Kapitel 1: Der Anfang

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Ein kalter Wind fuhr mir durch die Haare und wirbelte die vom schlafen, sowieso schon so zersausten Haare noch mehr auf. Wie sehr ich mir doch die Winterferien zurückwünschte, dabei war doch heute der erste Schultag nach diesen, wie also sollte ich alle weiteren überleben? Der Bus kam, während ich in Gedanken schwelgte, endlich an und ich stieg ins Warme. Wie jeden Tag der letzten Jahre, saß ich auf dem gleichen Platz, nur diesmal blieb der Platz rechts von mir frei. Nach einigen Minuten kam ich auch schon bei der Schule an. Wieder ließ mich die Kälte oder vielleicht auch die Übermüdung der letzten Tage frösteln. Weswegen ich mich schnell ins Schulgebäude aufmachte und mich zielstrebig zwischen all den anderen in Richtung meines Klassenzimmers 12b aufmachte. Die Blicke in meinem Rücken entgingen mir dabei leider dennoch nicht. Auch im Klassenzimmer wurde ich von diesen nicht verschont. Ich setzte mich wie immer auf den hintersten Platz am Fenster, dem ich auch schon meine volle Aufmerksamkeit widmete. Mehr wohl dem einsamen Mädchen, das sich darin spiegelte. Blaue klare und sogleich leere Augen starrten mich an, die Augenringe dabei nicht zu übersehen. Ein kurzes Seufzen entwich mir. Wie sehr mir die so nervige Energie meines besten Freundes, nein, Jay war kein Freund, er war Familie, denn für mich hatte er die Rolle eines großen Bruders. Das Tuscheln meiner Mitschüler wurde mit einem lauten knallen beendet und auch mich zog dieser aus meinen Gedanken. Eine junge und zugegeben äußerst attraktive Frau betrat den Raum. Eine Frau, die sicher nicht Miss Martins war. "Guten Morgen alle zusammen, an den verwirrten Gesichtern entnehme ich das ihr bisher wohl nicht informiert wurdet." lächelte die große Schönheit, während sie zum Pult lief und ihre Tasche von den Schultern rutschen ließ. "Ich bin Miss Harper und werde euch das letzte halbe Jahr übernehmen, da Miss Martins aufgrund ihrer Schwangerschaft doch früher ausfällt als erwartet, aber, um euch zu beruhigen. Ihr, sowie dem Kind, geht es ausgezeichnet!" Ein ehrliches, nahezu strahlendes Lächeln schlich sich über ihre Lippen, als sie ihren Satz beendet und einmal durch die Runde sieht. Ruhig sah ich zu, wie sie ihre Tasche auspackte und ein paar Blätter auf dem Schreibtisch ausbreitete, ehe sie die Namen einzeln von der Klassenliste aufrief und auf einen Zettel schrieb, wohl der Sitzplan, nun ihrer Klasse. "Lilith Blackwood?" Fiel inzwischen mein Name. "Hier." Antwortete ich ruhig und kurz sah sie mich an, legte den Kopf ein wenig schief und schrieb dann meinen Namen auf ihren Zettel. Nachdem sie ihr Werk stolz betrachte, legte sie den Zettel beiseite und begann ein wenig zu erzählen, von sich und wie es zu der Übernahme der Klasse kommt sowie der weitergehende Plan für dieses Jahr. Ohne es wirklich zu merken, schweifte ich wieder ab und widmete mich den vereinzelten Schneeflocken zu die sich bis zum Boden kämpften. Ich mochte den Winter nicht, er war mir nicht nur zu kalt, sondern auch zu nass und zu grau. Alles wirkte so lieblos und kahl, dabei war es doch auch ohne Unterstützung der Natur kaum erträglich mit anzusehen, wie die Welt und Menschen immer mehr ihre Farben verloren. "Miss Balckwood?" kam es mit Nachdruck, als hätte man meinen Namen schon mehrmals wiederholt. Verwirrt sah ich nach vorne zu Miss Harper nur, um noch verwirrter festzustellen, dass