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Adrian riss die schwere Eichenholztür zu der kleinen Kapelle auf. Die Szene im Inneren konnte ihn nicht schockieren. Nicht der Geruch von Blut, der sich metallisch auf seine Zunge legte. Nicht das blutige Pentagramm an der Wand, an der bis gestern noch ein großes hölzernes Kreuz hing. Und auch nicht Samuel, der neben dem Altar stand, einen silbernen Kelch in den Händen. Was ihm aber Angst einjagte, ihn regelrecht erstarren ließ, war das Mädchen, das eingehüllt in nachtschwarzen Stoff vor Samuel auf dem Altar lag. Anna, das Mädchen, das Gefühle in Adrian geweckt hatte, von denen er geglaubt hatte, dass er sie niemals empfinden würde.

Adrian schüttelte die Starre von sich und heftete seinen Blick auf seinen ehemaligen Freund und Partner.

»Samuel! Lass sie gehen.«

Seine Stimme hallte durch die Kapelle und verlieh seinen Worten noch mehr Kraft. Nicht, dass es Samuel wirklich beeindrucken konnte. Dieser murmelte weiter leise Worte vor sich hin. Nichts wies darauf hin, dass Samuel nicht mehr zu ihnen gehörte. Sein Haar war dunkelblond, seine Haut von der Anstrengung gerötet und sein Körper von jahrhundertelangen Kämpfen geformt. Er sah noch immer aus, wie der Samuel, der all die Jahrhunderte an seiner Seite gekämpft hatte. Nur diesem Umstand verdankte es Samuel, dass Adrian ihn nicht als das erkannt hatte, was er war. Ein gefallener Engel.

Ein Engel, der sich der Finsternis verschrieben hatte. Als Adrian erkannt hatte, was aus seinem Freund geworden war, war es zu spät gewesen. Er hatte es einfach nicht glauben wollen. Hatte seine Zweifel, die ihn schon seit Samuels Rückkehr gequält hatten, als Eifersucht angesehen. Doch jetzt gab es keinen Grund mehr für Zweifel. Als Adrian Anna den ganzen Tag nicht gesehen hatte und auch Samuel nicht auffindbar gewesen war, hatte Adrian sich auf die Suche gemacht. Und dann hatte er die abgeschlachtete Kuh auf der Weide gegenüber gefunden und er wusste, dass etwas nicht stimmte. Und in dem Moment, als er die Kapelle betrat und er Anna auf dem Altar hatten liegen sehen, konnte er nicht mehr als Hass für Samuel empfinden. Da war keine Liebe mehr, keine Freundschaft und kein Bedauern. Nur noch Hass und Wut.

Entschlossen schritt Adrian auf den Altar zu. Seine Augen wichen keine Sekunde vom Gesicht seines Gegners ab, als könnte dieses Festhalten Samuel daran hindern, seinen Plan zu beenden. Trotzdem nahm Adrian den Höllenkrieger wahr, der in den Schatten lauerte. Und Annas Vater, der wimmernd auf dem Boden kniete und die gefalteten Hände gen Himmel richtete.

Der Krieger trat aus den Schatten, ein breites Grinsen im Gesicht. Adrian zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er hatte schon Hunderte dieser Dämonen in anderen, schlimmeren Kämpfen besiegt. Auch jetzt würde er sich nicht von ihnen aufhalten lassen. Oder sollte er sagen: Jetzt erst recht nicht? Adrian strich sich beiläufig das dunkle Haar aus der Stirn, reckte seine Hand zur gewölbten Decke empor und rief sein Flammenschwert. Das blaue Feuer tauchte die Kapelle für Sekunden in Helligkeit, bevor es erlosch und die Kapelle nur wieder von den Kerzen, die um den Altar herum aufgebaut waren, spärlich erleuchtet wurde.

Mit dem blinkenden Stahl in der Hand stürmte der Engel auf seinen Bruder zu, der Anna in diese Situation gezwungen hatte. Anna, die er geschworen hatte, zu schützen. Anna, den letzten Nachkommen ihrer Familie. Wenn sie starb, würde mit ihr auch ihr Erbe sterben. Adrians entschlossene Schritte hallten durch das kleine Kapellenschiff. Sie verstummten nicht einmal, als der Gefallene über ihn herfiel.

Adrian erledigte ihn im Vorbeigehen. Hieb ihm ohne auch nur innezuhalten den Kopf von den Schultern. Ein zweiter Krieger nutzte genau diesen Augenblick, materialisierte sich direkt hinter Adrian und griff an. Das Flammenschwert des Gefallenen schlitzte Adrians schmutziges Leinenhemd am Rücken auf. Er wandte sich ruckartig um. Wütend schüttelte er den zerfetzten Stoff von seinen Schultern und widmete sich seinem nächsten Gegner.

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