5 - Im verbotenen Wald

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Hermine stand vor ihrem Kleiderschrank und besah sich das Kostüm, welches Ginny ihr ausgesucht hatte. Ginny hatte die Zügel für dieses Halloween in die Hand genommen. Hermine kümmerte es nicht, da ihr Halloween relativ egal war und so hatte sie nur entschieden als schwarzer Engel zum Fest gehen zu wollen. Aber Ginny hatte ihr zu den wunderschön verarbeiteten Flügeln ein so knappes Outfit ausgesucht, dass sie nackt wahrscheinlich unschuldiger ausgesehen hätte. So würde sie niemals unter Leute gehen, aber erst recht nicht zum Nachsitzen bei Severus - Snape. Sie schüttelte den Kopf. Wie kam sie dazu ihn in ihrem Kopf beim Vornamen zu nennen? Fehlte noch, dass ihr das in seiner Gegenwart rausrutschte oder schlimmer noch in Harrys und Rons. Nein so konnte sie nicht zum Nachsitzen erscheinen. Während sie durch ihre Kleider ging, vergaß sie das Fest vollkommen und dachte nur darüber nach, was Snape gefallen könnte, aber auch angemessen war. Schließlich entschied sie sich für ein schlichtes schwarzes Kleid mit langen bauschigen Ärmeln und einen kurzen Rock, sowie schwarzen Stiefeln und einer silberschwarzen Haarspange mit der sie die vorderen Strähnen zurücksteckte, damit sie ihr im Wald nicht ins Gesicht fielen. Schwarzer Lidschatten, zarter Lipgloss in einen kühlen Rosé und die Wimpern getuscht, fertig war sie. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel - ja, sie sah düster und hübsch aus. „Du schaffst das, Hermine", murmelte sie sich selbst zu und wurde dann rot. Sie ging zum Nachsitzen nicht auf ein Date. Sie sollte gar nicht an Dates denken, wenn es auch nur entfernt was mit Snape zu tun hatte. Warum nur? Was hat sich geändert, dass aus ihrer ebenfalls schon unangebrachten Schwärmerei nun da geworden war. Sie hatte den ganzen Tag nicht aufhören können an ihn zu denken.
Mit einem tiefen Seufzer machte sie sich auf den Weg in die Eingangshalle. Sie war 2 Minuten zu früh. Professor Snape rauschte um Punkt 16 Uhr aus den Kerkern, taxierte sie mit seinem typischen Blick und reichte ihr einen Korb. „Kommen Sie!", schnarrte er und ohne auf eine Reaktion zu warten, schritt er los Richtung Wald. Hermine beobachtete ihn eine Weile schweigend während sie ihm folgte. Die anderen dachten, dass er an Halloween noch fieser war, weil es ihm Spaß machte, selbst ein Halloweenschreck zu sein, aber Hermine hatte das Gefühl, dass ihn irgendwas belastete. Er war immer schweigsam, aber gerade wirkte er tief in Gedanken und er sah abgeschlagen, besorgt und müde aus.
„Professor?", riss Hermine ihn aus seinen Gedanken.
„Was ist?", knurrte er, als hätte er kurz vergessen, dass er nicht allein war.
„Nach welchen Pflanzen suchen wir?"
„Eisenhut, Baldrian, Artemisia, Perlmuttblüte, Flusskraut und Mondgras", zählte er gelangweilt auf.
„Für Veritaserum?", wollte Hermine wissen. Mit einem genervten Blick nickte er. Sie wurde rot und senkte ihren Kopf Richtung Boden. Warum nervte es ihn immer so, dass sie sich für sein Fach interessierte? Naja, sein ehemaliges Fach.
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her und sammelten Baldrian und Artemisia ein. Hermine genoss die Zeit mit ihrem Professor, mit ihm war sogar das Schweigen angenehm, aber da sie so gut wie nie mit ihm alleine war, beschloss sie ein wenig vorzustoßen.
„Professor?"
„Hm", murrte er nur.
„Kann ich sie etwas fragen?" Ihre Stimme klang fester als sie sich fühlte und sie war ein bisschen stolz auf sich.
„Wenn's sein muss."
Kurz schwieg sie. Natürlich musste es nicht sein. Aber sie wollte es und sie war eine Gryffindor also stellte sie sich dem Risiko ihn zu erzürnen.
„Was glauben sie, warum keiner von den Slytherins einen Patronus zustande gebracht hat?" Überraschung blitzte kurz in seinen Augen auf, die er schnell wieder hinter seiner Fassade aus Gleichgültigkeit versteckte. Doch sie hatte es gesehen.
„Sie sagen es, Slytherins." Sie hörte den Zorn in seiner Stimme, verstand aber nicht, worüber genau er zornig war.
„Nun, es gibt zwei mögliche Gründe, dass man keinen Patronus besitzt oder noch nicht besitzt. Und einen, warum der Zauber nicht funktioniert", dachte sie laut nach, als ihr selbst auffiel, dass sie jetzt wie die Lehrerin klang. War das der Grund, dass er immer genervt war? Hatte er das Gefühl, dass sie sich für schlauer hielt als ihn?
„Also", fuhr sie fort und Severus - nein, Professor Snape korrigierte sie sich in Gedanken selbst - warf ihr einen Blick zu, als habe er ihre Gedanken genau gelesen und wäre nun interessiert an ihren Ideen zu den Slytherins. Sie räusperte sich. „Nun, wahrhaft böse Menschen haben keinen Patronus, weswegen man im Allgemeinen sagt, dass Todesser keine Patroni haben. Aber erstens glaube ich nicht, dass irgendjemand sein ganzes Leben immer von Grund auf wahrhaft böse ist und zweitens sind definitiv nicht alle Slytherins böse, egal welchen Ruf sie haben. Einfache Unfähigkeit den Zauber korrekt auszuführen mag vielleicht auf den ein oder anderen zutreffen, aber doch nicht auf alle. Beispielsweise Malfoy ist immer gut in Zauberkunst und Verteidigung gewesen. Also bleibt nur noch drittens, dass sie noch keinen Patronus haben, weil sie keine positive Erinnerung haben, die stark genug ist."
Severus hatte ruhig zugehört und erwiderte dann „Wenn Sie das alles schon geschlussfolgert haben, warum fragen Sie dann überhaupt?"
„Weil ich gerne Ihre Meinung wüsste. Sie kennen die Slytherins als ihr Hauslehrer. Ist es wirklich möglich, dass ihre Leben so freudlos sind? Oder bin ich naiv, sie nicht alle für böse zu halten?"
Severus seufzte tief. Hermine dachte schon, er würde nicht antworten, doch dann begann er zu sprechen.
„Haben Sie schon mal Eltern der Slytherins gesehen außer Lucius und Narzissa?"
„Nein, Sir."
„Hätten Sie Lucius gerne als Vater?"
Sie schüttelte vehement den Kopf.
„Nun, Reinblüterfamilien sind für gewöhnlich sehr kalt. Es geht ums Blut und um das Ansehen. Sie haben sicher schon einmal gesehen, wie Lucius reagiert, wenn Draco nun sagen wir nicht erfüllt, was von ihm erwartet wird. Aber wer hat ihm dieses Verhalten beigebracht? Lucius selbst, der ihm vorlebt, alles durch Geld zu lösen und niemals Schwäche zu zeigen oder sich eine Blöße zu geben."
„Hmm", machte Hermine und Severus wartete ab, bis sie seine Antwort durchdacht hatte. Währenddessen sammelten sie Eisenhut ein.
„Aber wie passt das zu dem, was der sprechende Hut über Slytherin sagt? Sind die Beziehungen von Slytherins nicht besonders starke Bindungen?"
Severus lächelte als wäre er stolz auf sie und die berühmten Schmetterlinge tanzten durch ihren ganzen Körper - ihr Bauch bot nicht genug Platz für dieses Gefühl ihn stolz gemacht zu haben!
„Nun, das stimmt für Beziehungen, die sich auf Gefühlen gründen. Doch die meisten Ehen unter Reinblütern sind arrangiert und haben wenig bis nichts mit Liebe zu tun und die meisten sehen Kinder nur als Investition in den Erhalt der Familie. Das wurde ihnen von ihren eigenen Eltern nicht anders vorgelebt und dazu kommt noch die hohe Fehlgeburtenrate unter Reinblütern."
„Oh", sagte Hermine nur. Das alles hatte sie nicht gewusst und es machte sie traurig. Malfoy tat ihr schon eine ganze Weile leid. Sein arroganter fieser Charakter war schon lange bitterem Hass gewichen und statt überheblich sah er mehr und mehr depressiv aus. Und Severus hatte mit Sicherheit nur die Oberfläche mit ihr geteilt. Wie wohl Malfoys Leben zuhause aussah? Und was war mit Severus?
„Sind sie auch ein Reinblut?"
„Nein. Meine Mutter war ein Reinblut. Mein Vater ein Muggel."
„Haben Sie einen Patronus?" Neugierig sah Hermine ihn an. Er nickte. „Welche Gestalt hat er?", fragte sie wissbegierig. Zum einen, weil sie einfach neugierig war, aber sie wollte auch darüber mehr über seinen wahren Charakter erfahren.
„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Miss Granger", fauchte er mit soviel Abneigung, dass sie zusammen zuckte. Mit dieser Frage war sie wohl zu weit gegangen. Enttäuscht folgte sie ihm schweigend bis sie einen See erreichten.
„Sehen sie dort drüben?", er deutete nach rechts. Am Ufer einige Meter entfernt standen einige leuchtende Perlmuttblüten. „Gehen Sie diese einsammeln, während ich Flusskraut links am Ufer einsammle. Dann treffen wir uns gegenüber von hier wieder beim Mondgras."
Hermine nickte und machte sich auf den Weg.
„Sie wissen, wie Sie die Blüten ernten müssen?", rief er ihr hinterher.
„Ja, Sir."
Obwohl er viel mehr erntete als sie, war er um einiges schneller. Sie musste immer wieder warten, bis eine Wolke vorbei gezogen war und das Mondlicht direkt auf die Blüte traf. Diese begann zu leuchten und nur wenn man sie in diesem Moment erntete, behielt sie ihre als Trankzutat wichtigen Eigenschaften sowie ihre Wirkung.
Als sie Treffpunkt ankam, hielt Severus bereits das Mondgras in der Hand.
„Nehmen Sie dies in ihren Korb. Meiner ist bereits voll", forderte er sie auf. Da sie in der linken Hand den Korb hielt, streckte sie ihm die rechte Hand hin, in der sie noch einige der Perlmuttblüten barg. Als ihre Hände und die darin befindlichen Pflanzen sich berührten, ging von ihren Händen plötzlich strahlendes weißes Licht wie von dem Mond aus. Hermine blinzelte kurz, bis das Licht wieder verblasst war. Zunächst fiel ihr keine ersichtliche Veränderung auf außer ein seltsames Gefühl, dass sie Severus nicht von der Seite weichen sollte. Es fühlte sich nicht an, wie ihr Verliebtheit, sondern wie ein innerer Zwang. „Was ist passiert?"
„Keine Ahnung", antwortete Severus, der sie vollkommen perplex ansah. Als sie an sich herunter blickte, sah sie, dass ihr Kleid nun weiß war. An Severus' Kleidung hatte sich jedoch nichts verändert.  Er hatte noch immer die Vampirzähne vom morgen. Nur, dass sie jetzt viel echter wirken. Einem Impuls folgend versuchte sie die Flügel ihres Kostüms zu bewegen als seien sie echt und tatsächlich - sie spürte sie wie zwei weitere Gliedmaßen.
„Ich glaube wir haben uns in das verwandelt, als was wir verkleidet waren", hauchte sie. Severus runzelte die Stirn, griff zu seinen Zähnen, die so spitz waren, dass er sich selbst verletzte und riss überrascht die Augen auf.
„Wie ist das möglich?", fragte er. Wenn er das nicht wüsste, wir sollten sie es dann rückgängig machen, dachte Hermine leicht panisch.
"Haben Sie noch Perlmuttblüten?", erkundigte sich ihr Professor plötzlich und erst da fiel ihr auf, dass die Pflanzen in ihren Händen verschwunden waren.
„Ja, im Korb", bestätigte sie. Diesmal nahm er einiges an Flusskraut aus seinem Korb und füllte es in ihren, bevor er neues Mondgras abschnitt und in seinen Korb verfrachtete.
Jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend machten sie sich auf den Weg aus dem Wald.

Und? Was sagt ihr bisher zu meiner Geschichte? Findet ihr Severus glaubwürdig und realistisch? Und Hermine nachvollziehbar? Im nächsten Kapitel kommt ihr erster Kuss 😁 ihr dürft gespannt sein, wie es dazu kommt 😁 Vielleicht schaffe ich es schon, das vor Sonntag zu posten.

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