Wütend stürmte er durch die leeren Gänge. Es war so früh, dass alle noch in ihren Gemächern waren.
Verliebt? Was dachte diese Göre, dass sie sich solche Gefühle für ihn einbildete? Er war rasend vor Zorn. Bei jeder anderen Schülerin hätte er das für einen geschmacklosen Scherz auf seine Kosten gehalten. Aber nicht bei ihr. Sie tat sowas nicht und war Gryffindor genug um ihm so etwas zu gestehen, wenn es tatsächlich stimmte. Aber wie konnte sie so etwas ernst meinen? Sie war noch ein Kind! Er ein verbitterter doppelt so alter Todesser, der nichts liebenswertes an sich hatte. Lag es etwa genau daran? Hatte sie sich ihn als ihr neues Projekt ausgewählt? War sie etwa auf dem gleichen Tripp wie Albus, dass er ihr Leid tat und sie ihn retten wollte. Er ballte die Faust. Er brauchte kein Mitleid.
Ich würde einen Kuss von Ihnen jederzeit erwidern. Hallten ihre Worte in seinem Kopf wieder. Warum bei allen Geistern Hogwarts hatte er sie geküsst? Was war bloß in ihn gefahren? Nach Lily hatte er jegliches Interesse an Frauen verloren. Und ausgerechnet jetzt mit Mitte 30 küsste er eine Schülerin und das auch noch an Lilys Grab? Da Lily seine Gefühle nie erwidert hatte, war das sein erster Kuss gewesen. Er war erbärmlich. Erst küsste er eine Schülerin, was egal wie sie meinte für ihn zu empfinden, eine mehr als unangebrachte Grenzüberschreitung war, dann tötete er sie fast und jetzt versank er auch noch in Selbstmitleid. Was für ein Zauber hat auf dieser Lilie gelegen und warum hatte Lily diese vor ihm erschaffen? Das ergab einfach alles keinen Sinn.
Vor Albus Büro blieb er kurz stehen, atmete tief durch und setzte seine kalte gefühllose Maske wieder auf, bevor er eintrat. Wie erwartet, war er nicht in seinem Büro. Er klopfte lautstark an dessen Privatgemächer und hoffte, dass er noch nicht zum Frühstück in die große Halle aufgebrochen war. Er wollte dieses Gespräch schnellst möglich hinter sich bringen.
Tatsächlich öffnete ein verschlafener Albus Dumbledore die Tür und trat hinaus in sein Büro.
„Severus schön dich auch mal wieder zu sehen. Wir haben dich auf der Feier gestern vermisst", begrüßte dieser ihn höflich.
„Genau deswegen bin ich hier - ", setzte Severus an, wurde aber von Albus unterbrochen.
„Wenn du dich entschuldigen willst, kannst du dir das sparen. Ich bin enttäuscht, mein Junge."
Severus zog seine Augenbraue hoch und gab Albus den typischen skeptischen Snapeblick. Er entschuldigte sich nie und das wusste Albus auch ganz genau. Das hatte er also nur gesagt um seine Enttäuschung zu äußern. Dieser alte Kauz verlangte von ihm, dass er ihn tötete, aber wenn er auf eine dämliche Feier nicht kam, war er enttäuscht? Dumbledore wurde immer schrulliger auf seine alten Tage.
Dieser erwiderte Severus Blick über seine halbmondförmigen Brillengläser, als ihm die Vampirzähne auffielen. „Jetzt brauchst du auch kein Kostüm mehr tragen. Und warum Vampirzähne?" kommentierte Dumbledore nur, Severus ausbleibende Entschuldigung wie immer ignorierend.
„Leider ist es kein Kostüm mehr, deswegen bin ich hier. Miss Granger musste gestern Abend bei mir nachsitzen. Wir waren Trankzutaten sammeln und dabei kam es zu einer sehr ungewöhnlichen Reaktion zwischen zwei Kräutern und wir verwandelten uns in unsere jeweiligen Kostüme. Meines ist eher unauffällig, wie du bereits gemerkt hast, aber sie hat Engelsflügel mit einer Spannweite von knapp 3 Metern."
„Warum musste Miss Granger nachsitzen?", erwiderte Dumbledore ruhig.
„Ist das alles was dich interessiert?" Das war doch jetzt wirklich unwichtig.
„Nein, ist es nicht. Was ist zwischen diesem ungewöhnlichen Unfall und jetzt passiert?"
„Nichts. Ich hab sie in meine Gemächer gebracht, da sie so wohl kaum im Gryffindorturm auftauchen kann."
Albus sah ihn misstrauisch an. „Wenn das alles wäre, warum kommst du dann erst heute? Warum hast du sie nicht zur Krankenstation gebracht? Und warum hast du sie gestern Abend gegen 8 Uhr ohnmächtig in die Kerker getragen?"
Wieso wusste dieser Alte immer alles, was in Hogwarts vorging? Das war mehr als beunruhigend. „Das willst du nicht wissen Albus, sonst müsstest du mich feuern und dann könnte ich mich nicht mehr um dein Ableben kümmern."
Albus seufzte, ging an Severus vorbei und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Mit einer leichten Handbewegung deutete er Severus sich ihm gegenüber zu setzen.
Widerwillig kam Severus der Einladung nach.
„Warst du mit Miss Granger in Godric's Hollow?"
Severus schwieg, was Dumbledore offenbar als Zustimmung wertete, denn als nächstes fragte er: „Warum hast du dich mit einer Schülerin und dann auch noch ausgerechnet mit Hermine Granger vom Schulgelände entfernt? Niemand als du weiß besser wie gefährlich das ist. Ich verstehe, dass du um Lily trauerst, aber willst du, dass Miss Granger als Nächstes stirbt?" Dumbledore schien wirklich wütend.
„Du solltest mit Miss Granger reden."
„Das werde ich Severus, darauf kannst du dich verlassen, aber ich will von dir hören, was du dir dabei gedacht hast."
„Nun, du kennst sie und ihr beiden Freunde doch auch. Schulregeln behandeln die eher als Vorschläge. Sie hat darauf bestanden, mir nicht von der Seite zu weichen, weil ihr Engelinstinkt ihr dies sagte. Hätte ich sie nicht mitgenommen, wäre sie mir gefolgt. Und mit mir außerhalb des Schulgeländes zu sein, habe ich als das kleinere Übel gesehen."
„Du hättest auch einfach zur Feier kommen können, wie du versprochen hattest."
Was bildete sich dieser senile Kauz eigentlich ein?
„Ich gehe jedes Jahr zu Lilys Grab. Nichts hält mich davon ab", knurrte Severus mühsam beherrscht.
„Severus, sie ist seit 16 Jahren tot. Du solltest wirklich langsam loslassen und dir selbst erlauben über sie hinweg zu kommen."
Kochend vor Wut stand Severus auf. „Wenn du mit Miss Granger sprechen willst, musst du in mein Büro kommen. Ich werde mich jetzt daran machen einen Gegentrank zu brauen."
Er wollte sich gerade zur Tür wenden, als Dumbledore ebenfalls aufstand und zum Kamin trat. Gemeinsam flohten sie in Severus' Gemächer.
„Warte in meinem Büro, Miss Granger kommt gleich", sagte Severus kühl und wandte sich seinem Schlafzimmer zu. Als Albus in sein Büro verschwunden war, trat Severus zurück ins Schlafzimmer, wo Hermine immer noch im Bett saß und in ihre inzwischen leere Teetasse weinte. Als die Tür aufging wischte sie sich schnell über's Gesicht, um ihre Tränen zu verbergen.
„Miss Granger, Professor Dumbledore möchte Sie in meinen Büro sprechen."
Sie nickte und verließ schweigend den Raum.
Frustriert setzte Severus sich auf sein Bett. In seinem Nachttisch versteckte er ein altes vergilbtes Bild von Lily und sich als sie noch Kinder und Freunde waren. Er holte es raus und strich sanft über Lilys Lächeln. Er vermisste sie immer noch so sehr, dass es wehtat.
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Dreams & Nightmares
FanfictionSeverus Snape schwört den unbrechbaren Schwur und sieht das Ende seiner Mission und seines Lebens nähern. Hermine Granger hat den ganzen Sommer versucht ihre Schwärmerei für den finsteren Tränkeprofessor zu vergessen, doch dann riecht ihr Armortensi...