Licht?

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Ich schlief unruhig, aber ohne Träume. Als ich aufwachte, ging mir nur eine Zeile durch den Kopf: Das Ende naht, wenn der Anfang beginnt. Ein Satz, der wirklich viel Sinn macht. Ich schaute mich um. Mal sehen, ob ich hier rauskomme. Natürlich nicht. Die Tür war abgeschlossen und das Fenster ebenfalls. Seufzend ließ ich mich zurück auf das Bett fallen. Mein Magen knurrte.

Mit mir stimmt was nicht. Ich war bei Feinden eingeschlossen und hatte dennoch weder Angst noch Furcht, nichts. Das Einzige, was ich spürte, war Hunger und eine gewisse Nervosität. Ich horchte in mich hinein. Da war wirklich nichts. Nicht einmal ein Anflug von Furcht. Bedroht fühlte ich mich auch nicht.

Es klopfte an der Tür. „Herein", sagte ich automatisch, was in meiner Situation keinen Sinn machte, da ich ja eingesperrt war.

„Guten Morgen, wie geht's dir?" Finn kam herein, schloss schnell die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel wieder im Schloss um. Ich musterte ihn misstrauisch.

„Sorry, Melcon will nicht, dass ich zu dir komme, aber mir ist langweilig und ich darf nicht raus."

„Warum darfst du nicht raus? Du bist ja nicht eingesperrt", fragte ich verwundert.

Finn seufzte schwer. „Weil ich angeblich dich, Luna, Lisa und Ben entführt habe. Also darf ich nicht raus. Meine Tarnung darf nicht auffliegen."

Das macht Sinn, dachte ich. Der Plan war seltsam, das musste man nicht extra erwähnen.

„Es ist nicht mein Plan", sagte Finn, als ob er meine Gedanken gelesen hätte.

„Auch ein Gedankenleser?" Finn verdrehte die Augen.

„Nein, es ist einfach offensichtlich. Ich vermute, der Planer war entweder betrunken oder auf Drogen. Anders kann man sich so etwas nicht ausdenken."

Ich schmunzelte. „Warum machst du überhaupt mit, wenn du so wenig von dem Plan hältst?"

Er seufzte erneut. „Familiäre Verpflichtung. Aber bitte, lass uns über etwas anderes reden. Wie war dein Tag?" Das war zu absurd, und ich lachte.

Finn sah verlegen aus und hatte sich inzwischen auf den Boden gesetzt. Er schaute immer wieder nervös zur Tür. Warum macht er das? Aber mit ihm zu reden tat gut. Langsam bekam ich mehr Hunger. Die Sonne stand hoch am Himmel, es musste also Mittag sein. Finn wurde mit der Zeit immer ruhiger und gelassener. Er hatte sich so hingesetzt, dass er jederzeit unter das Bett flüchten konnte. Er dürfte definitiv nicht hier sein.

Die Tür öffnete sich langsam, und Finn rutschte blitzschnell unter das Bett. Er ist auch nicht ganz normal. „Guten Mittag", sagte Melcon, als er hereinkam. Er trug ein Tablett mit Essen.

Essen, endlich! „Hoffe, du hast Hunger", sagte er und setzte sich neben mich aufs Bett – etwas zu nah für meinen Geschmack. Er reichte mir das Tablett und schaute mich weiter an, als ob er versuchte, etwas herauszufinden. Ich aß langsam, doch sein ständiges Starren machte mich nervös.

„Willst du nicht essen?", fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe schon gegessen."

Gesprächsthemen, bitte. „Also, ihr habt hier schönes Wetter", versuchte ich.

Er lächelte. Süß, mit diesen Grübchen. Falscher Gedanke, ganz falsch. Er kicherte. So witzig sind meine Gedanken nun auch wieder nicht.

„Na ja, das ist Ansichtssache", meinte er. Ich zog gespielt böse die Augenbrauen zusammen.

„Wie geht es deinem Arm? Tut noch was weh?" Er schaute besorgt auf meinen Arm. Ich hatte es schon wieder komplett vergessen. Der Verband war rot durchtränkt, aber ich spürte keinen Schmerz.

Melcon seufzte und begann, den Verband abzuwickeln. Die Wunde sah schlimm aus, definitiv nicht verheilt. Ich schaute weg, das konnte ich nicht ansehen. Melcon legte seine Hand auf die Wunde.

„Was soll das?!!", fragte ich erschrocken, als er auf die Wunde drückte.

„Halt still", sagte er ernst. Plötzlich sah ich aus seiner Richtung ein warmes, grünliches Licht. Der Schmerz ließ nach und beruhigte sich allmählich. Melcon atmete schwer, und als er seine Hand von meinem Arm nahm, war die Wunde fast komplett verheilt. Ich starrte darauf, wo eben noch ein großer Schnitt gewesen war.

„Danke, aber wie hast du das gemacht?", fragte ich ungläubig.

Er schaute nach oben, seine Hand war mit Blut verschmiert. „Ich habe mein Licht umgewandelt."

Ach klar, verstehe ich total... „Nochmal für Doofe, bitte", sagte ich skeptisch.

Er streckte seine Hand aus, und plötzlich bildete sich darin eine Kugel aus Dunkelheit. Oder war es Dunkelheit? Es sah mehr aus wie ein dunkles, lilafarbenes Licht, das sich wellenförmig von der Kugel ausbreitete. Fasziniert streckte ich die Hand aus, um die Kugel zu berühren.

„Zieh deine Handschuhe aus", sagte Melcon leise.

Meine Hand zuckte zurück. „Vertrau mir", fügte er hinzu. Ohne nachzudenken zog ich die Handschuhe aus und berührte die Kugel. Es fühlte sich an, als würde man in pure Trauer greifen, doch darin war auch eine winzige Hoffnung. Wieso fühlte ich mich plötzlich so zerrissen und traurig?

Melcon zog meine Hand sanft zurück. Er konzentrierte sich auf die Kugel, und langsam veränderte sie sich. Das Lila wich einem grünlichen Licht, das Glück und Zufriedenheit ausstrahlte. „Verstehst du jetzt, was ich mit Umwandeln meine?", fragte er lächelnd.

„Ich glaube schon. Du wandelst das Licht nach deinen Gefühlen um, oder?", fragte ich.

„Nicht nur ich. Alle Sytane", erklärte er.

„Warum haben dann alle das gleiche Licht?", fragte ich neugierig.

„Das lilafarbene Licht ist für diejenigen, die trauern und kaum Hoffnung in sich tragen", sagte er nachdenklich. „Nach dem Vorfall vor hundert Jahren und dem Tod so vieler kennen die meisten von uns gar nichts anderes mehr. Es ist auch praktisch, um sich zu verstecken."

„Ach so, und Licht kann alle Farben annehmen?"

„Ja, irgendwie schon. Wir können es sogar kombinieren, wenn unsere Gefühle es zulassen."

Was sind Sytane eigentlich? „Was seid ihr eigentlich?", fragte ich neugierig.

Er lächelte. „Das wäre jetzt zu kompliziert. Ich wollte eigentlich über etwas anderes mit dir reden..."

Ich und begabt, schlimmer kann es ja nicht mehr werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt