20 - Gian

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Es war also keine Lüge. Man musste die Person töten, sonst wird sie der Welt schaden. Es würde so oder so das gleiche dabei herauskommen, falls Annabell noch weiter leben würde. Wenn der Krieg ausbräche, würde Leon Lannen getötet werden, zwar nicht durch Annabell, aber es würde passieren. Nur wenn sie starb, konnte die heile Welt bestehen.

Ich erschrak selbst vor meinen Gedanken. Es klang so, als würde ich versuchen müssen, sie umzubringen. Natürlich werde ich das nicht tun, redete ich mir ein.

Sie saß da, mit ihrem perfekten Gesicht, weiß wie eine Wand. Und in diesem Moment kam sie mir so unendlich weit vor. So weit und offen. Alle Naivität war von ihr gewichen. Sie war so unendlich schön.

Halt Gian, schrie es in mir. Ich stand ruckartig auf und ging zum Fenster. Der Wald bot einen atemberaubenden Anblick. Die Nebelschwaden zogen sich zwischen den Bäumen empor.

„Wir sollten weiter ziehen." Die plötzlichen Worte von Annabell brachten mich völlig aus durcheinander.

„Es ist zu gefährlich, längere Zeit an einem Ort zu bleiben." Eben war sie noch ein kleines Kind gewesen, jetzt stand sie wie eine große, starke Frau vor mir. Krieg... Wie dieses Wort die Menschen verändern konnte, selbst wenn sie nur eine leichte Idee von dieser zerstörerischen Kraft hatten.

„Und wo willst du hin?", fragte ich. Sie überlegte.

„Wo willst du hin?", erwiderte Annabell dann. Ich wollte überall hin. Alles sehen und erleben.

„Ich habe eine Idee", strahlte Annabell, vollkommen von ihrer Ideen überzeugt, „Wir müssen unbedingt zum Montagne De La Vie."

„Was ist das?"

„Ein Berg. Der Name bedeutet Berg des Lebens. Es ist eine dieser alten Sprachen, die gesprochen wurden bevor es nur noch unsere gab."

„Und warum müssen wir da unbedingt hin?", fragte ich weiter. Ich konnte den Sinn des Ganzen nicht verstehen. Ja, ich wollte die Welt sehen, aber wieso dieser Berg?

„In fünf Tagen, am 17.08., ist dort das große Feuerwerk zur Feier der neuen Welt. Es ist atemberaubend. Jedes Jahr freue ich mich darauf mit meinem Vater dort hinzufahren."

„Das bedeutet", schlussfolgerte ich, „dein Vater wird auch dort sein?"

„Natürlich. Er eröffnet das Feuerwerk."

Konnte das der Anfang der Aufstände werden?

GefangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt