Kapitel 4 - Kontrollverlust

64 6 5
                                    

Die Sonnenstrahlen kämpften sich durch den kleinen Spalt zwischen den Vorhängen hindurch und kitzelten Shiros Nasenspitze. Doch anstatt aufzustehen, nieste er einmal und drehte sich grummelnd wieder um. Er hatte die ganze Nacht nicht schlafen können - nebenan war man nicht einmal in der Lage, leise zu kuscheln. Also hatte er sich sein Kissen über den Kopf gezogen, um den Lärm wenigstens ein bisschen eindämmen zu können.
Leider hatte das Kissen auch nicht viel geholfen und so hatte Shiro erst in den frühen Morgenstunden Schlaf finden können. Doch nicht einmal das wurde ihm gegönnt. Jemand klopfte an seine Tür und öffnete diese.
Ja klar, wozu auch warten, bis ich dich herein bitte? Was ist schon Privatsphäre, beschwerte Shiro sich gedanklich und zog sich die Decke über den Kopf.
"Ich soll dir von Yasu ausrichten, dass es bald Frühstück gibt.", hörte er Veit sagen und richtete sich langsam auf, wodurch seine offenen, mittlerweile wieder nachgewachsenen langen Haare über die Schulter ins Gesicht fielen und er Veit grimmig anfunkelte. "Privatsphäre ist dir wohl ein Fremdwort, was?" Veit verzog die Mundwinkel. "Schlaflose Nacht? Keine Sorge, ich auch." Er ließ seine Augen vielsagend in Richtung Küche wandern, wo Kad und Yasu gemeinsam das Frühstück vorbereiteten. Shiro konnte nicht verhindern, dass er schmunzelte. "Kommt das öfter vor?"
"Frag' besser gar nicht erst." Nun grinste Veit amüsiert. "Na komm, lass uns was essen. Willst du zuerst ins Bad?"
"Ja bitte. Ich nehme mir gerne Zeit im Bad."
"Das weiß ich doch."
"Was?"
"Was?" Die beiden sahen sich in die Augen und Shiro legte irritiert die Stirn in Falten, ehe er ins Bad ging, um sich fertig zu machen. Wie immer kämmte er minutenlang seine Haare, ehe er sie sich zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammenband. Als er dann endlich fertig war, kam er aus dem Badezimmer heraus und ließ nun Veit hinein, ehe er in die Küche lief und bei den letzten Vorbereitungen half.

"Was ist denn mit dir los? Schlecht geschlafen, Shiro?", fragte Kad und wurde von Shiro regelrecht angeknurrt. "Tu nicht so unschuldig!" Fragend wanderte eine Augenbraue seines Halbbruders in die Höhe. "Du und dein Herzblatt hier solltet mal ein bisschen an eurer Lautstärkeregelung arbeiten, wenn ihr schon vögelt, während andere Personen anwesend sind - die Wände hier sind nicht die dicksten!"
Augenblicklich wurde Yasus Gesicht knallrot. Sein Kopf ähnelte einer überreifen Tomate. "Ihr könnt ja gerne vögeln, ehrlich, ich gönn's euch und eurer Beziehung! Aber vögelt doch bitte leise! Oder dann, wenn sonst keiner in der Wohnung ist!", schimpfte Shiro gereizt weiter und goss sich ein Glas Orangensaft ein, als hinter ihm Veit aus dem Bad kam. "Option zwei gefällt mir auch besser. So laut warst ja nicht einmal du, wenn wir's getrieben haben."
Shiro, der gerade einen Schluck seines Orangensaftes nahm, spuckte diesen fontänenartig wieder aus, als er Veits Worte hörte und musste heftig husten. "Bitte was?!"

In diesem Moment konnte sich Kadeon selbst nicht mehr beherrschen und lachte lauthals los. "Wann sollen wir denn miteinander geschlafen haben?"
"Willst du jetzt Datum mitsamt Uhrzeit von mir haben oder reicht dir das ungefähre Jahr?"
"Können wir jetzt bitte aufhören, über Sex zu reden?! Immerhin wollen wir gleich frühstücken!", platzte es nun aus Yasu heraus, dessen Gesicht immer noch bis zu den Ohren knallrot war. Kadeon beruhigte sich langsam wieder von seinem Lachanfall, schmunzelte aber dennoch ab und zu noch und prustete zwischendurch leise. "Tut mir Leid, Liebling.", sagte Kad mitfühlend, nahm seinen Partner in den Arm und schenkte ihm einen zarten Kuss auf die Lippen. "Ich höre deine Stimme nur zu gerne, wenn du dich unter mir gehen lässt.", säuselte er dem Blonden verführerisch ins Ohr, was das überschüssige Blut indessen Wangen alles andere als sich verflüchtigen ließ. Im Gegenteil, es staute sich nur noch mehr Blut in Yasus Kopf und er senkte verlegen den Blick.

An manchen Tagen konnte Yasu kaum glauben, dass seine Beziehung mit Kadeon kein Traum, sondern Realität war. So viele Jahrzehnte war er an Kads Seite gewesen, ohne dass dieser auch nur im Entferntesten eine Ahnung von seinen Gefühlen für ihn gehabt hatte. Doch selbst als er es endlich begriffen hatte, hatte es noch viele Jahre gebraucht, bis sie diesen Schritt gewagt hatten und ein Paar geworden sind. Yasu bereute keinen einzigen Tag, keine Stunde, Minute oder Sekunde, die er mit Kadeon verbrachte. Es waren die schönsten Jahre seines langen Lebens gewesen.

Cyberpunk TodesbotenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt