Ein ganz normaler Tag?

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Ich sitze im Bus und spüre die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Jahres auf meiner Haut. Meine Gedanken fliegen leicht umher; im Takt zu 2Raumwohnungs „Somebody Lonley and Me (Tag)" das laut in meinen Ohren dröhnt. Ich nehme die Menschen um mich herum kaum war. Genieße meine Unbeschwertheit, das Lächeln auf meinem Gesicht; welches so lange Zeit durch Abwesenheit geglänzt hatte. Ich steige aus dem Bus aus und tanze im Sonnenlicht auf den goldenen Turm zu, der sich 800 Meter vor mir in den Himmel streckt. Mein Blick bleibt klar. Heute jagt keine Traurigkeit durch meine Venen, wenn ich an die nächsten Stunden in diesem Ungetüm denke. Heute jagt es mir keine Angst ein, dass sich meine Träume nicht erfüllen werden und das Wissen, dass heute Abend meine Kraft verbraucht sein wird, um an ihnen zu arbeiten, stimmt mich nicht traurig. Ein letzter tiefer Zug an meiner Zigarette und ich trete ein in die Dunkelheit des Turms. Das Foyer erstrahlt heute in herrlicher Einsamkeit und so stehe ich endlich einmal allein an den Fahrstühlen. Das nächste Lied beginnt und ich kämpfe nicht dagegen an, zu „You make my Dreams" fröhlich vor mich hinzutanzen; inklusive einer energischen Vollumdrehung die mich im richtigen Moment vor der geöffneten Fahrstuhltür zum Stillstand kommen lässt. Mit kreisenden Hüften betrete ich die stählerne Kabine und lasse mich einschließen.

„Wer ist das?"

Fasziniert beobachtet Bettina die tanzende junge Frau an den Fahrstühlen. Sie stand oben auf der Galerie von der sie einen guten Überblick über das unter ihr liegende Foyer hatte und beobachtete die Menschen die in das Gebäude eintraten. Sie alle hatten den gleichen gelangweilten Blick, waren ihrem Schicksal ergeben. Da war kein Leben mehr in ihren Augen. Außer bei einer, die lächelnd tanzend zu den Fahrstühlen hüpfte und eine lebendige Umdrehung darbot und dabei ihre Umwelt gar nicht wahrnahm. Bettinas Herz zog sich liebevoll zusammen und sie hätte zu gern gewusst, welche Musik die Unbekannte hörte. Die Frau neben ihr lächelte.

„Das ist Anna."

„Sie kennen sie?" Fragt Bettina verwundert.

Die Frau nickt.

„Sie könnte die Richtige für Sie sein."

Bettina spürt, wie ihr die Röte ins Gesicht schießt, obwohl sie weiß, dass dieser Satz ganz anders gemeint ist. Sie spannt ihren Körper an und richtet sich auf die Augenhöhe ihres Gegenübers auf.

„Dann sorgen Sie dafür, dass sie heute kommt."


Ich starre aus dem Fenster meines Büros. Die Stadt liegt sonnenerleuchtend vor mir. Ich weiß nicht, wie ich mich so weit von meinen Träumen entfernen konnte, wie leicht ich mit meinem getroffenen Arrangement leben konnte ohne den Versuch zu wagen auszubrechen. Mein Leben hat mich bisher einfach zu viel Kraft gekostet. Im Lauf der Zeit habe ich meine Ziele aus den Augen verloren und beschlossen, mit dem was ich hatte zufrieden zu werden. Bereitwillig habe ich meine Träume begraben, die immer wieder leise an die verschlossene Tür meines Herzens klopften und darum baten, sie wieder auszugraben. Ich genieße meinen angeblichen Frieden, ruhe mich aus und lasse die Zeit einfach weiterlaufen. Verdrängte mein Unglück, obwohl es wie ein Damokle-Schwert über mir schwebte.

„Anna!" Und schon steht meine Chefin neben mir.

„Du musst los!"

„Los?"

Ich bin verwirrt. Ich habe doch jetzt gar keinen Termin?

„Wohin?"

Ina schüttelt lächelnd ihren Kopf.

„Schaust Du nicht ins Intranet?"

Verunsichert schaue ich auf meinen Bildschirm, auf dem zum Glück eine kompliziert aussehende Tabelle geöffnet war. Ich atme erleichtert aus. Ina hat meine abschweifenden Gedanken nicht bemerkt. Unter ihren Blicken öffne ich das Intranet unserer Firma.

Die AffäreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt