KAPITEL 16 : Bjalla

17 2 0
                                    



Ich hatte meine Augen geschlossen, versuchte mich zu entspannen, doch zu wissen, dass Vestar hier war und meine geliebte Isgerd um ihr Leben bang, hielt mich wach und auch die Ungewissheit über Reynir ließ keinen Schlaf zu. Eine bekannte Stimme ließ mich aufblicken. „Der König will sie lebend, sie darf nicht verhungern." Eine junge Frau ging an den Wachen vorbei, dessen Aufmerksamkeit an ihr haftete. Sie ließen keine ihrer Bewegungen aus den Augen. Es war Aldis. Ich wusste nicht was sie wollte, doch Hoffnung erfüllte mich. Sie schaute mich jedoch bloß an, warf mir mit abwertendem Blick ein Brot vor die Füße und rief mir im Umdrehen etwas hinterher. „Du bist ein Tier Bjalla die Einsame. Teil dir das Brot besser ein. Ich glaube nicht, dass eine nächste Mahlzeit so bald kommen wird." Sie ging an den Wikingern vor dem Stall vorbei und schenkte ihnen ein Lächeln. Die Männer belustigten sich an ihrer Verachtung mir gegenüber, doch ich wusste sie würden sich täuschen.
Aldis würde nicht so mit mir umgehen. Was wollte sie mir sagen? „Iss mein Kind, was würde ich tun, um an solch ein Brot zu kommen. Wer immer diese Frau auch war, sie spricht wahre Worte. Du musst es dir einteilen." Mein Blick wanderte zu dem Brot direkt neben mir. Ich hob es hoch. Ein Brot? Ich war erst seit ein paar Stunden hier, so wichtig konnte ich für den König nicht sein, dass er nach einer so kurzen Zeit jemanden schicken würde, um mir Essen zu bringen. Es war Aldis, die mir etwas mitteilen wollte. Ich roch an dem Brot und drehte es um. Es war schwer und als ich den Boden des Gebäcks betrachtete, fühlte ich mich Reynir so unglaublich nah, obwohl ich nicht mal wusste, wo er in diesem Augenblick war, oder ob er schon in Walhalla an Odins Tafel speisen würde. Es waren zwei rote Striche auf dem Brot gemalt. Ein Hinweis. Reynir war das Tier, das Aldis erwähnt hatte. Bei dem Anblick des glänzenden Blutes auf dem Brot begannen meine Finger zu kribbeln. Ich strich mir selbst über die Wange und wünschte es wäre Reynirs Haut, die ich berührte. Sie musste unter den Bauern und Sklaven gewesen sein, die aus ihren Häusern gezogen wurden. Sie hatte mitbekommen, was der König gesagt hatte und wollte mir nun helfen. Ich wusste jetzt zwar, dass sie etwas über Reynir wusste, doch was sie mir sagen wollte, blieb mir vorerst ein Rätsel.
Ich wiederholte Aldis' Worte in meinem Kopf und versuchte ihr Zeichen zu verstehen, doch es gelang mir nicht. Vertieft in meine Gedanken fuhr ich über die braune Kruste des Brotes, spürte das Mehl auf meinen Fingern, bis mein Magen sich zu Wort meldete. Ich brach mir ein Stück ab. Es knackte in meinen Händen und ich roch die Frische des warmen Teiges, die mir in die Nase stieg. Zögernd führte ich das Stück zu meinem Mund und mein Hunger wuchs, bis ich mit geschlossenen Augen das Brot auf meiner Zunge wiederfand. Es schmeckte nach Blut, in meinem Geiste stand Reynir vor mir. Er hielt mich in den Armen und ich roch seinen Duft. Ich sah seine Gestalt vor mir und das rote Blut, das seine Wangen befleckte. Er brauchte mich und ich musste herausfinden, was Aldis' Worte zu bedeuten hatten. Versunken in Vorstellungen von stahlblauen Augen, die nach meiner Hilfe flehten, riss ich ein weiteres Stück ab. Plötzlicher Schmerz überkam mich und ein leises Aufschreien entfuhr mir. Einer der Wikinger drehte sich drohend um, doch ich versuchte das Stechen in meiner Hand zu unterdrücken. Isgerd war eingeschlafen, ich hatte sie zum Glück nicht geweckt, noch mehr Sorgen hätte sie nicht ertragen können. Ich suchte nach dem Auslöser für meinen Schmerz und als ich in meinen Schoß blickte, war meine Handfläche überzogen von einem glatten Schnitt. Blut rann aus der Wunde. Ich presste meine Hand gegen meinen Oberschenkel, um nicht noch mehr Blut zu verlieren. Woher kam der Schnitt? Ich sortierte meine Gedanken und fand neben mir den Grund für meinen Schmerz. Die Reste meines Brotleibes lagen in dem Stroh an meiner Seite und Silber glänzte hervor. Ich griff mit meiner freien Hand nach dem Gegenstand und befreite ihn von dem Brot.
Dank überkam mich, ich wollte nichts weiter, als Aldis danken und das tat ich in meinem Geiste auch. Meine Miene erhellte sich und Hoffnung breitete sich in mir aus. Ich hielt einen Dolch zwischen meinen Fingern.

LONELY SIGNWo Geschichten leben. Entdecke jetzt