Verschwunden

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Der maskierte Mann riss mich an den Haaren aus dem Schlaf. Ich erkannte ihn sofort, da er mich immer maskiert aufsuchte. Aber noch nie war er handgreiflich geworden. Bisher war unser Arrangement immer einvernehmlich. Er hatte mir mit meinen Schulden geholfen und dafür habe ich die Bilanzen des Hotel Orbit etwas frisiert. Eigentlich war alles perfekt getarnt, da war ich Profi und das wusste mein Auftraggeber. Aber dann tauchte diese vollbusige Concita González hier auf und schnüffelte herum. Ich habe alles versucht um sie abzulenken. Ich bin bis zum Äußersten gegangen. Ich hatte nie über lesbischen Sex nachgedacht. Sex war für mich immer sinnlos, noch nie hatte ich Spaß dabei. Mit Concita war es überraschenderweise anders. Ich ließ zwar nicht zu, dass sie mir einen Höhepunkt verschafft, aber anschließend war ich so geil, dass ich mich erlösen musste. Und letztendlich hat es alles nichts genützt, warum sonst war mein Auftraggeber so aggressiv. Ohne etwas zu sagen, zog er mich an den Haaren aus der Kabine."Was ist denn los?" "Ich bin aufgeflogen und du bist schuld!" rasselte seine Stimme durch den Stimmverzerrer. Es hatte keinen Sinn um Hilfe zu schreien, denn niemand sonst war im Augenblick auf diesem Flur zuhause. Der Hotelbetrieb machte Pause und die Station war wie ausgestorben. Es wurde Platz gemacht für die Rekruten der Astronautenschule. Das war immer meine Lieblingszeit, denn dann war der attraktive Dan Braxter an Bord. Ich hatte schon viel Spaß mit ihm und half ihm gern seinen Rekruten beizubringen, wie man sich in der Schwerelosigkeit bewegt. Komisch, dass ich gerade jetzt voller Sehnsucht an ihn denken musste, wo ich durch die Gänge geschleift wurde. "Was haben sie vor?" "Ich brauche keine Zeugen!" "Ich sage nichts, dass wissen sie doch!" Er erwiderte nichts mehr und so langsam wurde mir klar, wohin die Reise ging. Meine letzte Reise! Mein Komplize schleifte mich zur Luftschleuse. Jene Schleuse, durch die die Techniker ins All hinaussteigen, um Reparaturen an der Außenhülle vorzunehmen. Jener Ausgang, aus dem die Rekruten stiegen um den Umgang mit den Raumanzügen zu üben. Aber mein Angreifer zog mich einfach an den Raumanzügen vorbei. Ich hatte immer gedacht, dem Tod ins Auge zu blicken, würde Panik in mir auslösen, stattdessen schossen mir tausende von Auswegmöglichkeiten durch den Kopf. "Ich kann es dir besorgen, wie du es noch nie erlebt hast." "Glaubst du wirklich, ich bin interessiert an einer Lesbenfotze? Ich brauche es hart und dominant. Das versprichst du nicht gerade." Er lachte dreckig, was durch den Stimmverzerrer noch unheimlicher klang. Dann öffnete er die Sicherheitsbügel des Schleusentors. Mit einem Zischen schoss das Tor auf. Hoffnungsvoll drehte ich mich zu der Kamera, die hier installiert war. "Denkst du, ich lasse mich filmen, während ich dich umbringe? Oder wolltest du noch einen letzten Willen für deine Familie aufzeichnen? Vielleicht verzeihen sie dir ja nach deinem Tod, dass du Papi's Firma um ein paar Dollars erleichtert hast." Ich fragte mich immer noch, wie mein Erpresser von dieser Geschichte erfahren konnte. Ich wurde von meiner Familie nie angezeigt, nur von ihnen ausgestoßen, was für mich Strafe genug war. Auch wenn mir meine letzten Straftaten nun den Tod bringen sollten, zumindest hatte ich dadurch meine Schulden bei meinem Vater zurückgezahlt. Ich wurde in die Schleuse geschupst und landete dort auf den Knien. Gleich wird der Sauerstoff aus der Schleusenkammer gesogen und ich ins All katapultiert. Noch war ich nicht tot! Ich bin Tänzerin, die einzige Tänzerin, die Choreographien in der Schwerelosigkeit vollführt. Irgendwozu musste das doch gut sein! Wie ein Sprinter im Startblock machte ich mich bereit und visualisierte den Außenbereich vor der Schleuse. Niemand kannte diese Raumstation besser als ich. Ich ging jede Möglichkeit durch, wie ich wieder reinkommen könnte. Das einzige Problem sollte sein, wie lange ich die Luft anhalten können werde. Ich pumpte meine Lunge mit Sauerstoff voll, doch für den Startschuss war ich nicht vorbereitet. Mein Mörder ließ nicht erst die Luft aus der Schleuse, sondern betätigt gleich den Öffnungmechanismus so, dass ich gleich mit samt dem Sauerstoff ausgespuckt wurde. Ich rotierte so stark, dass ich nicht dagegen an arbeiten konnte, aber mein Glück war, dass ich gegen irgendeinen Mast krachte, zwar brach ich mir dabei ein paar Rippen, aber das merkte ich nicht. Meine Flugrichtung wurde dadurch gedreht und ich sah die Sonnenkollektoren auf mich zukommen. Den ersten Kollektor bekam ich nicht zu fassen, den Zweiten nur knapp, aber beim Dritten schaffte ich es. Mit Wucht wurde mein Flug gebremst und meine Schulter ausgekugelt. Ich sah nur noch den Müllschacht und stieß mich in diese Richtung ab. Dies versprach zwar kein Eingang in die Station, aber man würde meinen Leichnam finden, dachte ich noch, bevor ich mein Bewusstsein verlor.

Hotel OrbitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt