„Tschüss Malea, bis heute Nachmittag!", verabschiedete sich meine Mutter am Montagmorgen. Sie musste immer etwas früher los als ich. „Tschüss Mama", wir umarmten uns noch, bevor ich die Haustür hinter ihr schloss. Ein paar Minuten wartete ich noch, um sicherzugehen, dass sie wirklich weg war, dann ging ich in mein Zimmer und packte die Kamera in meinen Rucksack. Ich wollte die Fotos heute unbedingt mit Emily besprechen. Danach machte ich mich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle.
Heute war ich mal die Erste, doch Emely kam gleich nach mir. „Ich muss dir unbedingt was erzählen! Ich habe was gefunden, was uns weiterhelfen könnte", begrüße ich sie. „Jetzt mal langsam. Was hast du entdeckt?" Doch bevor wir in Ruhe reden konnten, kam auch schon die Bahn. Sie ist mal wieder so voll, dass man sein eigenes Wort kaum versteht. Aus diesem Grund erzähle ich ihr schnell die Kurzfassung, als wir in der Schule angekommen sind. „Mama war Samstag wie immer beim Segeln und ich war alleine, das weißt du ja. Und als ich mit dem Saugen der Wohnung fertig war, wollte ich mir Fotos anschauen, weil ich das schon lange nicht mehr gemacht hatte. Und da bin ich auf ein ganz kleines Album oder eher Notizbuch, wie auch immer man es nennen möchte, mit Fotos gestoßen. Vorne auf dem Album stand... Warte ich kann dir Fotos zeigen." „Aber das macht ihr nach dem Unterricht", unterbricht Frau Nagel, unsere Mathe Lehrerin uns. Wir waren so vertieft in das Gespräch gewesen, dass wir nicht mitbekommen hatten, wie der Unterricht schon begonnen hatte. Also mussten wir erstmal zwei Stunden Mathe über uns ergehen lassen, ehe wir endlich Pause hatten. Schnell nahm ich mir die Kamera, bevor wir auf den Schulhof gingen. Wir hatten uns eine ruhige Ecke gesucht und sehen uns wortlos die Fotos an. „Das ist ja krass. Sie muss es sein, denn an solche Zufälle glaube ich nicht." Emely hatte parallel ein Kindheitsbild von Stefanie gesucht und es sah dem Mädchen auf den Fotos eins zu eins gleich. Das war so unglaublich, ich wusste gar nicht, was ich sagen soll. Was hatte das zu bedeuten? Wie sollte ich mehr Infos bekommen? In meinem Kopf taten sich immer mehr Fragen auf, auf die es keine Antworten gab. „Wir müssen einen Plan machen, wie du deine Mutter zur Rede stellen kannst, denn wenn wir den Vieren eine Nachricht schreiben und all das erzählen, was wir herausgefunden haben, glaube ich kaum, dass sie antworten. Aber wir sollten es trotzdem versuchen." Emely war von uns beiden schon immer diejenige, die logisch dachte und versucht, einen Plan zu machen. „Wann kommt deine Mutter heute nach Hause?"
„Ungefähr 16.30 Uhr, denke ich", fragend schaue ich Emely an, warum das wichtig sein sollte.
„Perfekt! Wir haben 14 Uhr Schluss, dann komme ich mit zu dir und mache mir Fotos von dem Album. Die E-Mail kann ich dann in Ruhe Zuhause verfassen, das ist glaubwürdiger, als wenn wir über Instagram schreiben. Und bevor deine Mutter kommt, bin ich auch schon weg", berichtet sie mir von ihrem Plan. Ich stimmte zu. So ließen wir den restlichen Unterricht über uns ergehen und gingen dann zusammen zu mir. Wir hatten keine Zeit zu verlieren, also suchte ich sofort das kleine Album aus der hinteren Ecke des Schrankes. Die nächsten Minuten herrschte Stille. Wir saßen auf dem Boden und blätterten die Seiten durch, während Emely alle ganz genau mit ihrem Handy fotografierte. „Wow, das ist echt unglaublich", sagt sie staunend, als wir am Ende waren. Ich nickte zustimmend. Wir beschlossen die Woche Infos zu sammeln. Emely wollte die E-Mail schreiben und ich sollte schauen, ob meine Mutter nicht zufällig irgendwas erwähnte. Direktes Fragen war aber tabu, da wir nicht wollten, dass sie Verdacht schöpfte. Und am Freitag sollte es dann soweit sein, dass ich meiner Mutter alle Infos offenlegte und sie zur Rede stellte. Als am Abend „Verletzen" im Radio lief, hatte ich die Hoffnung, dass Mama etwas sagt. Absichtlich schaute ich sie fragend an, als sie den Sender wechselte. Doch Fehlanzeige - sie ignorierte meinen Blick gekonnt und fragte weiter, wie es in der Schule war.
Die Woche verging schnell. Immer in den Pausen planten wir für Freitag und schauten, ob schon eine Email gekommen war. Als wir am Mittwoch noch keine Nachricht hatten, entschieden wir uns spontan, noch eine Instagram Nachricht zu schreiben. Es konnte ja nicht schaden.
Am Freitag bereiteten wir noch die letzten Details vor, nachdem der Unterricht zuende war. Dann verabschiedeten wir uns und ich versprach zu schreiben, was ich herausgefunden habe und wie es gelaufen war, denn in der Woche hatte ich mein Handy zurück bekommen.
Wie jeden Freitag war ich dran das Abendbrot vorzubereiten, das bedeutete, dass ich die Küche für mich alleine hatte. Ich machte Nudelauflauf und während dieser im Ofen war, konnte ich ganz in Ruhe die Sachen aus meinem Zimmer holen. Das kleine Album hatte ich schon in der Woche mit hoch in meine Zimmer genommen, sodass ich nicht mehr ins Wohnzimmer musste, wo meine Mutter saß und Fernsehen schaute. Auf meinem Handy bereitete ich die Fotos so vor, dass sie gleich offen waren. Beides legte ich unter meinem Pulli, der auf einem Stuhl lag, um es nach dem Essen griffbereit zu haben. Die restliche Zeit, solange der Auflauf im Ofen war, ging ich zu Mama ins Wohnzimmer. Wir gingen in die Küche, als der Ofen piepste und somit verkündete, dass der Auflauf fertig war. Wir sprachen über die Woche und über die Pläne am Wochenende. „Mama, kann ich dir noch was zeigen?", frage ich gerade rechtzeitig, bevor sie aufstehen wollte. „Klar!", antwortete sie nichtsahnend und blieb sitzen. Vorsichtig hole ich das Buch und mein Handy unter dem Pulli hervor und lege es auf den Tisch. „Ich weiß, du willst da nicht darüber reden, aber ich habe die Fotos zufällig gefunden und ich bin der Meinung, dass ich so langsam mal die Wahrheit erfahren sollte." Vorsichtig beendete ich meinen Monolog und schaute sie erwartungsvoll an.
Ich hatte mit allem gerechnet: dass sie sauer wird und mich anschreit, dass sie mir die Sachen wegnimmt oder enttäuscht ist und geht - aber nicht mit dem, was wirklich eintritt. Sie sagt keinen Ton, sie sitzt vor mir und weint.
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Legosteinturmselten
FanfictionMalea liebt die Band Silbermond über alles. Doch ihre Mutter will nichts von der Band wissen. Warum nur? Nach und nach kommt Malea dem Geheimnis auf die Spur.