Epilog

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»Braucht Sam immer so lange, um sich für eine Party zurechtzumachen?«, sagte ich ungeduldig, so laut ich konnte.

Ich saß auf dem Bett in dem Zimmer, das einmal Anna gehört hatte. Jetzt gehörte es mir. Ich war ja immerhin Anna. Sam fand die Idee ganz gut, dass ich mein Zimmer zurückbekommen sollte. Ich konnte zwar nicht hier wohnen, aber vielleicht irgendwann. Schließlich hatten wir noch Jahrhunderte. In meiner Hand hielt ich eine Haarbürste, die auch einmal mir gehört hatte. Also Anna.

Irgendwie kam ich damit noch nicht ganz klar. Ich überlegte immer noch, wer ich denn nun eigentlich war: Anna oder Skyler oder beide. Sam meinte, ich hätte die freie Wahl.

»Ja, er braucht immer so lange«, bestätigte Adrian. Er blieb vor mir stehen und beugte sich über mich. Immer tiefer, bis er mich auf die Matratze gedrückt hatte. »Mich stört es nicht. So habe ich dich noch eine Weile ganz für mich.« Seine Lippen berührten meine ganz sanft und ich seufzte. Ich zog ihn zu mir herunter und saugte an seinem Unterlippenpiercing. Wenn er jemals auf den Gedanken kommen würde, dieses Piercing zu entfernen, würde ich ihm die Leviten lesen müssen. Mein Herz klopfte heftig gegen meinen Brustkorb und mit jedem Atemzug wurde das Flattern in meinem Magen stärker.

»Ich höre euch schmatzen«, rief Samuel herüber.

»Gar nicht wahr«, rief ich zurück. »Wenn Sam nicht mit dir gesprochen hätte, wie lange hättest du mich dann noch fortgestoßen?«, fragte ich Adrian und verschränkte meine Finger in seinem Nacken.

»Keine Minute länger. Als ich dich nicht erreichen konnte und ich Romero auf der Weide gefunden habe und all die Erinnerungen in mir wieder hochkamen, hätte mich die Angst um dich fast in die Knie gezwungen. In dem Moment wusste ich, dass ich nicht ohne dich sein kann.«

»Hättest du mich gefragt, ich hätte es dir gleich sagen können.«

Adrian küsste mich auf die Stirn. Meine Haut kribbelte dort, wo seine Lippen mich berührt hatten. Und dieser flüchtige Kuss ließ mich für einen Moment alles um mich herum vergessen. Es war, als wäre die Welt auf Standbild gestellt worden. Mit einem lang gezogenen Seufzer holte ich mich aus der Trance und riss meine Augen von Adrian los.

Hinter Adrian stand ein groß gewachsener Mann mit schlohweißem Haar. Er trug eine alte Kriegsrüstung. Aufgeregt strampelte ich mit den Beinen. Mein Herz raste jetzt nicht mehr wegen Adrians Lippen auf meinen, sondern wegen des Flammenschwertes in der Hand des Fremden.

»Hinter dir«, keuchte ich tonlos.

Adrian sprang auf und als ich mich endlich aufgerichtet hatte, entdeckte ich Dave. Er stand direkt hinter dem Weißhaarigen.

»Irial«, sagte Adrian trocken. »David, lange nicht gesehen.«

»Dave? Was ist hier los?«, mischte ich mich panisch ein und stellte mich neben Adrian. Einen Atemzug später erschien auch Sam in meinem Zimmer. Er hielt sein Schwert in der Hand.

»Hallo Tinker!«, sagte Dave und strahlte mich an. »Ich sehe, dir geht es gut.«

Ich wurde heiß im Gesicht und räusperte mich verlegen. »Kommst du jetzt her und nimmst einen alten Freund endlich in die Arme?«

Ich warf mich erleichtert in Daves Arme und dieser schwang mich mehrere Runden im Kreis, bevor er mich wieder absetzte. »Aber du hast gesagt, du verrätst ihnen nichts«, flüsterte ich.

»Das habe ich auch nicht. Aber so wie es aussieht, haben sie dich schon länger beobachtet.«

»Wie lange?«, wollte Adrian wissen und in seinen Augen funkelte der Zorn.

»Seit sie auf David getroffen ist.«

»Wusstest du das?«, fiel Sam ein.

David schüttelte den Kopf.

»Und jetzt? Wer soll auf sie aufpassen?«

Adrian ballte seine Hände zu Fäusten.

»Deswegen bin ich nicht da«, sagte der Weißhaarige. Aus meinen Träumen wusste ich, er war Irial. Er hatte Adrian die Flügel genommen.

»Ich stelle euch vor eine Wahl«, sagte er. Sein Schwert war mittlerweile verschwunden.

Sam trat zu uns an das Bett. »Welche Wahl?«

»Eure Ausstoßung ist hiermit beendet. Ihr habt euch für Uriel aufgeopfert. Ihr dürft eure Flügel zurückhaben.«

»Ich verzichte«, platzte Sam heraus, ohne auch nur eine Sekunde nachgedacht zu haben.

»Aber ...«, wollte ich protestieren. Wieso wollte er seine Flügel nicht zurück?

»Wenn wir sie zurücknehmen, werden sie uns von hier abziehen.« Er sah mich ernst an. »Dann ist Adrian wieder einer von ihnen. Ihr dürft euch dann nicht mehr wiedersehen.«

Mir stockte der Atem und ich begann zu zittern. Besorgt sah ich Adrian an, der noch nichts gesagt hatte. Er blickte nur bewegungslos auf Irial. Hieß es wirklich, seine Flügel oder ich?

»Adrian?«, drängte Irial.

»Ich verzichte«, sagte er ganz ruhig.

Dave lächelte mich an. In seinem Gesicht konnte ich lesen, dass er mit dieser Antwort gerechnet hatte. Auch Irial lächelte.

»Dachte ich mir. Dann wird es euch nichts ausmachen, weiter auf sie zu achten?«

»Ganz sicher nicht«, sagte Sam. Sam sah gespielt genervt auf die Uhr. »Ich will ja nicht drängeln, aber wir müssen noch auf eine Geburtstagsparty.«

Dave und Irial verschwammen, dann waren sie weg.

»Ihr verzichtet auf eure Flügel? Warum?«, schimpfte ich los.

»Sollen wir dieses Haus hier etwa aufgeben?«, wollte Sam wissen.

Adrian griff nach meiner Hand und zog mich zu sich heran. Er küsste mich langsam und lang, strich mir durch mein Haar und flüsterte an meinen Lippen: »Willst du auf das verzichten?«

Ende

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