Kapitel: 12

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Keiner sagte auch nur ein Wort, nachdem sie meine Adresse in ihrem Navi eingegeben hatte. Es war nahezu erdrückend, doch weniger die stille, mehr, weil ich nicht wusste, warum diese stille herrschte. Aus dem Grund des Unfalls, der nun thematisiert wurde oder der nähe bei der selbst ich, als jemand, der nicht viel über Gesetze und gewissen Höflichkeiten wusste, dass das gerade, sicher eine Grenze überschritt zwischen Schülerin und Lehrerin. Nachdem wir an einer Ampel weiter fuhren, traute ich mich zu ihr rüber zu sehen. Sie war fokussiert auf die Straße und verlor sich gar in ihr. Dabei zog sie angestrengt ihre Augenbrauen zusammen, was eine kleine Denkfalte zwischen ihren Augen entstehen ließ. Ein Gesichtsausdruck, der ihr unglaublich gut stand und sie in gewisser Weise, sehr streng, gar dominant wirken ließ. Genau zu diesem Gedanken drehte sie ihren Kopf zu mir und sah mich für den Bruchteil einer Sekunde verwirrt an, als wüsste sie genau, was ich dachte. Sofort schoss mir erneut die Röte ins Gesicht. Was zur Hölle dachte ich hier überhaupt. "Ist alles okay?" Fragte sie vorsichtig. Ich nickte zuerst, doch als mir bewusst wurde, dass sie das gar nicht sehen konnte, schickte ich schnell ein verschlucktes, Ja, hinterher. Verdammt, reiß dich zusammen. Erneut sah sie kurz zu mir, um zu prüfen, ob ich die Wahrheit sprach, doch ich mied ihren zweiten Blick und sah nun aus dem Fenster. Glücklicherweise beließ sie es dabei. Ich hatte sie völlig ungeniert angestarrt und wurde eiskalt erwischt. Unangenehm. Die restliche Autofahrt traute ich mich, gerade so, noch zu atmen. Doch nicht einen weiteren Blick riskierte ich. Miss Harper jedoch, sah danach noch wenige male zu mir, um zu sehen, dass alles ok ist. Als wir an der Einfahrt des kleinen Familienhauses ankamen, atmete ich erleichtert durch. "Fahre ich denn so schlimm?" Kam es nun von Emilia. Dabei hatte sie ein verspieltes, aber zugleich unglaublich schüchternes, gar unsicheres Lächeln auf den Lippen. Ich konnte nicht anders als zu schmunzeln. "Sie fahren ausgezeichnet Miss." neckte ich sie indessen. Überrascht von meinem eigenen Mut, legte sich direkt danach auch ein schüchternes Lächeln auf meine Lippen, ehe ich die Türe öffnete, um auszusteigen. Die kühle Luft füllte sofort meine Lungen und leben kehrte endlich wieder in meinen Körper. Wie ein Adrenalin stoß, fühlte ich mich plötzlich unglaublich wach. Auch Emilia stieg aus dem Auto und kam zu mir herüber. "Ich würde noch eben deinen Eltern Bescheid geben, wenn das okay ist." Sagte sie nun ernst und musterte mich. Kurz weiteten sich meine Augen, bevor ich zur Seite sah. "Da werden sie hier kein Glück haben." Erwiderte ich ruhig, was sie verwirrt blinzeln ließ und sie den Kopf etwas schief legte. "Sind sie im Moment arbeiten?" Fragte sie verwirrt. Ich zog die Augenbrauen etwas zusammen, ehe ich sie musterte für einen Moment. Sie spielte nichts vor, sie war wirklich verwirrt. Ich hatte damit gerechnet, die Lehrer würden alle neuen sofort einweihen, wie es um das Problemkind der Blackwood Familie stand. "Nein." Ich schulterte meinen Rucksack und ging einen Schritt an ihr vorbei, bevor ich über die Schultern sah und ihr ein unechtes Lächeln schenkte. "Ich lebe allein, Emilia." Sagte ich ruhig und ging zur Eingangstüre. Ich vernahm ein leises Seufzen hinter mir. "Darum also der Job im Sunrise und die vielen Fehltage und Beschwerden, du seist angeblich so faul. Schläfst ständig im Unterricht ein und verpasst Abgabetermine" Sie sprach mit solch einer Ruhe, dass es mir kalt den Rücken herunterlief. "Dabei versuchst du einfach nur zu überleben und dein Bestes zu geben, nicht wahr Lilith?" Nun drehte ich mich wieder völlig zu ihr. Auch sie schien inzwischen, einen Schritt mehr auf mich zugekommen zu sein, denn nun, sah ich in die aufrichtigen olivgrünen Augen. In eine Ruhe und Behutsamkeit, die mich völlig verschlang. Sie strahlte etwas so Warmes aus, das sich teils anfühlte, als würden ihre Worte mich innerlich verbrennen und zugleich war es Balsam für die Seele diesen Worten zu lauschen. Ein Widerspruch in sich. War das wirklich noch normal? Fühlten sich andere genauso oder sprach sie mit anderen genauso, wie mit mir? Ein gequälter Ausdruck zeichnete sich in meinem Gesicht ab. Ich dachte viel, zu viel darüber nach und sie ließ mich viel, zu viel fühlen. Ich spürte wie sie ihre Hand auf meinen Unterarm legte und sich direkt die Wärme ausbreitete, die von ihrer Hand ausging. Meine Augen weiteten sich und ich sah, ein klein wenig hoch zu der Frau, die einen halben Kopf größer als ich war. "Menschen bilden sich ihre Meinung, nachdem was sie betrifft. Der Hintergrund und das wieso und weshalb ist völlig egal, solange das Ergebnis ihrer Meinung nach unzureichend ist." Antworte ich ruhig. Kurz huschte etwas Trauriges durch ihre Augen, bevor sie kaum merklich den Kopf schüttelte und ein sanftes Lächeln auf ihre Lippen huschte. Ihre Hand glitt dabei nahezu zärtlich meinen Arm herunter. Ihr Weg, den sie meinen Arm hinab, mit den Fingerspitzen entlang fuhr, hinterließ eine brennende Gänsehaut, ehe sie an meiner Hand ankam, die sie in ihre nahm und mit der Handfläche nach oben drehte. "Mir ist der Weg jedoch nicht egal, denn schließlich ist der Weg selbst, dass, was die meiste Leistung beansprucht. Das Ziel ist schlichtweg das Ergebnis des Wegs, doch wie wir diesen Weg beschreiten, ist das was wirklich zeigt, was ein Mensch man ist." Erwidert sie leise und legte dabei ein Kärtchen in meine Hand, bevor sie meine Hand wieder losließ, die ich völlig paralysiert in der Luft stehen ließ, mit dem Kärtchen in meiner Handfläche. Emilia drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging zu ihrem Auto, in das sie stieg und den Motor startete. Alles, was ich konnte, war ihr hinterherzusehen. Ich war wie erstarrte. War ihr überhaupt bewusst, was sie ständig in mir auslöste? Ein letztes Lächeln schenkte sie mir, bevor sie den Rückwärtsgang einlegte und aus der Einfahrt fuhr und mich vollkommen durcheinander stehen ließ. Wohl kaum.

Deine warme Stimme, im kalten WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt