Frühstück

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"Man weiß bei denen nie, was kommt. Was soll das denn bitte für eine Aussage sein?", murmele ich vor mich hin. Wahrscheinlich ist es negativ gemeint. Julius sitzt immer noch mit grimmigem Gesichtsausdruck da. Es tut mir ja leid, dass er so früh aufstehen musste, aber was hätte ich tun sollen? Nicht schlafen? Na gut, das wäre vielleicht sinnvoller gewesen, wenn man entführt wird.

Aber warum bin ich überhaupt so ruhig? Sollte ich nicht fliehen wollen oder um Hilfe schreien? Nö, nicht ich. Ich, Mari Kastro, mache eigentlich gar nichts. Ich frühstücke friedlich mit meinen Entführern. Mit mir stimmt doch was nicht.

Warum haben sie mich überhaupt entführt? Und warum sieht Finn so schuldbewusst aus? Es war doch von Anfang an sein Plan, oder nicht?

Finn seufzt und wendet sich an Melcon: „Melcon?"

Melcon hebt den Blick von seinem Teller. „Ja?"

„Ist es in Ordnung, wenn Mari und ich den Tag zusammen verbringen? Damit sie den Schock verarbeitet? Und außerdem gibt es in den Kerkern keine medizinische Versorgung", fügt er leise hinzu.

„Nein. Du hast zu tun", entgegnet Melcon schneidend.

„Ach, wirklich? Ich glaube nicht. Wir hatten doch besprochen, dass es das letzte Mal war."

Melcon zuckt nur mit den Schultern. „Finn, du gehst heute mit Ren."

Finn knurrt. Melcon steht abrupt auf und knurrt zurück. Die beiden stehen sich gegenüber, knurren sich aggressiv an, als würden sie jeden Moment übereinander herfallen. Es fühlt sich an, als würde die Spannung ewig anhalten, bis Finn plötzlich anfängt zu wimmern und auf die Knie sinkt.

Er liegt schwach und keuchend auf dem Boden, und ich spüre den Impuls, ihm zu helfen. Doch bevor ich aufstehen kann, ist er schon von Ren und Julius gepackt. Sie schleppen ihn hinaus, und ich meine, Julius noch murmeln zu hören: „Dummkopf."

Melcon wendet sich mir zu und sieht mir direkt in die Augen. „So, jetzt werden wir beide uns mal unterhalten."

Ich schlucke schwer.

Melcon lässt sich wieder auf seinen Stuhl sinken, aber seine Augen bleiben auf mir. Sie haben etwas Beunruhigendes, etwas Unbarmherziges, und ich spüre, wie sich meine Kehle zuschnürt. Er mustert mich eine Weile, als würde er auf eine Reaktion warten, doch ich bleibe stumm. Was sollte ich auch sagen? Schließlich bin ich diejenige, die hier einfach sitzt und... frühstückt. Mit meinen Entführern.

„Was hast du dir eigentlich gedacht, als du Finns Verrat gehört hast?" Seine Stimme ist ruhig, fast sanft, aber das macht es nur noch unheimlicher.

Ich starre ihn an. „Was? Ich weiß nicht. Eigentlich geht es dich auch nicht an." Das war zu aggressiv oder?
Melcon zuckt mit den Schultern „hättest ihn ja nicht Vertrauen müssen"
Was will er damit sagen? Dass ich selbst schuld bin, hier zu sitzen? Dass es meine Entscheidung war, mich von Finn entführen zu lassen? Ich schüttle den Kopf, unsicher, wie ich darauf reagieren soll.

„Und jetzt?" frage ich schließlich, meine Stimme brüchiger, als ich es mir eingestehen will. „Was passiert jetzt?"

Ein Lächeln huscht über Melcons Gesicht, kalt und distanziert. „Jetzt? Jetzt wirst du mir bei einer Kleinigkeit helfen"

Ich und begabt, schlimmer kann es ja nicht mehr werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt