Als die Sonnenstrahlen durch das zerbrochene Fenster in ihr Gesicht fielen, wurde sie langsam wach. Sie wusste, dass wenn sie sich jetzt nicht gleich anzog, Zergen herein kommen würde und sie dann wieder schlug, damit sie aufstand. Rhaya kam langsam hoch. Ihr Rücken schmerzte von dem harten Lehmboden auf dem sie jede Nacht schlafen musste, seit sie hier war.
Sie ist schon von vielen davongelaufen, die sie aufnehmen wollten und würde es bald wieder tun. Der Mann bei dem sie jetzt war, schlug sie täglich. Warum wusste sie nicht. Er behauptete immer, dass sie die Hausarbeit nicht ordentlich genug machte, aber sie sah keinen Unterschied. Sie machte es wie er es ihr sagte, aber das war ihm immer noch nicht gutgenug. Rhaya war schon bei vier verschiedenen Familien, die sie aufgenommen hatten, um sie als Haushaltshilfe einzustellen. Bei zwei Männern, die sie von der Straße genommen haben, war es schoneinmal der Fall gewesen, dass sie Rhaya vergewaltigen wollten, doch sie ist weggelaufen, ehe sie ihr etwas tun konnten.
Wenn sie bei niemandem war, der sie aufnahm, dann war sie auf der Straße. Sie fand es nicht schlimm auf der Straße zu leben, denn sie hatte gelernt, wie man Tauben fing oder wie man von den Marktständen das Essen klaute. Bald würde sie wieder abhauen, das wusste sie.
Als sie sich angezogen hatte, ging sie zum Ofen und fing an für Zergen Eier zu braten. Sie mussten immer schon fertig sein, ehe er aufwachte. Aus dem kleinen Nebenzimmer hörte sie ein Husten und Zergen rief nach ihr. Sofort kam sie angelaufen und brachte ihm die schon ein wenig abgekühlten Eier. ,,Wieso sind die Eier kalt", wollte er wissen. ,,Gestern meintet Ihr doch noch, ich solle die Eier ein wenig abkühlen lassen, weil ihr Euch verbrannt habt", erwiederte Rhaya. ,,Schweig still", schrie er und holte aus, um sie zu schlagen.
Rhaya wich aus, aber das machte ihn nur noch wütender. Er stand auf und ging auf sie zu. Sie rannte durch die Tür in das Gemeinschaftszimmer bis in die Küchenecke und ihr Hausherr folgte ihr. Sie hatte sich gesagt, dass sie sich das nicht mehr gefallen lassen würde und das tat sie auch nicht.
Zergen kam mit erhobener Pfanne auf sie zu. Jetzt wusste Rhaya, dass es ihm wirklich ernst war. Sie musste weg, sonst würde er sie noch erschlagen, da war sie sich sicher. Und das nur weil sie sich nicht hat schlagen lassen. Er holte erneut zum Schlag aus, nur mit dem kleinen Unterschied, dass er nun eine Bratpfanne in der Hand hatte. Rhaya nahm das größte Messer, das sie greifen konnte und versuchte unter ihm hindurch zu laufen, damit sie ihm das Messer in den Rücken stechen konnte. In ihrer Panik hatte sie nur nicht bedacht, dass Zergen einfach die beine zusammen machen konnte. Genau das tat er dann auch und schlug ihr mit der Pfanne auf den Kopf, so dass sie einfach unter ihm zusammen sackte.
Als sie wieder aufwachte fand sie sich im Nebenzimmer auf dem Boden wieder. Ihr Kopf blutete leicht an der Stelle, wo Zergen sie getroffen hatte. Dann fragte sie sich ganz plötzlich, warum sie in diesem Zimmer lag, aber das wurde ihr bereits bewusst, als sie den Schmerz zwischen ihren Schenkeln spürte und feststellte, dass sie nackt war. Der Mann, der sich ihr als Zergen vorgestellt hatte, hatte sie während ihrer Ohnmacht der Jungfräulichkeit beraubt. Hass stieg in ihr auf und sie wünschte sich augenblicklich den Tot dieses Mannes. Wo ist er eigentlich, fragte sie sich, und warum ist er nicht hier? Sie stand auf und wusch sich mit der Schüssel, die immer im Nebenzimmer auf einem kleinen Tisch stand. Sie war noch voll mit Wasser, allerdings war es gebraucht. Doch so groß der Hass auf Zergen auch war, sie musste sich trotzdem waschen.
Sowie sie damit fertig war, sah sie sich vorsichtig um. Sie ging in den Gemeinschaftsraum und guckte aus der Haustür, doch auch draußen im Innenhof war er nicht. Plötzlich hörte sie hinter der Wand beim Bücherregal ein leises Fluchen und dann schwang das Regal zur Seite und Zergen trat in den Raum. Rhaya erhaschte einen kurzen Blick in das Innere von dem Geheimraum. Sie sah einen dunklen Gang, der am Anfang mit einer Fackel beleuchtet war. Zergens Gesicht war wutverzerrt. Wo war er nur gewesen? Er sah sie an und schrie: ,,Was tust du hier? Du solltest doch noch bewusstlos sein. Komm zu mir kleines und teile mit mir mein Bett. Dann wird dir nichts mehr passieren. Ach ja, und zieh dich an. Du musst auf dem Markt noch was für mich besorgen." Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie noch garnichts anhatte und folgte seiner Bitte, während Zergen sie unentwegt anstarrte.
Während sie den geflochtenen Korb nahm und die Tür hinter sich zu machen wollte, trat Zergen hinter ihr aus dem Haus. ,, Du glaubst doch nicht, dass ich dich gehen lasse, jetzt wo du mein Geheimniss kennst? Ich weiss, dass du bei der ersten Gelegenheit fliehen würdest", sagte er ruhig und schob sie vor sich her.
Als sie beim Markt angekommen waren, gingen sie als erstes zum Stand vom Bäcker, der seine Waren laut ankündigte. Zergen regte sich murmeld über die Brotpreise auf und ging dann weiter um nach frischem Obst zu gucken. Rhaya musste seine Einkäufe tragen und dabei vor ihm hergehen, damit er sie im Auge behielt. Eine Möglichkeit zu fliehen gab es hier nicht, da war sie sich sicher.
Als Zergen und die vor Anstrengung schnaufende Rhaya wieder an dem Haus waren, gingen sie hinein und Rhaya stellte ihre Körbe ab. ,,Nicht da", fuhr er sie an und zeigte ihr die richtige Stelle, ehe er sie wieder schlug. Als sie die Körbe abgestellt hatte, fing sie an etwas zu Essen für Zergen zuzubereiten.
Sie kochte ihm eine däftige Suppe und schnitt dazu ein bisschen Brot. Zergen kam in den Gemeinschaftsraum und setzte sich an den Tisch, während Rhaya aufdeckte. Vorsichtig füllte sie die Suppe in eine Schüssel und legte das Brot daneben. Zergen betrachtete die Schüssel und befahl ihr sich ebenfalls etwas zunehmen. Schweigend saßen sie am Tisch und aßen. Nach einer Weile fing Zergen an, die Aufgaben, die Rhaya zu erledigen hatte aufzuzählen und nach dem Tischabräumen machte sie sich an die Arbeit. Sie fing an Wäsche zu waschen und aufzuräumen. Während sie das tat, überlegte sie, wie sie von hier fliehen konnte und was hinter der Geheimtür war.