James & Jo

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Ich bin der James Jo Kirkeby, den im Augenblick auf der Erde jeder kennt, der regelmäßig Nachrichten schaut. Sie sagen, ich sei ein Held. Irgendwie bin ich das auch und ein wenig stolz darauf. Vielleicht geht damit auch ein Kindheitstraum in Erfüllung, aber haben wir uns als Kinder nicht eine riesige Portion Eis oder ein Berg von Süßigkeiten gewünscht, wenn es in Erfüllung gegangen wäre, hätten wir gemerkt, dass es viel zu viel gewesen wäre. Und mir war der Rummel um meine Person im Augenblick zu viel. Ich bin einer von 5 Vollstreckern der Weltenunion und in die Schlagzeilen geraten, weil ich die Entführung der Tochter des Präsidenten vereitelt habe. Wir Vollstrecker sind Sicherheitsbeamte mit richterlichem Beschluss. Wir dürfen verurteilen, richten und vollstrecken, wenn es nicht anders geht auch das Todesurteil und im Falle der Entführung musste ich schießen. Es war das erste Mal, dass ich in eine solche Situation geraten bin. Das ganze Schießtraining war nicht umsonst. Vielleicht war das der Grund, dass ich trotz meines längst überfälligen Urlaubs diesen Fall annahm. Es waren keine Schusswaffen erlaubt im Weltraum und ich hoffte sehr, dass ich dem Erdendasein etwas entkommen konnte. 

So saß ich im Warteraum der Starbase von Bahrain und wartete auf das Onboarding des Shuttleflugs zum Hotel Orbit. Um mich herum wimmelte es von Frauen, nicht dass ich mich darüber beschweren wollte, aber sie sahen alle aus wie Models also fragte ich gleich die Frau, die neben mir saß: "Findet im Hotel Orbit eine Modenschau statt?" Die Frau neben mir sah mich überrascht an, zuckte mit den Schultern und sackte wieder in sich zusammen und starrte auf ihre Hände, die sie nervös knetete. Ich hatte definitiv die falsche Frau gefragt. Sie war die Einzige hier, die nicht wie ein Model aussah, sie war zwar hübsch, aber eben nicht so aufgetakelt wie die Anderen und sie schien Angst zu haben, anscheinend aber nicht genug, um nicht in das Shuttle einzusteigen. Sie saß im Shuttle neben mir und konnte vor lauter Zittern nicht ihren Gurt schließen, also half ich. Ich wäre kein Vollstrecker, wenn ich nicht irgendeinen Psychotricks auf Lager gehabt hätte und irgendwie beruhigte ich mich damit auch selbst: "Augen schließen und auf den Atem konzentrieren. Einen wundervollen Ort vorstellen und ruhig weiter atmen." Es wurde still im Shuttle, wahrscheinlich befolgten alle meinen Rat, als es zu vibrieren begann und wir starteten. Wir wurden in die Sitze gepresst, ein paar der Frauen stöhnten, aber die Frau neben mir machte kein Mucks. Ich sah zu ihr herüber, was schwer war, weil mein Hintekopf an den Sitz gedrückt wurde. Sie hatte die Augen geschlossen und lächelte, nur das krampfhafte Klammern ihrer Hände um die Armlehnen des luxuriösen Sessels erinnerte daran, dass sie Angst hatte. Es dauerte eine Weile bis der Schub nachließ und wir durch den Weltraum schwebten. Ich holte das Tab mit der Fallakte aus meinem Handgepäck und musste verhindern, dass es in der Schwerelosigkeit aus meiner Hand schwebte. Ich hatte bisher nur ein kurzes Breafing, dass ein berühmter Professor dort oben erstochen worden sei und die Täterin geständig war. Da das Hotel Orbit keinem Hoheitsgebiet zugeordnet werden konnte, war die Weltenunion hier zuständig. Ich hoffte auf eine schnelle Klärung der Vorkommnisse und dass ich recht schnell ein Urteil sprechen konnte. Die Mörderin würde dann von mir verhaftet und einem Gefängnis auf der Erde zugeführt. Ich wischte schnell die Bilder von der Leiche beiseite, um meine Sitznachbarin nicht zu erschrecken. Sie hatte die Augen geöffnet und sah nun staunend aus dem Fenster, klammerte aber immer noch an der Armlehne. Ich laß etwas in der Akte herum, die ein paar Passagen in Arabisch, in Englisch und Französisch enthielt, als mir plötzlich einfiel, dass sie vielleicht gar kein Englisch spricht. Ich selbst war gebürtiger Däne aber in Portugal aufgewachsen und habe in Arabien studiert. Ich beherrschte einige Sprachen also fragte ich sie: "Woher kommen sie?" "Frankreich, Paris." verriet sie mir mit dem erstaunten Gesichtsausdruck, den sie mir bereits im Hangar geschenkt hatte. Also sprach ich in französisch weiter mit ihr: "Kennen sie Celine Dubois?" Ich hatte gerade in der Akte gelesen, dass sie in dem Fall verwickelt war und wollte etwas mehr über sie erfahren. Sie schaute perplex drein, als eine Frau, die hinter uns saß verriet: "Merci ist Celine's Schwester!" Der Gesichtsausdruck meiner Sitznachbarin wechselte zu verärgert, als sie ergänzte: "Ich kenne sie aber nicht gut, denn ich habe seit 15 Jahren keinen Kontakt mehr mit ihr gehabt." "Warum?" frage ich natürlich sofort im Ermittlermodus. "Eine alte Geschichte." gab sie nur preis als eine der Models verkündete: "Das ist der Kirkeby. Pass auf, was du ihm erzählst, Merci. Er darf dich verhaften." Nun war ich an der Reihe verärgert drein zu schauen und bekam ein Lächeln von besagter Merci. "Tut mir leid, dass ich sie nicht erkannt habe. Sie sind wirklich ein Held, wie sie das mit der Geiselnahme hinbekommen haben." Die anderen stimmten mit ein und lobpreisten mich. "Und er sieht so unverschämt gut aus. Von so jemanden lässt man sich doch gerne verhaften." Ich verdrehte genervt die Augen und Merci tätschelte tröstend meine Hand. Zumindest schien sie jetzt etwas entspannter, dachte ich mir so und wartete ab, dass ich nicht mehr Mittelpunkt der Gespräche um uns herum war. Das war der Fall als die gigantische Raumstation in Sicht kam. Alle hingen an den Fenstern, um das Ausmaß abzuschätzen. Viele Röhren verbinden elliptische Module mit Fenstern, einige Bereiche schienen älter zu sein, etwas rostig und mit runden Fenstern. Wahrscheinlich der Bereich der früher russisch war und ein riesiger Flügel aus einzelnen Solarsegeln ließ den Koloss wie einen futuristischen Vogel wirken. Es war beeindruckend.

Hotel OrbitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt