10 - [Schule]

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Das Auto meines Vaters bog in die Kurve ein und von weiten konnte ich schon die Schule erkennen.

Das riesige Gebäude tauchte ganz plötzlich hinter den großen Bäumen auf und ruiniert teilweise die eigentlich schöne Szenerie.

Die Schule nach ihrer Renovierung zwischen all diesen Altbauten zu sehen, war einfach nur hässlich, aber niemand schien meine Meinung zu teilen.

Meine Mutter meinte nur, dass ich mich einfach mit der Veränderung schwer tat, womit sie teilweise ja auch recht hatte.

Aber nur weil ich mich schwer tat Veränderung zu akzeptieren, bedeutet das nicht, dass ich alles neue einfach ablehnte.

Die Schule sah wirklich nach der Renovierung besser aus, trotzdem passte sie nicht zu den anderen Häusern, was mein größtes Problem war. Mittlerweile war es sogar mein einziges.

Mein Vater hielt am Bordstein an und richtete sich lächelnd zu mir.
,,Viel Spaß heute"

Ich erwiderte sein Lächeln kurz, bevor ich aus dem Auto stieg und mich auf den Schulhof begab.

Alle Schüler hatten sich schon zu ihren Gruppen gestellt, während ich einfach nur ziellos umher lief.

Leicht verzweifelt suchten meine Augen nach den vertrauten Gesichtern meiner Klassenkameraden, damit ich wusste, wie weit ich mich von ihnen entfernen musste.

Ich hasste es, in ihren Blickfeld zu sein. Unaufhörlich bildete ich mir ein, dass, wann immer sie lachten, sie über mich lachen würden. Manchmal hätte ich sogar schwören können, dass sie meinen Namen sagten, obwohl er nie gefallen war.

Es war pure Paranoia, der ich einfach nur entkommen wollte.

Als meine Augen endlich die Gesichter von Finley, Juniper, Sophie und Co sahen, fand ich auch Brooke bei ihnen.

Alle standen an bei der Treppe an der Steinmauer und lachten einfach. Ein unangenehmes Gefühl durchzog meinen Körper. In den Moment in dem ich mich hätte übergeben können, drehte sich Brooklyn ausgerechnet in meine Richtung, als sie sich auf die Mauer setzten wollte.

Sie lächelte mir entgegen, während ihre schwarzen Locken von dem starken Wind zurückgeweht wurden. Obwohl es Sommer war, erinnert es mich eher an einen angenehmen Aprilabend.

Sofort sprang sie herunter und lief von der Gruppe weg, welche ihr verwirrt hinterher sah, bis sie mich sahen.

Fragen schauten sie einander an. Die einen zuckten kurz mit ihren Schultern, während die anderen einfach starrten.

Sie versuchten es nicht einmal zu verheimlichen, sie machten sich keine Gedanken, ob ich sie sehen konnte oder nicht.

,,Summer!" Rief sie freudig meinen Namen. Brooke wollte mich umarmen - kurz zuckten ihre Arme nach oben, aber sofort nahm sie diese wieder nach unten.

Ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Sie wusste nicht, ob ich ihre Berührung ertragen konnte, also ging sie auf Nummer sicher.

,,Ich hab dich nicht im Bus gesehen" Redete sie, dabei verschwand jedoch mein Lächeln zu einem verwirrten Grinsen. Ich war nie gut in Smalltalk gewesen, also versuchte ich es auch erst gar nicht.
,,Hast du mich überhaupt mal im Bus gesehen?"
,,Guter Punkt" Meinte sie kopfnickend und mied dabei meinen Blick.

In der Stille zwischen uns, sah sie mich einfach an, bis sie wohl die Ruhe nicht mehr ertragen konnte.
,,Mir ist nicht nach stehen, können wir uns setzten?" Fragte sie schnell darauf und zeigte auf den Picknicktisch hinter uns.

Ich wollte nein sagen, eine andere Sitzgelegenheit weit weg von hier vorschlagen, aber Brooklyn lief einfach voraus.

Seufzend fühlte ich mich gezwungen, mich gegenüber von ihr zu setzten, wobei mein Blick allerdings direkt auf die anderen fiel.

Mit fragenden Blicken tuschelten sie alle miteinander, auch wenn Brooke das nicht sehen konnte.

Mein gesamter Mageninhalt von gestern Abend hätte mir hochkommen können - wobei, wäre er ja fast vorhin.

,,Du scheinst dich auch nicht wirklich hier auszukennen" Lachte Brooklyn, als sie auf gestern versuchte anzuspielen.

Sie schien genauso wie ich, nicht genug von diesem Abend bekommen zu haben.

Beschämt wanderte meine Hand zu meinen Nacken, während mein Blick versuchte ihren Augen standzuhalten.
,,Nein" Dabei lebte ich mein gesamtes Leben in dieser Stadt.
,,Ich verlass das Haus nicht so oft"
,,Deine Sozialephobie?" Fragte sie, auch wenn sie eigentlich ziemlich sicher dabei wirkte.

Ich nickte, woraufhin ihr Lächeln nur breiter wurde. Sie hatte ihre Bestätigung bekommen.

Brooke beeindruckte mich. Als würde sie jeden meiner Sätze analysieren, nur um mich verstehen zu können. Ich wollte sie auch verstehen.

Warum verbrachte sie mit mir Zeit, wenn die anderen doch so viel besser mit ihrer Energie umgehen konnten? Wieso wollte sie unbedingt bei mir sein, wenn sie doch auf so viel "achten" musste?

Ich wollte es wissen, es verstehen, es lernen. So wie ich damals versuchte, mir das Verhalten der anderen beizubringen.

Nur konnte ich ihren Blick nicht entkommen, wann immer ich mich untypisch verhielt.

Wenn ich versuchte mich anzupassen war es nicht richtig, und auch wenn ich ich selbst war, war es falsch.

Auch jetzt konnte ich ihren Blicken nicht entkommen, nur weil Brooklyn bei mir war. Weil sie sich mit mir unterhalten wollte. Weil ich keine Hintergrundfigur für sie war.

,,Ich muss kurz auf die Toilette" Entschuldigte ich mich und stand von meinem Platz auf, verwirrt sah mir Brooke hinterher, während ich schnell an allen vorbei und direkt ins Gebäude lief.

Ich hasste die Toiletten, aber sie waren der einzige Rückzugsort den ich hier hatte, während alle Räume zugeschlossen waren.

Hastig atmete ich ein und aus, als ich mich in der Kabine einsperrte. Mir gefiel das nicht - nicht die Aufmerksamkeit von Brooklyn und auch nicht die ungewollten Blicke der anderen.

Genau das wollte ich eigentlich vermeiden. Meine Gedanken sollten sich nicht um meine Mitschüler kümmern, sie wollten diesen entfliehen.

Manchmal wünschte ich mir, dass es einfach einen Knopf geben würde, der all meine Gedanken einfach aufhalten könnte.

So müsste ich mir in diesen Moment keine Gedanken darüber machen, was Brooklyn wohl von mir dachte. Ob die anderen über mich sprachen, sich über mich lustig machten?

Das schlimmste daran war, dass eigentlich keiner von ihnen wirklich schlecht war. Sie alle waren einfach nur uninformiert, was meine Behinderung anging.

Und wenn es nicht für meine Sozialephobie gewesen wäre, hätte ich vielleicht sogar den Mut gehabt, sie über alles aufzuklären.

Der einzigen Person, die ich all die Schuld in die Schuhe schieben konnte, war ich ganz allein.

Butterfly SyndromeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt