Der Dämon im Spiegel - Kapitel 2

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Nick hatte das Buch nicht zurückerhalten und langsam wurde er sauer. Am nächsten Schultag würde er Kent zur Rede stellen. Seufzend saß er in seinem Zimmer, schaute aus dem Fenster. Überall waren Kürbisse, Geister, Spinnweben und Skelette zu sehen. Die Straße versank in Halloween-Deko und jeder Nachbar wollte den anderen übertrumpfen.

Halloween. Süßes oder Saures. Als Kind hatte er sich ebenfalls verkleidet und war mit James durch die Straßen gelaufen, die mit kleinen Kindern gefüllt waren. Das hatte er jedoch irgendwann gelassen. Er war nicht der Typ, auf Halloweenpartys zu gehen oder mit anderen nachts durch die Straßen zu laufen. Dafür hätte er auch Freunde gebraucht, die das taten. Er würde wie jeden Abend in seinem Zimmer bleiben und ein gutes Buch lesen.

Es war bereits abends, als er ein Klopfen an seiner Tür hörte. „Nickolas", erklang die Stimme seiner Mutter. Stumm stand er auf und lief zu seiner Zimmertüre.

Seine Mutter hatte einen Eimer in der Hand, in dem zahlreiche Bonbons waren. „Kannst du diesen Eimer Mrs. Kinnings bringen? Ihr sind die Süßigkeiten ausgegangen."

Mrs. Kinnings war ihre Nachbarin von gegenüber, eine ältere Dame, die an Halloween zur Höchstform auflief. Es war nicht das erste Mal, dass sie bei seiner Mutter um Nachschub fragte, denn ihr Gruselkabinett lockte viele Kinder an und sie war großzügig mit den Süßigkeiten.

Seufzend nahm er den Eimer und lief nach draußen über die Straße, um es schnell hinter sich zu bringen. Er klingelte an der Türe.

Mrs. Kinnings öffnete die Tür und begrüßte ihn freundlich. „Ach Nickolas, hast du mir Nachschub gebracht? Vielen Dank, mein Junge." Sie nahm den Eimer und stellte ihn innen auf das Fensterbrett.

Nick wollte gerade gehen, da hielt die Dame ihn am Arm fest. Sie nahm ein kleines Säckchen und legte es ihm in die Hand. „Das wurde für dich abgegeben, mein Junge."

Verwirrt schaute Nick auf das schwarze Säckchen, sagte aber nichts. Er nickte nur und ging zurück. In seinem Zimmer öffnete er das schwarze Säckchen und eine Hand voll Bonbons landeten auf seinem Bett. An sich wäre das nicht ungewöhnlich gewesen, doch auf den Bonbons standen mit Filzstift geschriebene Worte. Er ordnete diese und las die Nachricht, die auf diesen standen.

»Komm vor Mitternacht zur alten Brücke oder das Buch wird den Geistern zu ehren geopfert.«

Die Anweisung war klar und er wusste auch, wer diese geschrieben hatte. Ein finsterer Blick trat in sein Gesicht. Es reichte also nicht, dass sie ihn in der Schule ärgerten, nun spielten sie auch noch Schnitzeljagd mit ihm. Nick wusste, dass sie ihn wahrscheinlich wie einen Idioten durch die halbe Stadt laufen lassen würden. Dennoch, er wollte das Buch zurück, also zog er sich an.

Ein warmer schwarzer Pulli wanderte über seinen Kopf und eine bequeme Jeans folgte. Er nahm einen kleinen Rucksack, in dem er sein Handy, eine Taschenlampe und eine Flasche Wasser packte, denn er wusste nicht, wie lange es dauern würde, dann lief er die Treppe runter.

Seine Eltern waren beschäftigt und merkten gar nicht, als er zur Hintertür hinausschlüpfte. Das Säckchen mit den Bonbons war in seinem Rucksack und so lief er los. Er brauchte gute fünfzehn Minuten, bis er bei der alten Brücke ankam. Dort fand er an einer Querstrebe eine Kette an Bonbons – dieselben wie in seiner Tasche. Er leuchtete sie mit der Taschenlampe an und las die nächste Anweisung.

»Finde die hässlichste Krähe der Stadt.«

Klasse. Er hängte die Bonbon-Kette ab und steckte sie ein. Hässlichste Krähe der Stadt. Damit meinten sie vermutlich die Vogelscheuche des Bürgermeisters. Sie wollen, dass ich durch seinen Garten laufe? Mit jedem Schritt wurde der Unmut größer. Andere verkleidete Kinder und Jugendliche liefen gut gelaunt vorbei, während er mit der Kapuze über dem Kopf durch die Straßen lief.

Gute zwanzig Minuten brauchte er, bis er an seinem Ziel angekommen war. Dort stand sie – die Vogelscheuche, die der Bürgermeister jedes Jahr aufstellte. Auf ihren Schultern saßen zwei Krähen, eine davon hatte nur ein Auge und schaute ihn gruselig an. Das Knopfauge glänzte. Nick lief zu dieser Krähe und sah, dass an deren Bein eine weitere Bonbonkette hing – die nächste Anweisung.

So scheuchten sie ihn weiter. Es war bereits halb Zwölf, als er an der letzten Station ankam, zumindest hoffte er das. Vor ihm lag der Friedhof. Der Mond schien von oben auf die Gräber und beleuchtete sie leicht. Eine unheimliche Atmosphäre herrschte. In jedem Horrorfilm würde die Person, die diesen betrat, sehr wahrscheinlich einen grausamen Tod sterben.

Nick atmete tief ein und aus, betrat mit der Taschenlampe den Friedhof. Er lief den Kiesweg durch die Gräber entlang. Ein Flattern erklang und er sah, wie ein Rabe flatternd auf einem Ast landete. Überhaupt nicht gruselig. Dennoch hatte er ein Ziel – er wollte sein Buch zurück, also lief er zu der Grabstätte, die auf dem letzten Hinweis gestanden war. Es war das Familiengrab eines der ältesten Familien der Stadt. Normalerweise war der Eingang des Steingebäudes mit einem Schloss verschlossen, doch heute war das nicht der Fall. Die Gittertür stand leicht offen, eine unausgesprochene Aufforderung, dieses zu betreten. Sehr wahrscheinlich warteten sie drinnen, um ihn zu erschrecken.

Bringen wir es hinter uns. Er lief durch das Tor, das leise quietschte, und betrat die steinerne Treppe, die etwas nach unten führte. Er lief in die Gruft. Es war ein recht geräumiger Raum mit zahlreichen Verzierungen an den Wänden. Überall standen die Namen der Familienmitglieder, die in dieser begraben waren. Doch all das trat in den Hintergrund, als er ihn sah.

Wie in Trance trat er zu der Wand, an der er hing – ein großer Spiegel mit verschlungenen Symbolen auf dem Rahmen. Das ist nicht möglich. Dieser Spiegel sah aus wie der Spiegel aus der Zeichnung. Mit den Fingern fuhr er über die Symbole, sein Herz schlug schnell. Ein Lächeln trat auf sein Gesicht.

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Kent und seine Kumpels waren in der Ecke versteckt, beobachteten wie Nick die Gruft betrat. Er stand vor dem Spiegel, genau wie beabsichtigt. Wider Erwarten trat ein leuchtender Ausdruck in dessen Gesicht, der Kent einen Stich versetzte. Gerade, als sie aus ihrem Versteck springen wollten, begann Nick zu sprechen und sie hielten inne.

So lass mich ein, zu dem Mann, der mein Herz empfangen soll. Öffne den Weg, der mich zu ihm führt." Die Worte wanderten über Nicks Lippen und die drei erstarrten.

Sie traten aus dem Versteck und Nicks Kopf schoss in ihre Richtung, ihre Blicke trafen sich. Kent wollte sprechen, wollte das, was er vorbereitet hatte, dem Geek an den Kopf werfen, doch er tat es nicht.

Der Raum begann zu vibrieren und ein kühler Wind wehte durch die Gruft, was jedoch nicht möglich war. Der blinde Spiegel begann zu schwingen und John schaute sich panisch um. „Was passiert hier?" Sie schauten zu Nick.

Es passierte so schnell, dass sie nicht reagieren konnten. Zwei Arme traten aus dem Spiegel hervor und legten sich um Nicks Oberkörper. Mit einem Ruck wurde dieser nach vorne gerissen und verschwand in dem Spiegel. Das Letzte, was Kent sah, war der überraschte Blick in den schwarzen Augen.

Kents Herz klopfte schnell. Er löste sich aus der Erstarrung, rannte zu dem Spiegel und schlug dagegen, doch nichts passierte. Es war nur ein blinder Spiegel mit einer kalten Oberfläche.

Der Dämon im Spiegel Teil 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt