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Louis und ich kommen den blauen Spinten näher. Es sind ungefähr zwölf verbeulte blaue Spinte, welche mit den Brocken runtergekommen sein müssen. Vielleicht sogar zeitgleich mit Louis oder mir. Viel Erinnerungen daran habe ich ja nicht mehr. Das letzte was ich weiß ist, wie Niall sich in der Pause von mir verabschiedet hat, um selbst zu seinem Unterricht zu gehen. Doch ab da fehlt mir alles. Louis lehnt sich runter und streicht mit seiner Hand über einen Spint und entblößt eine der Zahlen.

„28" liest er und nimmt dann das Zahlenschloss in die Hand.

„10 Ziffern, 4-stelliger Code. Wie viele Möglichkeiten gibt es für dieses Schloss?" fragt er und guckt zu mir hoch.

„10000" antworte ich schnell und gucke ihm in die Augen. Er fängt an zu Grinsen und lacht einmal leise auf.

„Du bist gut in Mathe schätze ich?" stellt er fest und lässt mich nicken. Tatsächlich ist es mein bestes Fach, aber trotzdem nicht mein Lieblingsfach! Ich bevorzuge Musik.

„gut" sagt er und steht auf. „Wir brauchen aber einen anderen Weg" murmelt er und guckt sich um. Er läuft los und ich leuchte ihm instinktiv hinterher.

„Wieso? Willst du die Spinte etwa öffnen?" frage ich und sehe ihn an. Das ist gegen die Privatsphäre auf die man heutzutage so viel Wert legt. Die Schüler denen die Spinte gehören, wollen das bestimmt nicht.

„Wir wissen nicht wie lange man brauchen wird um uns zu finden und vielleicht finden wir hier was zu essen, oder wenigstens was zu trinken" erklärt er und geht zu einem der Brocken. Er fängt an in dem Haufen rumzukramen und zieht dann einen Draht aus den bodenteilen.

„Willst du die Spinte aufbrechen?!" frage ich mit quietschender Tonlage und sehe ihn mit großen Augen an.

„Ich schätze wir haben keine andere Möglichkeit. Wir können natürlich auch 10000 Varianten an jedem Spint ausprobieren" er lächelt sarkastisch und geht mit dem Draht in der Hand an mir vorbei, hockt sich vor den ersten Spint. Er führt den Draht in die Öffnung des Schlosses ein und fängt an ihn zu drehen und immer wieder zu probieren, das Schloss zu öffnen, was nicht annähernd funktioniert. Nachdenklich sehe ich mich um, als ich ein kaputtes Rohr, etwa zwei Meter von uns entfernt liegen sehe.

„Louis?" frage ich und bekomme ein angestrengtes ‚Ja?' zurück. Ich nehme das Rohr und wimmere auf, als mir kurz wieder schwindelig wird, atme aber darüber hinweg und halte ihm das Rohr hin.

„Vielleicht probierst du es lieber mit sowas, oder?" frage ich schüchtern und sehe dabei zu wie er es entgegennimmt. Er lacht leicht und guckt sich das Eisenrohr etwas an. Er dreht sich von mir weg, holt aus und fängt an auf das Schloss einzuschlagen. Laute Geräusche dringen in meine Ohren, lassen mich zusammenfahren, so lange bis ein Klirren den raum erfüllt und Louis in seiner Bewegung stoppt.

„Es hat geklappt" sagt er leise und stürzt sich sofort auf den Spint. Wir öffnen die Tür und sehen gemeinsam hinein. Der Spint ist voller Glitter, Football Wimpel und Schminkzeug. In der Tür ist ein Spiegel, ein Bild von einem Jungen und ein Bild von der Cheerleader-gruppe der Schule.

„Alles klar, Taylor" murmelt Louis neben mir und fängt an den Spint zu durchsuchen. Nach nur wenigen Sekunden wird er fündig.

„Nicht das Beste, aber Proteinriegel stoppen das Hungergefühl wenigstens etwas" erklärt er und gibt sie mir. Langsam nicke ich und gehe zu dem Platz, wo wir bis eben saßen um dort die Riegel hinzulegen. Danach gehe ich wieder zu Louis und sehe dabei zu wie er die anderen Spinte öffnet. Wir finden tatsächlich eine Liter Flasche Wasser, eine Packung Kekse und Pfefferminzbonbons. Besser als nichts... Allerdings ist Louis geschafft nach vier Spinten und nimmt sich erstmal eine Pause, während ich anfange, gedankenverloren den Staub von den Spinten zu streichen. Ich zähle von 28 aufwärts und fahre die Zahlen mit meinen Fingern nach, als mir ein Gedanke kommt. Schnell springe ich auf, was schlecht für meinen Kopf ist und zähle.

„34" sage ich leise und gehe sofort zu dem Spint, streiche den Staub weg und lese die Zahl.

„34!" wiederhole ich und drehe mich zu Louis.

„34!!" sage ich laut und lächle breit. Verwirrt guckt der ältere Schüler zu mir, wobei er meine Euphorie nicht teilen kann.

„was?" fragt er ahnungslos und nimmt sich einen kleinen Schluck Wasser.

„34, das ist Nialls Spint!" sage ich aufgeregt und drehe mich wieder zum Spint. Louis steht keuchend auf und kommt langsam auf mich zu.

„Wer ist Niall?" fragt er und bleibt neben mir stehen.

„Mein bester Freund! Ich kenne seinen code!" sage ich und fange an die Vier zahlen zu drehen. ‚9261' lautet sein Code und wie zu erwarten geht der Spint direkt auf. Ich sehe direkt 5 Selfies von uns, eine Irland Flagge, die wie eine Tapete die drei inneren Wände ausfüllt, seinen kleinen Kobold-Anhänger, das Regenbogen Armband, welches er sich gekauft hat, um mich nach meinem Outing zu unterstützen, zwei Bücher und wie erhofft, eine Tüte Chips, eine Tüte Gummibärchen und eine Cola.

„Nicht grade gesund, aber immerhin etwas" lächle ich und gebe alles Essbare was zu finden ist Louis, welcher sich sichtlich freut.

„Genial" haucht er und bringt alles zu unserem Platz. Mein Blick schweift wieder zu den Bildern. Eines davon zeigt uns wie wir aneinander gekuschelt schlafen. Es war die erste Übernachtungsparty von uns beiden und Gemma, meine große Schwester, hat da ein Bild von uns gemacht. Ein anderes zeigt uns auf dem Schulhof, eines bei mir im Garten, eines im Kino und dann ist da noch unser Lieblingsbild. Wir sind komplett verschlafen und gucken komisch in die Kamera. Ich merke nicht wie mir Tränen in die Augen steigen, doch als der erste weinerlich Seufzer meine Lippen verlässt, werde ich auf meine nassen Wangen aufmerksam.

„Alles gut?" fragt Louis sanft und hockt sich neben mich. Ich streiche mit meinen Fingern über die Bilder und schüttle den Kopf.

„Denkst du Niall lebt noch?" stelle ich die Frage die mir grade so sehr Angst macht. Niall war auch in der Schule und ich weiß nicht, ob er erwischt wurde, oder dem Unheil entkommen konnte. Ohne Niall würde mein Leben nur halb so schön sein. Er versteht mich und hat mich nie verachtet, trotz Homosexualität und Psychotherapie. Er war immer für mich da...

„Na klar, hier wird niemand umgekommen sein" sagt Louis sofort und streichelt meinen Rücken. Ich löse meinen Blick und sehe ihn weinend an.

„Wir sind eingesperrt in einem verlassenen Abstellraum, vielleicht hatten manche nicht so viel Glück" schniefe ich und wische mir über die Augen. Sofort schüttelt Louis den Kopf und streicht mit seiner Jacke über meine Wangen.

„Es wird alles gut Harry. Dein Kumpel wird noch leben, da bin ich mir sicher" beschwichtigt er. Langsam nicke ich und gucke auf den Spint. Bitte Niall, sei am Leben... Ich spüre wie Louis seufzend einen Arm um mich legt und mich langsam hin und her wiegt. Ich lehne mich etwas an ihn und verliere dabei mein Gleichgewicht.

„Harry?" ich hebe meinen Kopf von seiner Brust und gucke ihn an.

„Ich muss dir aber noch was sagen" flüstert er und zeiht seinen Beene auf meinem Kopf etwas runter.

„Ich bin zwar kein Arzt, aber meine Mutter hat mir einige Dinge beigebracht, da sie im Krankenhaus arbeitet und sowas nie schaden kann. Ich glaube du hast eine Gehirnerschütterung..." eine Gehirnerschütterung?

Earthquake /// Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt