Gemeinsames Glück

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Ich drehe den Schlüssel im Schloss um und betrete den warmen Flur. Ich blicke in liebende grüne Augen. Bettina begrüßt mich zärtlich.

„Endlich Wochenende."

Ich nicke und lasse mich von ihr umarmen. Meine Anspannung fällt von mir ab und ich fange an, die zarte Haut unter Bettinas Pullover zu streicheln. Werde ich davon je genug bekommen? Sie stoppt mich.

„Ich habe eine Überraschung für Dich."

Neugierig lasse ich mich von Bettina ins Wohnzimmer ziehen und bleibe vor einer riesigen leeren Leinwand stehen.

„Ich dachte, Du hast vielleicht mal wieder Lust zu malen?!"

Mein Herz schlägt wild vor sich hin. Die Freude bahnt sich ihren Weg durch meine Adern, das Kribbeln in meinen Fingern lässt mich den Pinsel schon in meinen Händen spüren.

Ich spüre die Farben, lasse mich vom Takt der Musik leiten und werfe immer wieder einen Blick auf Bettina, die mit einem Buch entspannt lesend auf der Couch sitzt. Der Kamin spendet wohliges Licht und ich genieße die Geborgenheit, das Vertrauen welches mich umgibt. Noch nie konnte ich so frei sein, so ich selbst sein, wenn ein anderer Mensch in meiner Nähe war. Noch nie konnte ich mich so fallen lassen. Von der ersten Berührung an, hat sich alles so natürlich, so vertraut zwischen mir und Bettina angefühlt. Zwischen uns gab es keine Scham, kein Verstecken. Wir waren ehrlich zueinander, zumindest ich war es. Bei Bettina kann ich es nur vermuten, aber sie gibt mir das Gefühl ehrlich zu sein und ich suche nicht nach Anzeichen um daran zu zweifeln. Bettina gibt mir das Gefühl, ihr bedingungslos vertrauen zu können. Ich konnte ihr alles sagen und trotzdem sah sie mich voll Liebe an und so habe ich mich getraut, ihr meine Wünsche zu offenbaren und mit einem vor freudigen Lächeln hat sie mich an ihr Bett gefesselt und mich mit einem Strap-On gevögelt und ich habe mich fallen gelassen und mich ihr hingegeben. Hinterher lagen wir uns vertraut in den Armen. Da war keine Peinlichkeit, nur Vertrauen und Sicherheit und Glück. 

Und jetzt lasse ich mich wieder fallen, gebe mich meiner Kunst unter ihren Augen hin und fühle mich frei und angekommen. Voller Stolz betrachte ich mein Werk. Lange war ich nicht mehr so versunken, bin so aufgeblüht in meinem Tun, dass ich alles um mich herum vergessen habe. Bettina tritt an meine Seite. Sie schaut auf die Leinwand voll bunter Farben.

„Wow!"

Ich grinse und stupse sie an.

„Danke!"

„Wofür?"

„Für meine Inspiration."

Ich küsse sie und Bettina zieht mich aufs Sofa. Ich kuschle mich an sie und genieße die Ruhe die mich erfüllt. Bettina liest in ihrem Buch weiter und ich döse friedlich vor mich hin. Ich bin ganz für mich und doch nicht allein. Aber ich möchte etwas Gemeinsames erschaffen. Ich stehe auf und hole eine neue Leinwand aus dem Nebenzimmer.

Bettina blickt von ihrem Buch auf.

„Noch eins?"

Ich nicke und strecke meine Hand nach ihr aus.

„Ich möchte mit Dir gemeinsam malen."

Lächelnd kommt Bettina auf mich zu und betrachtet skeptisch die leere Leinwand vor uns. Krampfhaft hält sie den Pinsel fest den ich ihr in die Hand gedrückt habe. So unsicher kenne ich sie ja gar nicht! Ich schnappe mir mein Handy und lasse die Musik erklingen.

„Schließ die Augen und konzentriere Dich auf die Musik. Auf Deine Gefühle."

Ich trete hinter sie und führe ihre Hand mit dem Pinsel an die Leinwand. Sie lässt ihren Kopf gegen meine Schulter sinken. Sie lässt sich fallen. Sie vertraut mir. Die Farbe berührt die Leinwand. Gemeinsam malen wir Linien. Meine Lippen an ihrem Hals. Wir wechseln die Farbe. Ich habe meine Augen ebenfalls geschlossen und gebe mich ganz diesem Augenblick hin. Ich höre auf den Takt der Musik, auf Bettina ihren Atem, das Geräusch, wenn der Pinsel auf die Leinwand trifft.

„Ich habe eine Idee!"

Bettinas grüne Augen strahlen mich an.

„Gib mir Deine Hände."

Ich strecke ihr meine Handinnenflächen hin. Ich frage nicht warum. Ich will nicht vorab wissen, was passiert. Ich vertraue ihr und lasse geschehen. Ich weiß mir wird nichts Schlimmes geschehen. Bettina trägt die unterschiedlichsten Farben auf meine Haut auf, führt meine Hände zu unserem Kunstwerk und ich berühre mit meinen Händen die Leinwand, spüre den rauen Stoff, die kühlende Feuchtigkeit der Farbe. Nun war es Bettina die hinter mir steht und ihr Becken an meinen Hintern drückt. Ich spüre ihren Atem in meinem Ohr und genieße die Gänsehaut, die meinen ganzen Körper überzieht. Sie verteilt mit ihren Händen die feuchte Farbe die ich auf der Leinwand hinterlasse und so langsam entstehen Spuren, Muster, die wir für die Ewigkeit auf der Leinwand konserviert haben sobald die Farbe getrocknet ist. Ich habe noch nie in meinem Leben so einen sinnlichen Moment erlebt! Bettina legt ihre farbigen Hände in meine. Spüre ihre Küsse an meinem Hals. Ich drehe mich um und hinterlasse farbige Spuren in ihrem Gesicht. Ich kann ein Lachen nicht unterdrücken!

„Na warte!"

Und schon spüre ich Bettinas feuchte Hände in meinem Gesicht. Wir lassen uns von der Leidenschaft überrollen und lieben uns auf der feuchten Leinwand. Die Muster und Strukturen verändern sich zu einem Beweis unserer Liebe.

Wir liegen frisch geduscht im Bett. Ich spiele verträumt mit Bettinas Hand.

„Woran denkst Du?"

Ich denke nicht mehr darüber nach was ich sage oder wie es bei Bettina ankommen könnte. Ich bin einfach ich. Seit unserem Wochenende in London verstecke ich mich nicht mehr, nicht mal hinter Halbwahrheiten oder Antworten mit denen ich leben konnte. Ich sehe sie an.

„Ich bin traurig, dass wir keinen gemeinsamen Sommer haben werden."

Ich erkenne ihren Schmerz in dem funkelnden Grün das mich liebevoll ansieht.

„Was würdest du tun wollen?"

„Mit Dir am Strand liegen, im Meer baden, Cocktails trinken..."

Bettina spann meinen Traum weiter.

„...mit nackten Füßen über grüne Wiesen laufen, im Biergarten sitzen, im Garten schlafen und den Sternenhimmel beobachten..."

„Grillen, am Lagerfeuer sitzen, mit unserem Hund spazieren gehen..."

„Wir hätten einen Hund?"

„Ja", sage ich.

„Das klingt nach mehr als einen Sommer."

Ja, ich weiß. Es klingt nach einem Leben. Ich rücke an Bettina heran und schweige. Schließe die Augen und träume von unserem Sommer der in einem gemeinsamen Leben endet.

Die AffäreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt