Ich ärgerte mich, über meine eigene Reaktion. Ich bin, wie ein Kind weggerannt, was sollte das? Und ohne es kontrollieren zu können, schlich sich der Gedanke, was wäre, wenn ich nicht weggerannt wäre, ein. Was wäre, wenn ich es getan hätte? Was hätte sie getan? Ich schüttelte den Kopf als ich bei der Haustüre ankam. Verdammt, ich war so fertig. Mit zittrigen Fingern, schloss ich die Türe auf und trat ein. Drinnen angekommen, ging ich erstmal lange duschen, in der Hoffnung all die Gedanken und Gefühle von mir zu waschen, ohne Erfolg. Danach machte ich mir was zu essen, doch herunterbekam ich nur ein paar Gabeln. Als ich einsah, dass es sinnlos war, sich weiter so fertig zu machen, ging ich ins Bett, doch verbrachte ich die ganze Nacht nur damit, mich hin und her zu wälzen. Am nächsten Morgen, fühlte ich mich vollkommen gerädert. Ich war müde und seltsam energielos. Der Blick in den Spiegel verriet, dass man die unruhige Nacht deutlich in meinem Gesicht sah. Mehr als mühsam machte ich mich fertig und ging zur Schule. Verdammt, ich hatte keine Lust. Durch das Trödeln in der Früh, reichte die Zeit nicht einmal mehr für einen Kaffee. Grausam. Die Kapuze meines Hoodies hing mir bis tief ins Gesicht gezogen, als ich durch die Schulgänge, wie ein Zombie schlenderte. Ich war so oder so, schon zu spät, sich zu hetzen, hatte nun keinen Sinn mehr. Nachdem ich mir eine kurze Standpauke, fürs zu spät kommen abgeholt hatte, ging der Unterricht auch schon weiter. Die ersten beiden Stunden schlief ich immer wieder ein. In der dritten hatte ich Miss Harper und ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Gar Angst, sie zu sehen. Doch nicht vor ihr selbst, nein, sondern Angst vor dem, was ich wohl fühlte, wenn ich sie nun ansehen würde. Angst, nicht mehr leugnen zu können, was ich gestern vorhatte. Angst nicht mehr leugnen zu können, dass ich anfing diese Frau zu mögen. Plötzlich war ich wieder vollkommen wach, als hätte ich reines Koffein direkt in meine Adern injiziert. Die Türe öffnete sich und sie schritt ein. Ihr selbstbewusster Gang, ihre Haare wie sie mit jedem Schritt mit wippten, die dunkelblaue Bluse, die so perfekt ihren Körper umschlug, zusammen mit ihrer grauen Bundfaltenhose und passende Combat Boots. Ich spürte wie mein Herz schneller schlug, mit jedem Schritt, den sie näher an ihr Pult ging. Ich war erneut gefesselt, in ihren Bann. Sie legte wie immer alles ab, bevor sie die Anwesenheitsliste zur Hand nahm und aufsah. Nacheinander rief sie alle mit prüfendem Blick auf. "Blackwood?" Fiel nun mein Name und sie sah zu mir. Sie hatte ein dezentes Make-up, das ihre Chromoxidgrünen Augen betonte. Doch auch sie sah müde aus. Ihre Augen weiteten sich ein Stück, als unser Blick sich traf und ich könnte schwören, ein Funken Besorgnis huschte durch ihre Augen. Ich musste wirklich schrecklich aussehen. "Hier." Antwortete ich und für den Bruchteil einer Sekunde, hielt sie den Blickkontakt noch aufrecht. Es wirkte, als grub sie sich dabei tief in meine Seele und jeden Gedanken, um herauszufinden, was mir fehlte. Doch was fehlte mir denn? Warum fühlte ich mich so leer? Emilia räusperte sich, ehe sie weiter ihre Liste abarbeitete. Ich legte meinen Kopf auf meine Arme ab, als sie mit dem Unterricht begann und verlor mich ein wenig in Gedanken. Erst als ich einen Blick auf mir spürte, sah ich wieder auf. Emilia setzte gerade an etwas zu sagen, als auch schon die Schulglocke, das Stundenende ankündigte. Ich hatte wirklich die komplette Stunde verträumt und sie wies mich nicht einmal zurecht. Mühsam drückte ich mich von meinem Platz auf, wobei mir für einen Moment schwarz vor Augen wurde. Nicht nur der Schlafmangel, auch die Unterzuckerung mischte sich nun ein und tat alles, um mir den Tag noch unerträglicher als eh schon zu machen. "Miss Blackwood, bleiben Sie bitte noch einen Moment?" Kam es von Emilia, als alle begannen einzupacken. Ich seufzte und packte ebenfalls zusammen, bevor ich meinen Rucksack schulterte und nach vorne ging. Ich lehnte mich an die Tischplatte vom Pult, als Miss Harprer nach dem letzten Schüler die Türe schloss. "Du siehst müde aus." Sagt sie ruhig, als sie wieder auf mich zukam und mit etwas Abstand vor mir stehen blieb. Ich sah zu Boden und zupfte unsicher an meinem Hoodie herum, um meine Hände aus Nervosität zu beschäftigen. "Sie auch." Antwortete ich leise. Ich hatte das Gefühl, jeden Moment umzukippen. Mein Herz raste und in meinen Ohren hatte ich ein unangenehmes Rauschen. Verdammt, warum war ich so nervös? "Lilith?" Als sie meinen Namen aussprach, verstand ich das sie wollte, das ich sie ansehe, doch ich wollte einfach nicht. Was, wenn sie sieht, was in mir los war. Was, wenn sie sah, wie nervös sie mich machte. Was, wenn sie-. Als ich nicht reagierte fühlte, ich wie sie zwei Finger sanft an mein Kinn legte und einen Schritt auf mich zu machte, ehe sie meinen Kopf anhob und mich zwang sie anzusehen. Meine Augen weiteten sich und ein Kribbel durchschoss meinen gesamten Körper. Ich spürte, wie sich eine Gänsehaut wegen ihrer Berührung ausbreitete. In Emilias Augen lag eine Ruhe, die ich in diesem Moment einfach beneidete da mein Herz sich anfühlte als würde es nun jeden Moment aus meiner Brust springen. In Ihren Augen lag aber auch etwas Unsicheres, gar verletztes. "Zuerst lässt du mich einfach stehen und nun kannst du mich nicht mal mehr ansehen." Stellte sie fest und ein verletztes Lächeln, lag auf ihren Lippen, doch ihre Augen strahlten dabei etwas so unglaublich sanftes aus. Dieser Anblick traf mich direkt ins Herz. Es tat weh, sie so zu sehen. So verletzt. Immer wieder, sah sie von einem in das andere Auge und versuchte wohl herauszufinden, was ich gerade dachte. Ich versank einen Moment in ihren Augen. "Es tut mir leid." Hauchte ich eine Entschuldigung, bevor ich spürte, wie mein Körper nachgab. Ich sah plötzlich alles verschwommen und mein Körper klappte zusammen. Ich kippte ihr entgegen und nahm nur noch wahr, wie sie erneut nach meinem Namen rief, ehe alles schwarz wurde. Ich war so verdammt müde von allem, nein, ich war das alles einfach nur noch leid.
DU LIEST GERADE
Deine warme Stimme, im kalten Winter
RomanceIhr Lächeln verblasste und ihre Augen verloren erneut das glitzern, das ich so darin liebte. Eine unruhige Stille schlich sich zwischen uns, ehe sie mich sanft fragte; "Ist es nicht unfassbar ermüdend, ständig stark zu sein?" Stumm sah ich sie an, s...