhin doch nicht.
,,Lass mich bitte allein"
,,Summer-"
,,Bitte"

Seufzend brachte sie etwas Abstand zwischen uns, aber noch war sie hier.
,,Na schön" Sie klang verletzt und ich hasste mich selbst dafür.
,,Ich geh Bescheid sagen, dass du später zum Unterricht kommst"
,,Nein!" Kam es aus mir geplatzt.

Ich konnte mir schon den verwirrten Ausdruck auf ihren Gesicht vorstellen, der wahrscheinlich ihre Lippen zierte.

,,Ich bin für mich selbst verantwortlich, du musst es ihnen nicht sagen"

Ich erwartete, dass sie dagegen protestieren würde, versuchen würde mich aus der Kabine zu locken, stattdessen durchschaute sie mich einfach.

,,Du möchtest nicht bei den Lehrern auffallen, oder?" Sprach sie gedämpft gegen die Tür.
,,Ich lass mir immer eine Lüge einfallen, also mach dir keine Sorgen, Brooke"

Seufzend entfernten sich ihre Schritte, aber hörte ich nicht die Tür zufallen.
,,Sprich mit mir, wenn etwas ist!" Das war eine Aufforderung. Eine, die so kühl ausgesprochen wurde, dass ich mein Blut in meinen Adern gefrieren spüren konnte.

Sie war ernsthaft besorgt, was ich einfach nicht verstand.

Sie sagte, ich wäre ihre Freundin, dabei kannten wir uns nicht mal eine Woche - dabei wussten wir nicht einmal irgendwas über einander.

Dabei wusste ich nichts über sie. Brooklyn musste oft umziehen und ihre Eltern waren eigenständig, das wars.

Stöhnend ließ ich meinen Kopf auf meine Knie fallen und drückte sie fest gegen meinen Oberkörper.

Ich fühlte mich, wie der schlechteste Mensch auf Erden. Mich überkamen Schuldgefühle, sie ich nicht einmal verstand.

Warum hätte ich nach nicht einmal einer Woche erwartet sollen, dass ich jedes ihrer Geheimnisse kannte?

Meine Gedanken wollten sich einfach einen Spaß mit mir erlauben. Mal wieder.

Butterfly SyndromeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt