9 - Ein unerwarteter Komplize

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Kaum war Snape aus seinen Gemächern gerannt, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Sie hatte mit einer viel schlimmeren Reaktion gerechnet, trotzdem taten seine Worte weh. Natürlich kannte sie ihn längst nicht so gut wie sie wollte, aber wie sollte sie auch? Er war nicht gerade ein offener Mensch und sie war immerhin nur seine Schülerin, die er immer schikaniert hatte. Aber da Harry und Ron ständig Verdächtigungen gegen ihn äußerten, beobachtete sie ihn nun seit knapp 5 Jahren, um seinen Motiven auf den Grund zu gehen. Wie aufdringlich würde er sie erst finden, wenn er das wüsste? Aufdringlich - dieses Wort verletzte sie am meisten. Sie sehnte sich nach ihm, sie wollte ihm nah sein, aber als seine verhasste Schülerin war sie ihm so fern, dass sie eine tiefe schwarze Schlucht trennte und trotzdem nannte er sie bereits aufdringlich. Sie war es gewohnt, dass die Leute von ihr genervt waren, er war schon immer von ihrem Verhalten im Unterricht genervt gewesen, aber das war etwas anderes. Auch das tat weh, aber es fühlte sich weniger persönlich an. Sie wünschte, sie könnte sich in Luft auflösen. Sie zog die Beine an, schlang die Decke noch fester um dich und weinte still vor sich hin, bis der Professor zurück kam.
Als dieser die Tür öffnete, wischte sie sich eilig die Tränen weg. Er ignorierte es und schickte sie in sein Büro, wo Professor Dumbledore auf sie wartete.
Er saß hinter dem Schreibtisch auf dem normalerweise Snape saß. Snape sah dort immer einschüchternd aus, aber Dumbledore wirkte so fehl am Platz, dass er eher lächerlich aussah.
„Professor", grüßte sie ihn. Er lächelte sie an und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. Zögernd setzte sie sich, was mit ihren Flügeln gar nicht so einfach war.
„Wie geht es Ihnen, Miss Granger?", begann er das Gespräch und sah sie über seine Brillengläser hinweg an.
„Es geht mir gut danke."
„Was ist gestern passiert?"
„Professor Snape und ich haben die Zutaten für Veritaserum gesammelt. Dabei sind etwas Mondgras und ein paar Perlmuttblüten in direkten Kontakt gekommen und haben uns in das verwandelt, als dass wir verkleidet waren", berichtete sie wahrheitsgemäß.
„Und dann?"
„Wir sind in die Kerker gegangen, um die Zutaten sicher zu verstauen und um nach einem Gegentrank zu suchen. Aber wir wurden bisher nicht fündig."
Dumbledore begann zu kichern, dass sich zu einem ausgelassenen Lachen steigerte. Vollkommen verwirrt starrte Hermine ihn an. „Miss Granger", sagte er noch immer glucksend, „ich dachte meine Kollegen würden maßlos übertreiben, aber nein, sie sind tatsächlich mit Abstand die schlechteste Lügnerin, die mit je untergekommen ist."
„Ich lüge nicht", erwiderte Hermine empört und Dumbledore fiel beinahe vom Stuhl vor Lachen.
Hermine wartete darauf, dass er sich beruhigen würde. Schließlich wischte er sich ein paar Lachtränen aus dem Augenwinkel und musterte sie ernst, aber mit einem Lächeln. Als wollte er ihr die Wahrheit stumm aus den Augen ziehen. Nervös senkte Hermine ihren Blick.
„Miss Granger - Hermine -" Irritiert blickte sie auf und begegnete seinen immer noch forschend auf sie gerichteten Augen. „Hegen Sie romantische Gefühle für Severus?"
Hermine war so überrumpelt, dass sie ihn nur mit offenem Mund anstarren konnte. Geduldig wartete Dumbledore auf ihre Antwort. Schließlich fasste sie sich wieder, verschränkte die Arme ineinander und erwiderte: „Finden Sie es nicht ein bisschen indiskret mich so etwas zu fragen, nachdem Sie fast an ihrem Lachen über meine Unfähigkeit zu Lügen erstickt wären, Sir?"
„Entschuldigen Sie Miss Granger, ich wollte nur sicher gehen, dass meine Annahme nicht nur Wunschdenken ist, bevor ich mit Ihnen darüber rede."
Wunschdenken? Von was bei Merlins Spitzhut redete er da?
„Sie müssen wissen", fuhr er unbeirrt fort, „Severus ist wie ein Sohn für mich. Schon als Junge hatte er ein großes Herz und viel Liebe zu geben. Auch wenn er das hinter dieser Kellerfledermausfassade eingemauert hat, hat sich daran nichts geändert und er verdient jemanden, der ihn zu schätzen weiß und ihm genauso viel Liebe entgegen bringen kann."
Seine Worte berührten sie tief und bestätigten, was sie immer über Severus Snape gedacht hatte. Aber auch wenn sie ihm so viel Liebe geben wollte, wie sie konnte, würde er niemals Gefühle für sie haben. Niedergeschlagen schüttelte sie den Kopf.
„Miss Granger, ich weiß, er ist mehr als doppelt so alt wie sie, aber 19 Jahre Altersunterschied sind unter Zauberern nichts. Und ihre jugendliche Frische wird mit Sicherheit auf ihn abfärben. Auch über die Schulregeln müssen Sie sich keine Sorgen machen. Sie haben meinen Segen -"
„Sie verstehen nicht", unterbrach Hermine ihn, „Professor Snape wird meine Gefühle für ihn niemals erwidern. Er kann mich nicht ausstehen."
Sie versuchte sachlich zu klingen, aber die Tränen liefen ihr unaufhaltsam über die Wangen. Törichtes Herz. Wieso musste sie sich ausgerechnet in ihn verlieben? War ja nicht so, dass er ein Mitschüler war, bei dem selbst eine geringe Chance, dass Risiko wert gewesen wäre. Nein, seit ihrer ersten Begegnung konnte er sie nicht leiden. Dass ihr Herz gebrochen werden würde war kein Risiko, sondern unabwendbare Gewissheit in dem Moment in dem es sich für Professor Severus Snape entschieden hatte. Wie konnte sie als klügste Hexe ihre Generation gelten und auf emotionaler Ebene so unglaublich dumm sein?
„Sie irren sich, Hermine", widersprach Dumbledore sanft, „das was Ihnen an Geschick im Lügen fehlt, hat Severus zusätzlich. Er ist der beste Lügner, den ich kenne. Selbst sich selbst gegenüber. Er mag sagen, dass er Sie hasst. Er mag es sogar denken. Aber nichts könnte ferner der Wahrheit liegen. Sie gehen ihm unter die Haut."
„Bei allem Respekt, Sir, aber Professor Snape würde mislead unangemessene Gefühle für eine Schülerin hegen", entgegnete sie erfüllt von dem seltsamen Bedürfnis seine Ehre zu verteidigen.
„Sie kennen die Gerüchte, von Todessern, die sich an jungen Frauen, durchaus auch noch minderjährigen Mädchen vergehen? Und Sie wissen sicherlich, dass Severus einmal zu Ihnen gehörte und noch immer in Voldemorts Reihen Treue dessen Ideologie gegenüber vortäuscht."
„Natürlich. Aber selbst wenn diese Gerüchte mehr als bloße Gerüchte sein sollten, würde er sowas niemals tun."
Dumbledore lächelte sie milde an. „Genau deswegen sind Sie die Richtige für ihn. Obwohl Sie ihn kaum persönlich kennen, sehen sie durch die Vorurteile und Masken und sehen seinen wahren Charakter. Und dieser Charakter ist einer der Gründe, warum er sich nicht eingestehen kann, dass Sie ihn unter die Haut gehen. Aber bei Seelenverwandten macht die Liebe auch vor moralischen Prinzipien nicht halt. Sie sind die einzige, die seine Mauern einreißen und ihm sein Herz stehlen kann und genau das ist es, worum ich sie bitte. Lassen Sie sich nur nicht vor ihrem Abschluss von jemand anderem als mir erwischen."
„Sie wollen ihren Professor und mich, dessen Schülerin, miteinander verkuppeln?"
„In der Tat."
Fassungslos starrte sie Dumbledore an. Von Harry wusste sie, dass er nicht gerade der strengste Schulleiter war, was regelkonformes Verhalten anging, aber das?
„Ich wünschte wirklich Sie hätten recht und ich hätte eine Chance, einen Weg in sein Herz zu finden, aber ich wüsste nicht wie. Er findet mich nervig, hässlich und aufdringlich."
Dumbledore schmunzelte. „Er findet Sie nervig, weil Sie genauso schlau und besserwisserisch sind wie er selbst, und aufdringlich, weil ihre bloße Gegenwart schon etwas in ihm auslöst, dass er nicht wahr haben will. Und wie kommen Sie darauf, dass er Sie hässlich finden würde?"
„Vor ein paar Jahren hat mich ein Fluch getroffen, der meine Vorderzähne hat wachsen und wachsen lassen. Als Harry von Professor Snape wollte, dass er den Urheber des Fluches bestraft, hat er mich angesehen und gesagt, dass er keinen Unterschied sieht." Niedergeschlagen starrte sie auf ihre gefalteten Hände, als sie Dumbledore flüstern hörte „Dieser Idiot." Dann wandte er sich wieder an sie.
„War der Urheber dieses Fluches zufällig ein gewisser Slytherin?"
Hermine nickte. „Nun Severus ist ein Idiot, aber er findet Sie mir Sicherheit nicht hässlich. Er wollte nur gemein zu Ihnen sein, seinem eigenen Haus keine Punkte abziehen und seinen Patensohn nicht bestrafen." Hermine blickte überrascht auf. „Draco ist sein Patensohn?"
Dumbledore nickte. „Die Malfoys sind die einzigen wirklichen Freunde, die er je hatte außer Miss Evans." Evans? Der Name kam ihr bekannt vor, aber sie wusste nicht woher. „Dass ihr Herz sich von diesem Vollidioten nicht daran hindern lassen hat sich in ihn zu verlieben, bestärkt mich nur in dem Glauben, dass Sie beide seelenverwandt sind. Und ich werde Ihnen jederzeit mit Rat zur Seite stehen. Sehen Sie mich als ihren Komplizen, okay?"
Sie musste dieses ganze Gespräch erst mal verdauen, aber sie fühlte sich plötzlich seltsam leicht ums Herz. „Danke Professor Dumbledore. Ich bin froh, dass er Sie hat und wenn Sie denken, ich wäre gut für ihn, dehne ich sehr gerne die Schulregeln etwas aus."
Dumbledores Gesicht hellte sich merklich auf. „Das bleibt aber unter uns, in Ordnung, Miss Granger?"
„Selbstverständlich."

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