Kapitel 3 - Der neue Mitbewohner

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Völlig mit der Situation überfordert blickten Kadeon und Yasu auf Shiros Anhängsel, welchen der Jüngste in die gemeinsame Wohnung angeschleppt hatte. Auch Veit wirkte nicht begeistert vom Anblick der beiden Todesboten. "Du wohnst mit dem zusammen?"
"Ja klar, immerhin ist Kadeon mein Bruder.", sagte Shiro völlig selbstverständlich.
"Ach, an ihn erinnerst du dich, aber an mich nicht?!"
"Jetzt hör auf mit diesem Quatsch, dass wir uns kennen würden, das tun wir nämlich nicht!" Und schon zankten die beiden los und Kadeon beugte sich mit einem beinahe hilfesuchenden Blick zu Yasu herab. "Dass sich die beiden so schnell über den Weg laufen, hätte ich jetzt nicht erwartet."
"Denkst du, ich habe damit gerechnet? Immerhin haben wir erst vor wenigen Stunden darüber gesprochen und jetzt ..." Yasu deutete vielsagend auf die beiden Streithähne.

Als sich Shiro wieder an Kad und dessen Partner wandten, wandten sich beide wieder lächelnd dem Jüngsten zu und taten so, als sei alles in bester Ordnung. "Also, um auf den Punkt zu kommen, das ist Veit. Er hat einige Schulden bei mir abzustottern und wird uns daher bei einigen Aufträgen helfen."
"Ich soll mit Kad-" Veit stoppte mit seinen Worten, als er die Gesichter von Kad und Yasu sahen, die in hektischen Bewegungen ihre flachen Hände an ihren Hälsen entlang führten. Halt die Klappe! - sollte es bedeuten. "Ich arbeite nicht gerne mit Fremden!", korrigierte sich Veit daher schnell. Doch Shiro räusperte sich nur laut und hielt ihm die Tüte mit den Immunsupressiva unter die Nase. Der Arkener machte seinen Standpunkt unmissverständlich klar:

Entweder du machst mit, oder ich behalte deine Medikamente, hole mir mein Geld zurück und dann wirst auf kurz oder lang zum Cyberpsycho - deine Entscheidung!

"Ach, Teamwork ist doch eigentlich gar nicht mal so doof." Mit einem triumphierenden Grinsen ließ Shiro die Tüte wieder sinken.
"Also soll dein neuer Freund so lange bei uns wohnen, verstehe ich das richtig?", warf Yasu ein, stets um Ruhe und Freundlichkeit bemüht. Denn so lange sich Shiro nicht an Veit erinnerte, würden sie alle so tun müssen, als würde es ihnen genauso gehen und Veit wie einen Fremden behandeln. "Erstens, ist er nicht mein Freund, sondern lediglich ein armer Schlucker, der mir Geld schuldet und zweitens, ja bitte." Shiro hatte darauf bestanden, dass Veit zu ihm kam. Nur so konnte er sichergehen, dass Veit nicht einfach mit den Immunsupressiva abhaute, sondern seinen Teil des Deals wirklich einhielt.

Yasu sah zu seinem Partner hinüber. "Haben wir denn überhaupt ein Zimmer frei?" Kadeon legte nachdenklich die Finger an sein Kinn. "Wir könnten entweder die Couch anbieten oder ihr beiden teilt euch Shiros Zimmer."
Veit drehte seinen Blick zu dem kleineren Arkener und wackelte dabei vielsagend mit den Augenbrauen, woraufhin er sich eine schallende Ohrfeige von Shiro einfing.

"Er nimmt die Couch!"

Während sich Veit die schmerzende Wange hielt, auf welcher sich bereits ein roter Handabdruck abzuzeichnen begann, mussten sich Kad und Yasu unter höchster Anstrengung zurückhalten, um nicht über die Situation zu lachen. Sie prusteten und rieben sich nervös über den Nacken.

"Nun gut, dann bereite du die Schlafcouch vor, Kad und ich mache mich ans Abendessen.", sagte Yasu und verschwand kurzerhand in der Küche. "Ich helfe dir." Shiro schloss sich dem Stoffhändler an und folgte ihm. Somit waren und Kad und Veit nun alleine. Der Silberhaarige spürte die finsteren Blicke des anderen Todesboten auf sich, wie tausend Schwerthiebe, die sich in seine Haut bohrten. "Na dann ... machen wir mal deinen Schlafplatz fertig."

Mit steifen Schritten ging Kadeon vor ins Wohnzimmer und zog die Schlafcouch aus, wobei er versuchte, den strafenden Blicken seines unfreiwilligen Mitbewohners standzuhalten. "Was hast du mit ihm gemacht?"
"Mit wem?"
"Stell' dich nicht blöd, mit Shiro natürlich! An mich scheint er sich kein bisschen zu erinnern, aber an dich schon? Noch dazu wohnt ihr zusammen, als hättest du ihm nie hinterhältig die Seele aus dem Körper gerissen! Scheint dir ja ganz schön zugute zu kommen, dass er in dir nun den tollen, großen Bruder sieht, nicht wahr? Was für ein falsches Spiel spielst du diesmal, weiße Schlange?!" Beinahe schon gelangweilt seufzte Kad über all die Vorwürfe. "Falls es dich beruhigt, mich hat er anfangs auch nicht wiedererkannt."
"Komisch, irgendwie beruhigt mich das so gar nicht."
"Als er sich dann endlich wieder an mich erinnerte, war die Anfangszeit auch nicht leicht. Er traute mir nicht und es war schwer, ihm zu beweisen, dass ich es diesmal besser machen wollte. Aber, um es mit deinen Worten auszudrücken: Ja, es kommt mir zugute, dass er mir nun so vertraut. Denn so habe ich endlich die Möglichkeit, der Bruder für ihn zu sein, der ich nie sein konnte."

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