Schneller und schneller

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Meine Welt blieb stehen. Dafür bewegte sich jedoch mein Sichtfeld desto mehr. Alles drehte sich von links nach rechts. Die Wände kamen immer näher und der Raum wurde schmaler. Alles war so komisch. Alles ist so komisch. Übelkeit breitete sich aus. Ich fühlte mich wie in einem schlechten Teenie-Film, wo das brave Mädchen zur Klassenschlampe wird und sich von einer Party zur nächsten stahl. Sich immer besaufen konnte und selbst die coolen Jungs hinterher hinkten. Sich dann einen beliebigen Typen krallte und es mit ihm auf der Toilette trieb. Am nächsten Morgen irgendwo im nirgendwo aufwachte und sich erst mal die Seele aus dem Leib kotzte. Nur schien es in Realität nicht so einfach wie in diesen Filmen. Am Schluss gab es immer ein Happy End. Alle waren glücklich und hatten aus ihrer Lektion eine Weisheit fürs Leben gezogen.

Viel zu früh am Morgen wurde ich wieder aus das würgen aus meinen Tagträumen gerissen. Meine Haare waren über Nacht zu einem strengen Dutt hochgesteckt, der jedoch gerade halb am sterben war. Wenigstens hielt er einzelne Strähnen aus meinem Gesicht raus.

Mit meinen beiden Händen stützte ich mich an dem weiß aufleuchtenden Toilettenrand ab. Tränen zogen sich mein Gesicht bis zur Nase runter und tropften von dort auf mein gestriges Essen. Zitternd und schluchzend hing ich halb tot über der Toilette. Angewidert spülte ich es runter und stellte mich dann langsam wieder auf.
Ich drehte mich zum Spiegel und glotzte mir in die Augen.

Ein gebrochenes Mädchen schaute mich durch dringlich an. Augen gefüllt mit Schmerz und Trauer. Verzweifelte Gesichtszüge und dunkle tiefe Schatten zogen sich auf ihrer Haut.

Mir war klar, dass ich es war und mir war auch klar, dass ich endlich mal den Alkohol beiseite legen musste, um mich meinen Ängsten zu stellen - und nicht um vor ihnen abzuhauen.

Ich glaube meine Freunde hatten auch keine Lust mehr, um mir meine Haare andauernd zurück zuhalten.

Das kalte Wasser lief mir über's Gesicht und erfrischte wenigstens etwas meine heiß aufglühende Haut.

Zitternd drehte ich wieder den Wasserhahn zu und taumelte wieder ins Schlafzimmer. Kurz darauf saß ich auf meinem weiß bezogenen Himmelbett und schaltete meinen Laptop ein.

Wenig später hatte ich schon ein Ticket für einen Flug nach Deutschland reserviert.

{...}

"Hey Babe", murmelte Jake an meinen Lippen und legte die Arme um meine Taille.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte, also schwieg ich. Ein paar Sekunden genoss ich noch seine Nähe, seinen Atem, seinen Geruch und seine Wärme, ehe ich meine Hände auf seine Brust legte und ihn von mir weg schob.

Verwunderung blitze in seinen blauen Augen auf.

Ohhh, wie ich die vermissen werde.

Nein - hör auf so zu denken!

"Alsooo", fing ich an und merkte wie sich ein Klos in meinem Hals bildete.

Und schon war sie wieder da.

Die Stille. Aber auch nur kurz.

"Also?", fragte Jake und ich hörte aus seiner Stimme die Nervosität hinaus.

Ich schluckte.

"Ich werde wieder nach Deutschland gehen. Morgen. Ich hab schon gepackt", Pause. Er starrte mich nur an und das brachte mich zum zweifeln, ob ich auch das Richtige tat. "U-und gehe wieder zu meinem Freund. Ich - ich werde ihm erzählen, dass ich einen Fehler getan habe."

Und da war es. Das wovor ich so Angst hatte. Kälte - Hass. Das was ich auch bald in Taddls Augen sehen würde.

Gebrochene Liebe.

Seine Lippen waren eine schmale Linie und seine Augenbrauen waren scharf zusammengezogen. Jakes ach so glänzend blaue Augen hatten nun einen ausdruckslosen schwarzen Ton angenommen.

Und bevor ich noch was sagen konnte, schnitt Jake die Luft mit seiner Stimme.

"Du bist eine Schlampe!", ein stechender Schmerz zog durch meine Wange. "Ich dachte dein toller Freund wäre Vergangenheit."

Heiße Tränen rollten meine Wangen hinab bis zu meinem Kinn und topften von da auf den Sand.

Ich hatte Jake gefragt ob wir einen Spaziergang am Stand machen wollten und kurz bevor ich mich versah hatte er mich im Schein der untergehenden Sonne in seine Arme gezogen.

"Ich hatte nie irgendwas davon gesagt, dass Schluss mit meinem Freund wäre. Du warst es doch, der mich geküsst und das alles am Wasserfall organisiert hatte", murmelte ich und wich seinem strengen Blick aus.

"Und du warst es, die darauf eingegangen war und mit mir geschlafen hatte. Dir hat es gefallen. Du - bist eine richtige Schlampe."

Eine richtige Schlampe.

Diese drei Wörter hallten in meinem Kopf. Immer und immer wieder.

Gut es stimmte. Ich hatte mit ihm geschlafen. Ich bin auf seine romantischen Sachen eingegangen.
Und ja, ich hatte es genossen.

Richtige Schlampe.

Ich merkte nicht was ich tat. Alles was ich mitbekam war das schwere ein-/ und ausatmen und meine Füße die bei jedem Schritt immer wieder ganz kurz im Sand einsackten. Die salzige kühle Luft bahnte sich einen Weg zu meiner Lunge.

Immer schneller und schneller rannte ich über den kühlen Sand und konzentrierte mich nicht auf meine glühenden Wangen und die zwei Wasserfälle die aus meinen Augen flossen.

Richtige Schlampe.

✖️bewerten nicht vergessen✖️

Freundschaft oder Liebe? ➳ TaddlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt