Nur eine Affäre

206 9 0
                                    


Bettina steht vor dem grauen Turm. Eine Sonnenbrille und Wollmütze schützen sie nicht nur vor der Kälte, sondern auch vor neugierigen Blicken. Sie läuft vor Aufregung auf und ab, lässt den Eingang nicht aus den Augen. Jeden Augenblick will sie mit Anna genießen. Anna. Ihr Herz hüpft aufgeregt vor sich hin. Sie hat den Tag über Pläne geschmiedet, was sie in den vier Wochen, die ihr mit Anna bleiben alles unternehmen will, was sie ihr zeigen will. Diese vier Wochen will sie leben und nie wieder vergessen, sie als schöne Erinnerung behalten. Denk nicht schon an die Zeit danach. Sie lächelt gequält. Sie weiß, dass sie Anna von Tom erzählen muss, dass sie ihr klarmachen muss, dass sie ihn nicht verlassen wird. Anna wusste von Tom, aber sie wusste nicht, dass Bettina immer noch mit ihm zusammen war und auch vorhatte es zu bleiben. Sie kann ihr Versprechen ihm Gegenüber nicht brechen, sie kann nur versuchen, die gemeinsame Zeit mit Anna zu einer der schönsten ihres Lebens zu machen.

Bettina tigert vor dem Eingang auf und ab. Ich habe sie unter ihrer großen Sonnenbrille und der Wollmütze kaum erkannt. Ich zügle meine Aufregung, die Zuneigung, Leidenschaft in mir. Wie gern würde ich in ihre Arme laufen und sie küssen. Langsamen Schrittes gehe ich auf sie zu und bleibe neben ihr stehen. Ein liebestolles Grinsen in ihrem Gesicht.

„Hallo."

„Hallo" grinse ich zurück und streife leicht ihre Hand.

„Komm. Ich habe da hinten geparkt."

Gemeinsam laufen wir zu ihrem schwarzen Wagen. Elegant hält sie mir die Tür auf und als sie selbst einsteigt, dauert es nicht lang und ihre Lippen liegen auf meinen. Ihre Hand an meiner Wange.

„Wie war Dein Tag?"

Ich zucke mit den Schultern. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich an die vor mir liegenden Stunden kaum erinnern, weil ich nur an Bettina denken musste. Aber so direkt wollte ich das nicht sagen.

„Ach, nix besonderes. Büroalltag eben, langweilig. Du kennst das wahrscheinlich nicht."

Sie hebt ihren Kopf und sieht verträumt in die Ferne. Ihre grünen Augen schienen weit weg in einer anderen Welt.

„Ich kenne es von Tom."

Ja, Tom, ihr Mann. Ich schlucke. Ich muss mich der Wahrheit stellen, der ich bisher so gekonnt aus dem Weg gegangen bin. Obwohl, eigentlich war es Bettina gewesen die mich mit ihren küssenden Lippen davon abhielt, Fragen zu stellen.

„Wo ist er eigentlich?"

Bettina sieht mich traurig an.

„Er hat einen Auftrag in Amerika. In vier Wochen kommt er wieder."

Alles klar. Das erklärt unsere erneute Frist. Wahrscheinlich sollte er schon am Sonntag wieder zurück sein und als er das nicht tat, hat Bettina sich bei mir gemeldet. Ich weiß nicht wie ich mich fühlen soll.

„Bist Du glücklich mit ihm?"

„Hör zu," Bettina wendet sich mir zu und ergreift meine Hände „wir sind seit 20 Jahren verheiratet. Natürlich ist es nicht mehr aufregend, natürlich besteht unsere Beziehung aus viel Alltag. Aber wir sind Freunde, sehr gute Freunde und ich werde ihn nicht verlassen und mein Versprechen brechen. Das mit uns kann nur eine Affäre sein. Es ist nur eine Affäre. Lass uns die Zeit genießen."

Ich kann das Messer nicht aufhalten. Es rast mit hoher Geschwindigkeit in meinen Magen und ich japse nach Luft. Was habe ich eigentlich erwartet? Habe ich wirklich gedacht, es gäbe eine Chance, dass ich mein Leben mit ihr verbringe? Ich weiß es nicht. Aber es stimmt mich traurig, dass unsere Zeit so begrenzt ist, das Wissen, dass sie in vier Wochen in die Arme ihres Mannes zurückkehren wird und ich sie nie wieder berühren werde können. Ich habe die Möglichkeit zu gehen. Ich kann mein Herz schützen, mich in meine Einsamkeit zurückziehen und die Zeit sein Werk tun lassen. Ich kann aber auch leben. Vier Wochen lang. Ich kann lieben. Vier Wochen lang. Einfach genießen. Ich schlucke, dränge die Tränen zurück und treffe meine Entscheidung. Ich sehe Bettina an.

Die AffäreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt