Kapitel: 5

113 5 0
                                    


Seine zornigen Augen, verschlangen die meine. Was war bitte los mit diesem Typen?! "Wir alle wissen, was Jay für eine Legende war, wenn es ums Fahren ging." Meine Augen weiteten sich und ich löste meine Hände von seinen Armen, die ich bis gerade noch versuchte von mir zu drücken. "Aber ständig wollte er dich beeindrucken und imponieren, dass er sich mal wieder selbst überschätzte und nicht auf die Straße, sondern auf dich nebenan achtete!" Schrie er mich an. Das Blut in meinen Adern gefror und aus Wut sammelten sich Tränen in meinen Augen. So war das doch alles nicht. So war das alles nicht, verdammt! Mein Kopf raste und allmählich spürte ich, wie alle Gefühle mit einem Mal aus mir entwichen. "Aufhören sofort!" schallte es nun durch den Flur. Stumm sah ich auf den Boden, zwischen dem Jungen und mir, der mich noch immer am Kragen fest pinnte. Warum ausgerechnet sie? Warum taucht sie überall auf? Ihre Stimme, so in autoritärer Kälte getränkt, hörte sich einfach falsch an. Dieses sanfte, freundliche Lächeln passte viel mehr zu ihr. Ihr neugieriger Blick und diese beruhigende Art, wie sie mit einem sprach. Ein seltsames Stechen durchfuhr mein Herz als sie sich wiederholte und der wutentbrannte Junge endlich von mir abließ. Ich richtete mein Hoodie wieder zurecht und sah noch immer auf den Boden, um die wenigen Tränen, die sich eben in meinen blauen Augen sammelten wegzublinzeln. "Kann mir mal bitte einer erklären, was hier los ist?!" forderte sie streng, wobei sie die Arme in die Hüften stemmte und sich neben uns stellte. Der Junge im Hintergrund, trat ein wenig aus dem Geschehen zurück und auch der vor mir brachte, etwas Platz zwischen uns, bevor er Miss Harper mit falschem Lächeln zulächelte. "Nur eine kleine Rauferei zwischen alten Freunden, Miss." Ungläubig hob sie eine Augenbraue und sah zu mir. Ja, eindeutig spürte ich ihren Blick auf mir, wie er versuchte mich zu durchbohren, um jedes noch so kleine Detail zu erfahren. "Lilith ist das wahr?" Richtete sie das Wort nun deutlich sanfter, als eben noch zu dem Jungen, an mich. Als könnte sie sonst etwas zerbrechen. Noch immer sah ich auf den Boden und nickte nur. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Ich bin doch kein Idiot. Hänge ich ihn hier und jetzt ran, wird er mich sicher vor der Schule oder nach der Schule abfangen, was wohl nicht so glimpflich laufen würde wie es heute lief. Für einen Moment schwieg sie nach meiner Antwort und seufzte, wobei man, darin die Enttäuschung deutlich hörte. "Ich will sowas hier nie wieder sehen, habt ihr mich verstanden?" Wir drei nickten gleichzeitig, ehe sie uns mit einer Kopfbewegung zu verstehen gab, dass wir nun gehen sollten. "Sie nicht Blackwood." Ihr Ton ließ keine Diskussion zu, doch war er dennoch nicht unfreundlich, nein eher besorgt. Also blieb ich stehen, wie befohlen. Ich hörte ihre Schritte, wie sie hinter mich trat, nachdem ich keine Anstalt machte, mich zu ihr zu drehen. Eine warme, zierliche Hand legte sich auf meine rechte Schulter und sie drehte mich vorsichtig zu ihr. Wieder trafen ihre Olive grünen Augen, das große, weite, blaue Meer, meiner Augen. Sie hatte ein ruhiges und doch besorgtes Lächeln auf den Lippen. "Lilith, sagst du mir was los ist?" Ihre Hand ruhte noch immer auf meiner Schulter und ein Kribbeln bildete sich um ihre Hand. Wie konnte eine so ausdrucksstarke Frau, nur so zierliche Hände haben? Ein kleines Lächeln schlich sich auch auf meine Lippen. "Es ist alles ok, wie er schon sagte, war es nur eine kleine Rauferei." Mein Herz durchzog ein stechen, als ich ihr so dreist ins Gesicht log. Enttäuschung spiegelte sich in ihren Augen wieder. Ich stoppte in jeglicher Bewegung, als ich das glänzen sah. Das Glänzen einer Träne, die sich ihr Gesicht hinab bahnte. Ein schmerzliches Lächeln zog sich über ihre Lippen. "Und das soll ich dir glauben, während deine Augen so gefüllt von Einsamkeit strahlen?" Meine Augen weiteten sich. Unsicher, ob ich mich verhört habe, sah ich sie an, unfähig auch nur ein Wort zu sagen. Ein Kloß steckte mir im Hals und ließ mich gerade so genug Luft zum Atmen bekommen. "Weißt du, du bist mir ganz am Anfang schon aufgefallen, denn alles an dir wirkte so unglaublich traurig, Lilith." Ihre Stimme klang ruhig und zerbrechlich, doch jedes ihrer Worte traf direkt inmein Herz. Wie kleine Nadeln, bohrte sich jedes Wort tief hinein, doch vor allem das Bild vor mir. Wie sie dort stand und sich so zerbrechlich, an meiner Schulter festhielt. Ihre Augen getränkt von Mitleid und ihre Tränen voller Aufrichtigkeit, wie sie langsam über ihre Wange glitten. Ihr Lächeln, das so beruhigend und doch so schmerzlich wirkte. All das brannte sich tief in meinen Kopf ein, ohne, dass ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, etwas dagegen zu unternehmen. "Doch jeden weiteren Tag, wandelt sich dieses traurige Bild in Einsamkeit um und dieses Gefühl kenne ich nur allzu gut, denn was mich wohl daran so fesselt, ist, dass du mich dabei sehr an mich selbst erinnerst." Ohne darüber nachzudenken, legte ich meine Hand an ihre Wange und strich mit dem Daumen, eine Träne davon. Ein sanftes Lächeln lag dabei auf meinen Lippen. "Das war seit langem das aufrichtigste, was ein Mensch zu mir sagte."

Deine warme Stimme, im kalten WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt