Als Nick schlafend in seinen Armen lag, kam Charun zur Ruhe. Er fühlte sich so lebendig wie nie zuvor. Sein Blick wanderte zu dessen lieblichen Gesicht, fuhr durch die braunen Locken. Die Sehnsucht war gestillt, dennoch wollte er mehr. Er wollte, dass Nick ihm sein Herz schenkte.
„Ich werde alles tun, dass du mir verfällst." Er strich eine verirrte Locke hinter das Ohr.
Ein leiser Seufzer erklang. „Charun", flüsterte sein Liebster leise. Die Mundwinkel des Dämons wanderten nach oben. Alles.
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Die nächsten Wochen versuchte Charun jegliche Vorgehensweise, um Nick für sich zu gewinnen. Die Geschenke, die er ihm machen wollte, hatte er sofort abgelehnt. Das hatte Charun befürchtet – das Materielle konnte seine Braut nicht überzeugen. So fragte er Elios nach Rat und machte mit Nick einen Ausflug an einen schönen See. Die Augen seines Liebsten hatten gestrahlt und da hatte der Dämon etwas verstanden – er wusste zu wenig über diesen jungen Mann.
Sie hatten begonnen für mehrere Stunden am Tag zusammenzusitzen und Gespräche zu führen. Nick hatte ihm von seinem bisherigen Leben erzählt, er hingegen von Avrion und seinem Leben vor der Gefangenschaft. In dieser Zeit lernte er, dass Nick eine romantische Ader hatte und ihn besondere Geschichten oder Erlebnisse mehr begeisterten als Schmuck.
Stumm lauschte er Charuns Geschichten und die Bilder liefen vor seinen Augen ab. Die Welt, die er betreten hatte, war neu, dennoch hielt sie so viel für ihn bereit. Zudem spürte er, wie er sich zunehmend veränderte, nicht nur äußerlich. Es gab Momente, in denen er eine Sehnsucht spürte, in denen er Charun nahe sein wollte. Er fühlte sich zu diesem Mann gezogen, wie ein Magnet zu einem anderen.
Körperliche Berührungen waren Verführungen, denen er immer mehr erlag und der Dämon seinen Körper einnahm. Er erwachte neben diesem, spürte die Wärme, die Nähe und einen tiefen Frieden. So oft war er alleine im Bett gelegen.
Seit zwei Tagen schlief er nun alleine. Charun war bei einem wichtigen Besuch bei einem anderen Todesdämon, musste weitere hochrangige Dämonen besuchen. Mit der Hand fuhr er über die leere Seite des Bettes. Zwei Tage weg und du vermisst ihn. Er wusste, dass der Dämon ihn auf Händen trug, und liebte seine Stimme, die Geschichten. Er versucht, mich für sich zu gewinnen. Das war Nick bewusst.
Ein Lächeln trat auf sein Gesicht. Wenn er wüsste... Er war Charun doch bereits verfallen. Doch er würde noch etwas warten, bevor er es ihm offenbarte, denn er wollte auf den richtigen Moment warten. Seufzend drehte er sich. „Zwei, die sich die Seelen teilen, ein Leben teilen. Gibt es bei so etwas überhaupt ein „ich liebe dich nicht"?" Er konnte es sich nicht vorstellen.
Als die Sonne etwas höher wanderte, stand er schließlich auf. Er hatte heute wieder Unterricht in den Gebräuchen der Dämonen und den Etiketten, an die er sich als Charuns Braut halten musste. Es war unvermeidlich, dass er irgendwann in die Gesellschaft eingeführt werden würde. Irgendwann würden sie von ihm wissen. Zudem hatte er begonnen, körperlich zu trainieren, um eine bessere Ausdauer zu erhalten und fitter zu werden. Unglaublich. Das hätte ich weniger geglaubt, als von einem Dämon als Braut entführt zu werden.
Nach einer schweißtreibenden Trainingsrunde mit einem Angestellten, mit dem er sich angefreundet hatte, wusch er sich und ging zum Essen. Das Personal hatte ihn mit offenen Armen empfangen und es herrschte eine warme Atmosphäre.
Nach dem Essen holte Alya, die Dämonin, die die Bibliothek betreute, ihn ab. Sie liefen gemeinsam durch den Garten, während sie ihn heute in Etiketten an Bällen unterrichtete. Er lauschte ihren Erklärungen und versuchte es umzusetzen – die Begrüßung, die Haltung, die Wortwahl. Sehr strikt.
„Sehr gut. Dann werden wir morgen-", doch die Dämonin brach ab. Der warme Ausdruck wich einem erschrockenen. Sie sprang auf, schaute in Richtung Norden. „Nickolas, wir müssen sofort verschwinden."
Nick spürte, dass sie es ernst meinte, ihr Ausdruck war deutlich. Sie griff hinter ihn, zog die Kapuze des Mantels, den er trug, über seinen Kopf, sodass dieser bedeckt war. Dann ergriff sie seinen Arm und zog ihn mit sich. Sie rannten über den Kiesweg des großen Gartens.
Der Himmel wurde dunkel und die Wolken bildeten einen Strudel. Nick blieb stehen, schaute zu diesem. Was? „Nick, bitte", sagte Alya ängstlich.
Aus dem Strudel erschien eine Gestalt mit grauen Schwingen und hellgrauen Haaren. Die Angst, die Alya ausstrahlte, erfasste nun auch Nick. Der Mann landete nicht weit entfernt, die Augen hatten einen eiskalten Blick.
Ein weiterer Dämon landete zwischen ihnen.
Draug schaute zu Elios – Charuns engstem Vertrauten. Er war vor ihm gelandet, nahm eine Angriffshaltung ein. „Fürst Draug, warum seid Ihr hier?", fragte dieser. Er konnte spüren, dass der Dämon Angst hatte, dennoch strahlte er diese nicht aus. Er beschützt etwas, anders konnte es nicht sein. Also hatte ich recht. Charun versteckte etwas. Seine Hand streckte sich aus und er ließ seine Magie in alle Richtungen wandern.
Die Resonanz zeigte ihm einige Angestellte, doch noch etwas. Es war wie eine hellleuchtende Flamme, etwas Außergewöhnliches. Ein kaltes Lächeln wanderte auf sein Gesicht und er blickte in die Richtung. Dort sah er eine Angestellte und eine Gestalt, die verhüllt war. Das ist es.
Elios sah den Blick und wusste, dass der Dämon Nick ausgemacht hatte. Ohne zu zögern, trat er einen Schritt auf den Dämon zu. „Verlasst das Gebiet. Ihr habt keine Aufenthaltserlaubnis." Elios wusste, dass diese Worte nichts nutzten, doch sie erkauften ihm hoffentlich Zeit. Weitere seiner Krieger landeten hinter ihm – zwischen Draug und Charuns Braut.
Alya zog Nick mit sich und sie entfernten sich, also musste sie ihnen so viel Zeit wie möglich verschaffen. „Händigt sie mir aus, dann werde ich euch verschonen", sagte Draug, sein Blick hing an der hellen Robe, die flatterte.
„Bitte geht", erwiderte Elios.
Sturer Narr. Der Todesdämon zog sein Schwert und schoss nach vorne. Zwar griffen die Krieger an, doch er wich ihnen mit Leichtigkeit aus. Er setzte sie außer Gefecht, tötete sie jedoch nicht, denn das würde nur Probleme machen. Elios war der hartnäckigste. Er wich einem direkten Stich aus, wehrte den darauffolgenden Schlag ab. Für einen Moment war seine Flanke ungeschützt, also trat Elios gegen diese und entwaffnete seinen Gegner. Er brachte Elios zu Fall und nagelte ihn mit seinem Schwert auf dem Boden fest.
„Fürst Draug, wenn Ihr das tut, wird er Euch nicht am Leben lassen", presste der Dämon mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor.
„Dann soll er kommen", erwiderte er nur mit kalter Stimme. Er hatte keine Angst vor Charun.
Die beiden hatten die Grenze des Gartens erreicht, doch das würde nicht reichen. In seiner Hand erschien ein kleiner Energieball, den er in ihre Richtung abfeuerte. Er schlug vor den beiden Flüchtenden ein und sie hielten an, traten zurück.
Nicks Herz schlug wie wild. Die Flammen vor ihnen versperrten den Weg. Alya riss ihn zur Seite und sie rannten nach rechts. Die Luft wurde schwer und er wusste, dass der fremde Dämon über ihnen war. Er konnte die Aura spüren, die ihn nach Luft schnappen ließ.
„Übergib sie mir, dann werde ich dein Leben verschonen", erklang eine kalte Stimme, die Nick das Blut in den Adern gefrieren ließ. Eine solche Angst hatte er noch nie verspürt.
„Lauf", schrie Alya, stellte sich dem Dämon mit den grauen Flügeln entgegen, der vor ihnen landete.
Diese Narren. Wieso beschützten sie diese Person? Wer war sie? Sie hatten alle ihr Leben riskiert, doch weshalb? Seine Hand erhob sich. „Dann sei es so." Die Dämonin hatte sich entschieden, zu sterben. Ein weiterer Energieball sammelte sich in Draugs Hand.
Bevor dieser die Dämonin jedoch treffen konnte, wurde sie zur Seite gestoßen. Der Energieball traf auf den Boden und löste eine kleine Druckwelle aus, hinterließ ein Loch im Boden.
Nick spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Er schlug auf und hörte ein Krachen, rollte einige Meter. Ein heißer Schmerz entflammte in seinem linken Bein und in seinem Brustkorb. Er hatte das Gefühl zu ersticken, schnappte nach Luft.
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Der Dämon im Spiegel Teil 1 & 2
Short Story𝟭) 𝗗𝗲𝗿 𝗗𝗮̈𝗺𝗼𝗻 𝗶𝗺 𝗦𝗽𝗶𝗲𝗴𝗲𝗹 Nick ist ein Bücherwürm. Bücher sind seine Welt, eine Welt, in der es immer ein Happy End gibt. An Halloween, kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag, entschließen sich jedoch drei Jungs aus seine Klasse ei...