4 - Gian

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(eine Woche zuvor)

Ich träumte wieder. Aber dieses Mal war es anders. Es war alles so echt.

Eine junge Frau. Sie lief um ein Haus. Es war ein großes Haus, aber kein normaler Wolkenkratzer. Es hatte nur ein Stockwerk. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Es wirkte so platt. Die Frau schaltete etwas ein. Kurz darauf explodierte das Haus. Alles war voll Staub. Aircars kamen von überall angefahren.

Als nächstes sah ich die Zeitung: Präsident wird bei Attentat von Tochter ermordet. Ich versuchte das Datum auf ihr zu lesen, wie es mir aufgetragen worden war: 15. Juni 239. Dann würde alles unscharf. Ich erwachte.

„Wir haben es!", hörte ich Sven rufen. Anscheinen hatte ich die Vision gehabt... Die Tür wurde aufgerissen.

„Wir haben es!", schrie Sven mir ins Gesicht. Er konnte sich die Freude nicht verkneifen.

Das konnte für mich nur eins bedeuten: Tod. Nun würde ich sterben. Manche hatten ihre Vision früher, andere später. Ich hatte einen Freund. Man freundet sich nicht mit Menschen an, die jeden Tag sterben könnten. Dieser einzige Freund war mein einziger Freund nur aus einem Grund: Er war 48 Jahre alt. Seine Vision hatte er noch nicht gehabt. Deswegen lebte er noch. Wahrscheinlich würde er noch länger leben und ich brauchte einfach jemanden zum Reden.

Sven nahm mir die Elektroden vom Körper und führte mich in den Nebenraum. Dort saßen vier Mitarbeiter des Konzepts. Sie schauten auf ihre Monitore und hoben auch nicht die Köpfe, als ich an ihnen vorbei ging.

„Werdet ihr mich jetzt töten?", fragte ich Sven. Wir waren nicht befreundet, aber seit ich als einen Tag altes Kind von dem Beauftragten des Staates abgeholt worden war, in diesen neunzehn Jahren, die ich hier verbracht hatte, hatte sich etwas zwischen uns aufgebaut.

Immer, wenn ein Kind neu geboren worden war, wurde ein Beauftragter zu der Familie geschickt und wenn das Baby ein bestimmtes Merkmal hatte, niemand wusste, was das für eins war, wurde es mitgenommen und in eines der in der Nähe liegenden Heime gebracht. Von da an verließ man dieses Heim nie wieder. Bis zum Tod. Bis man die Vision hatte.

Ich lief mit Sven im Nacken durch die kühlen Gänge, die ich jeden Tag lief. Aber an einer Abzweigung wählten wir einen anderen Weg als sonst. Bald kamen wir in eine große Halle, die ich noch nie gesehen hatte. Sie sah vollkommen anders aus, als der Rest des gesamten Gebäudes. Mir wurden Handschellen angelegt. Dann brachten sie mich durch eine weitere Tür und ich stand im Freien. Noch nie hatte ich die Sonne ohne ein Drahtgitter davor gesehen.

Doch diesen Anblick konnte ich nicht lange genießen, denn sofort wurde ich in das Aircar verfrachtet und wir fuhren los. Nach nur kurzer Zeit hielten wir vor einem anderen Wolkenkratzer und Sven fuhr mit mir in den obersten Stock. Dort wurde ich in eines der Zimmer gesteckt und die Tür geschlossen.

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