Unsere letzte gemeinsame Woche vergeht viel zu schnell. Wir verbringen die Abende mit kochen und intensiven Gesprächen. Manchmal sitzen wir auch einfach nur am Tisch und ich arbeite an meinem Laptop und Bettina lernt ihren Text für die Serie. Ich genieße diesen vertrauensvollen Alltag. Ich vermisse nichts. Es könnte auf ewig so weitergehen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich je so wohl in der Gegenwart eines anderen Menschen gefühlt habe, dass ich je so sehr ich war, nicht einmal, als ich noch Teil einer Familie war. Diese vier Wochen haben mich verändert. Ich glaube wieder an das Glück, an die Liebe. Nein, ich glaube nicht, ich weiß, dass es das Glück, die Liebe wirklich gibt! Ich weiß, dass ich ein glücklicher, lustiger, sinnlicher Mensch sein kann, der das Glück des Augenblicks genießen kann. Ich kann ein Mensch ohne schwere, niederschlagende Gedanken sein.
Ich verfluche nur, dass unsere Zeit so begrenzt ist. Es gäbe noch so viel zu entdecken, so viel von Bettina kennen zu lernen, gemeinsam miteinander aufzubauen. Ich sehe Bettina an. Sie sitzt in Gedanken versunken über ihren Drehbüchern. Ich überlege, ob ich sie fragen sollte, ob sich an ihren Gefühlen, ihrer Auffassung etwas geändert hat, ob sie sich nicht doch ein Leben mit mir vorstellen könnte und Tom verlassen würde? Es gab so viele kleine Momente in den letzten vier Wochen in denen ich ihren Schmerz, ihre Sehnsucht gefühlt habe. Kleine Momente, in denen ich sicher war, dass sie aus ihrem Leben ausbrechen wollte und so nur darauf wartete, dass ich den Mut finden würde sie an der Hand in dieses neue Leben zu ziehen. Aber ich fand diesen Mut in mir nicht. Sie hatte ihre Position von Anfang an klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Ich würde mich lächerlich machen und mein Herz würde ihre Abweisung nicht ertragen. Ich werde genug Kraft aufbringen müssen, um den Schmerz ihres Verlustes zu verarbeiten. Wenn ich nichts sage, kann ich mir immer noch einbilden, dass sie sich ebenfalls nach einem gemeinsamen Leben sehnt, dass sie es will und nur aus einer angeblichen Verantwortung heraus bei ihrem Mann bleibt. Ich kann dann immer noch hoffen, dass sie sich eines Tages anders entscheidet. Ich entscheide mich für meine Sehnsucht, meine Hoffnung. Ich entscheide mich für den Schmerz, bereite mich innerlich auf die Zeit danach vor und vielleicht werde ich irgendwann vergessen und wieder glücklich sein.
Ich betrete an unserem letzten Abend den dunklen Flur.
„Bettina?"
Ich blicke auf den Boden und entdecke die Pfeile aus roten Rosen. Ich folge Ihnen und bleibe im Garten vor einem knisternden Feuer stehen.
„Du hattest Dir doch ein Lagerfeuer gewünscht?"
Ich schlucke meine Tränen herunter und lasse mir von Bettina in die dicke Jacke helfen. Sie drückt mir einen Stock mit Stockbrot in die Hand und so stehen wir nah beieinander am Feuer und backen unser Brot. Ich betrachte sie und bin fasziniert von dem Schattenspiel in ihrem Gesicht. Ich versuche mir jede Mimik, jede Gestik, jede Falte einzuprägen. Ich will alles von ihr für meine Erinnerungen konservieren. Ich finde, sie war noch nie so schön wie heute Abend. Nachdem wir unser Stockbrot gegessen haben, sitzen wir mit einem Glas Wein vor dem Feuer und schweigen. Ich lasse mich von der Wärme einhüllen. Das Feuer wird kleiner, das Holz zu Asche und vom Wind fortgeweht. Mir fehlen noch immer die Worte, obwohl ich Bettina so viel zu sagen hätte.
„Schenkst Du mir noch einen Tanz?"
Ich nicke, ohne sie richtig verstanden zu haben. „Eye in the sky" umhüllt mich und ich sehe uns wieder im Ritz Carlton an unserem ersten gemeinsamen Wochenende. So viel war seitdem geschehen, so viele Geschichten und Gefühle kamen hinzu, dass das Wochenende Jahre her zu sein scheint. Ihre Hände an meinen Hüften und wir bewegen uns gemeinsam im Takt. Unser Lied. Stumm laufen die Tränen von meinen Wangen. Unsere Zeit ist zu Ende. Ich bin mir sicher, es dauert nur wenige Tage und Bettina hat mich vergessen. Ich kann ein Schluchzen nicht unterdrücken.
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Die Affäre
RomanceAls Anna auf die berühmte Schauspielerin Bettina Stein trifft, sind beide voneinander fasziniert. Doch es kann nur eine Affäre sein.