Ich musste mich beeilen, wenn ich die Straßenbahn noch kriegen wollte. Schaffte ich es nicht, mussten wir eine später nehmen. Warum war ich auch ausgerechnet heute so spät dran?
Der Einlass hatte schon vor fünf Minuten begonnen und wir brauchten mindestens eine halbe Stunde bis zum Konzertplatz. Als hätte das Schicksal es auf mich abgesehen, bestand meine Mutter ausgerechnet heute auf ein ausgedehntes Abendbrot. Normalerweise störte mich das nicht, auch wenn ich abends noch mit meiner besten Freundin Emely raus ging, denn da kam es auf ein paar Minuten nicht an. Nur war heute ein ganz besonderer Tag, deren Bedeutung ich vor meiner Mutter geheim hielt.
„Tschüss, Mama!", rief ich ins Wohnzimmer, nachdem ich mir meine Schuhe angezogen habe. „Viel Spaß, Malea, und sei wie immer pünktlich um 22 Uhr zurück", kam es unbeschwert aus dem Wohnzimmer zurück. „Klar", entgegnete ich, wobei mir bewusst war, dass ich um diese Zeit noch nicht zurück sein würde. Normalerweise hielt ich mich immer an Mamas Regeln, aber besondere Tage erfordern besondere Maßnahmen.
An der Straßenbahnstation fiel Emely mir um den Hals. „Alles Gute zum 16. Geburtstag! Ich hatte schon Angst, dass du es nicht mehr schaffst", nuschelt sie erleichtern in mein Ohr. Mir blieb keine Zeit etwas zu erwidern, denn in diesem Moment kam auch schon die Bahn. Sie war sehr voll, also bleiben wir direkt an der Tür stehen. „Mein Mutter hat mich aufgehalten", erklärte ich entschuldigend, „aber ich habe es ja noch geschafft."
„Zum Glück!" Emely grinste. „Wir sehen komplett gleich aus." Wir musterten unsere Outfits von oben bis unten. Sie hatte Recht, was eigentlich auch kein Wunder war. Wir hatten uns die gleichen Klamotten mit Vorlage von Stefanies Kleidungsstil extra für das Konzert gekauft. Eine schwarze, enge Jeans, ein schwarzes Top und schwarze Boots, dazu eine Lederjacke und ein schwarz-rot kariertes Hemd, was wir uns um die Hüfte gebunden hatten. „Stimmt", sagte ich grinsend. Wenig später stiegen wir aus der Straßenbahn und kamen nach ein paar Minuten Fußweg am Konzertgelände an. Vor dem Eingang war eine riesige Schlage, weshalb wir uns etwas verzweifelt ansahen. Zwar hatten wir damit gerechnet, dass vor uns viele Leute sein würden und wir somit nicht weit vorne stehen konnten, doch so viele Leute waren dann doch eine Überraschung. „Was soll's, vielleicht kommen wir doch noch irgendwie nach vorne", sagte ich optimistisch. Emely nickte zustimmend und wir stellten uns hinten an. Zum Glück ging es schneller voran als gedacht. Kurz bevor wir dran waren, wurden wir ein wenig nervös. Ob wir wirklich alleine reinkommen würden?
„Bist du bereit, das Verbotene zu wagen, Lea?", fragte mich Emely. Sie wusste, dass Mama ausrasten würde, wenn sie von dem Ausflug zum Silbermond Konzert erfuhr. Aus irgendeinem Grund hatte sie etwas gegen alles, was mit der Band in Verbindung stand. Ihre Musik gehörte bei uns Zuhause auf die Liste des Verbotenen. Natürlich gab es diese Liste nicht wirklich, aber würde sie bei uns am Kühlschrank hängen, stände Silbermond unangefochten ganz oben. Und Emely als meine beste Freundin erkannte, wie schwer mir die Wahl gefallen war, hinter dem Rücken meiner Mutter zu handeln.
Die Sicherheitsleute kontrollierten unsere Ausweise, ehe wir ohne Probleme rein gelassen wurden. Da hatten wir uns mehr Angst gemacht, als notwendig gewesen war. Drinnen verschafften wir uns einen Überblick und stellten uns dann in die Mitte, wo noch ein wenig Platz war; so standen wir immerhin nicht ganz weit weg von der Bühne. Wenig später begann auch schon die Vorband und dann traten endlich Johannes, Nowi und Thomas auf die Bühne und begannen zu spielen. Stefanie kam dazu, als ihr Einsatz begann und alle brachen in Jubel aus. Emely und ich grinsten uns überglücklich an. Wir waren so froh hier zu sein und genossen das Konzert in vollen Zügen, indem wir mitsangen und tanzten. Es war so schön, dass ich am liebsten gar nicht gehen mochte. Als sich der Platz aber nach und nach leerte, machten wir uns - immer noch ganz aufgedreht - auf den Weg zur Straßenbahn. Das Hoch vom Konzert hielt jedoch nicht lange an. In der Straßenbahn blickte ich auf mein Handy und augenblicklich verflog meine gute Laune: zehn verpasste Anrufe meiner Mutter und doppelt so viele Nachrichten. Emely hatte einen verpassten Anruf, sie würde aber wahrscheinlich nur etwas Ärger bekommen. Ich konnte mit Sicherheit sagen, dass ich nicht so glimpflich davonkommen würde. Wir umarmten uns zum Abschied fest und verabredeten uns zu schreiben, wenn die Wut unserer Eltern wieder verflogen war. Dann gingen wir in unterschiedliche Richtungen nach Hause. Auf in dem Kampf!, dachte ich noch, als ich nach der Türklinke greifen wollte, doch meine Mutter kam mir zuvor und riss die Tür auf.
„Wo warst du! Warum gehst du nicht an dein Handy? Ich habe mir Sorgen gemacht!", schrie sie mir in dem Moment schon wütend und leicht besorgt entgegen. „Ich war mit Emely auf einem Konzert", bringe ich leise hervor. „Auf welchem Konzert wart ihr und warum wissen weder ich, noch Emelys Eltern etwas davon?", pfefferte sie mir die nächsten Fragen entgegen. Okay, daher stammte also der Anruf von Emelys Eltern. Ich hatte mich schon gewundert, denn normalerweise machten sie sich nicht so schnell Sorgen und fanden es nicht schlimm, wenn Emely später nach Hause kam. Es zeigte auch, dass meine Mutter sich wirklich Sorgen gemacht hatte, denn sie rief nie schnell woanders an, um zu fragen, wo ich war. Kurz überlegte ich zu lügen und zu sagen, dass ich bei Sarah Connor war, damit sie sich nicht noch mehr aufregte, entschied mich dann aber dagegen. „Wir waren bei Silbermond und wollten nicht, dass du es verbietest", bringe ich kleinlaut hervor. „Ihr wart wo?", fragte sie mich entgeistert. „Das erklärt natürlich einiges. Ich dachte, du weißt, dass ich das nicht gut heiße. Und trotzdem hast du mich und Emelys Eltern angelogen, um dich abends zu diesem Konzert wegschleichen zu können. Das hat Konsequenzen, Malea. Du gehst die nächsten Wochenenden nicht mehr mit Emely raus", auffordernd streckte sie mir ihre offene Hand hin. „Und von deinem Handy und deinem Laptop kannst du dich für die nächste Zeit auch verabschieden." Ich blickte sie verblüfft an. Hausarrest und Handyverbot hatte ich noch nie. „Wird's bald?", fragte sie noch einmal und ich holte langsam mein Handy aus der Tasche und gab es ihr. Dann ging ich wie in Trance in mein Zimmer, während sie mir folgte und dann meinen Laptop von meinem Schreibtisch nahm. „Gute Nacht", keifte sie und schlug ihre Schlafzimmertür hinter sich zu. Ich stand ein paar Minuten reglos in meinem Zimmer. Hatte sie das gerade wirklich gemacht? An der Band war nichts falsch, also was war ihr Problem? Ich musste es herausfinden. Mit diesem Entschluss machte ich mich fertig und ging schlafen.

DU LIEST GERADE
Legosteinturmselten
FanfictionMalea liebt die Band Silbermond über alles. Doch ihre Mutter will nichts von der Band wissen. Warum nur? Nach und nach kommt Malea dem Geheimnis auf die Spur.