Miss Teynor, die Sozialpädagogin der Schule neben ihr stand. "Hier." Antwortete ich erneut und ein fragender Ausdruck erschien auf Miss Harper's Gesicht. "Miss Teynor würde gerne einen Moment mit dir sprechen." Ein kurzes Tuscheln ging durch die Klasse, als ich aufstand und wie befohlen nach vorne kam. Dabei sah mir Miss Harper neugierig entgegen, ehe sie wieder diesen kurzen fragenden Funken in den Augen hatte. Was das wohl für eine Frage war, die ihr scheinbar nicht aus dem Kopf ging. "Gehen wir kurz vor die Türe, ich bringe sie dir gleich zurück, Emilia." Kündigte Miss Teynor an. Eine wirklich herzliche Frau, die ihren Beruf eindeutig richtig wählte. Vor der Türe angekommen, schloss sie Miss Teynor und lächelte mich liebevoll an. "Lilith schön, dass du heute gekommen bist, verliefen die restlichen Ferien denn okay?" Fragte sie vorsichtig, doch die Freude mich heute hier zu sehen war aufrichtig. Kurz überlegte ich, ehe ich mich an der Türe anlehnte und nickte. "Sich einzusperren ändert ja nichts außer das ich im schlimmsten fall das Schuljahr noch verbocke." ein schmerzliches Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Die Ferien waren.. Okay, ja, einsam, aber okay." Ein mitleidiger Blick hatte sich auf Miss Teynor's Gesicht wiedergefunden, der mich beschämt wegsehen ließ. Ich wollte kein Mitleid und auch keine Sonderbehandlung, alles, was ich wollte, war einfach normal weiterleben zu können, ohne ständig daran erinnert zu werden. "Das kann ich mir vorstellen, es ist nicht leicht sowas zu verarbeiten, also falls-" ich unterbrach sie etwas schroff. "Nein!" Resigniert fuhr ich mir durch meine kurzen Haare und wagte einen Blick zur Seite, um in das geschockte Gesicht von Miss Teynor zu blicken. "Verstehen sie mich nicht falsch, ich bin unglaublich dankbar für all die Angebote und die Chance zu reden, aber alles, was ich will, ist nicht mehr ständig daran erinnert zu werden. Ich will einfach nicht mehr an diesen Unfall denken, verstehen sie?" Versuchte ich etwas verständlicher zu erklären. Miss Teynor hingegen nickte nur verstehend und lächelte sanft. "In Ordnung, wenn das so ist, weißt, wo du mich jederzeit findest, Lilith." Ich nickte dankend. "Ich würde noch eben aufs Klo gehen und dann zurück in die Klasse, sofern das in Ordnung ist." Mit einer kurzen Geste gab sie mir zu verstehen, dass ich schnell gehen sollte und wie befohlen tat ich es auch ohne zu zögern. Auf dem Weg zum Klo seufzte ich erneut. Ich wusste ja, dass ich mich noch eine Weile damit befassen musste, aber dass, das ganze so anstrengend ist, damit hatte ich nicht gerechnet. War es denn so schwer zu verstehen, dass ich nicht ständig daran denken wollte, dass mein bester Freund bei einem Autounfall ums Leben kam. War es so abwegig, dass ich nicht weiter darüber nachdenken wollte, wie einsam ich ohne ihn war. Er war das, was ich Familie nannte. Doch nun war er weg und alles, was mir blieb, war eine noch nicht ganz verheilte Narbe oberhalb der Augenbraue. Ich setzte mich in eine Kabine, ehe ich meine Kopfhörer aus der Tasche angelte und sie mir in die Ohren steckte. Stumm verlor ich mich zur Musik in meinen Gedanken und erst beim Klingeln schrak ich auf. "Verdamm!t" fluchte ich vollkommen, die Zeit vergessen zu haben. Schnell packte ich mein Handy samt Kopfhörer in meine Tasche und eilte zurück zum Klassenzimmer.

Deine warme Stimme, im kalten WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt