Kapitel 6

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Der Tag verläuft Ereignislos. Ein paar mal sehe ich Clarke auf dem Gang oder in der Mensa. Wachsam beobachtet sie alles um sich herum und ist aber dabei keines falls auffällig. Ich jedoch bemerke es, weil ich sie beobachte. Die Art wie sie sich bewegt. Als wäre sie sich ihres Körpers in Gänze bewusst. Geschmeidig. Da gibt es keine ungeschickten Bewegungen sondern nur bedachte Präzision.
Ein Mädchen stellt sich direkt vor mich. Alexandra. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. Eigentlich mag ich sie ja. Ich bin nur gerade im Kopf ganz woanders. „Hey." begrüsst sie Lilith, die Lässig eine Hand hebt und mich. Sie beugt sich zu mir herunter und ich nehme den süßen Geruch ihres Blutes war, welches unter ihrer weißen Haut fließt. „Hast du Hunger?" fragt sie herausfordernd. Wie aufs Stichwort spüre ich den Bekannten Druck an meinem Zahnfleisch. Ich nicke nur und stehe ruckartig auf. „Wir sehen uns später." sage ich und Lilith verdreht gespielt genervt die Augen. „Viel Spaß." trällert sie. Ich folge Alexandra aus der Mensa, nehme jedoch überdeutlich Clarkes brennenden Blick auf mir wahr. Wir verziehen uns ins hinterste Eck der Schule. Hier in Lagerraum der Sporthalle liegen viele alte Matten, die wir in den letzten Monaten immer mal wieder benutzten. Wir stürzen uns wie hungrige Tiere aufeinander. Ich spüre ein tiefes Knurren in meiner Kehle aufsteigen und meine Zähne bohren sich schmerzhaft durch mein Zahnfleisch. Ungeduldig reiße ich Alexandra die Klamotten vom Leib. Ich bewundere die makellose weiße Haut, ehe ich quälend langsam mit meinen Zähnen darüber fahre. Ich bin sehr drauf bedacht nur an stellen zu beißen, die niemand sieht. Am Hals hat es zwar was, ist aber auch sehr auffällig. Deshalb entscheide ich mich erneut für ihren Schenkel. Die anderen Bissspuren sind fast verschwunden, also sollte es kein Problem sein.
Meine Zähne bohren sich durch ihre Hautschicht. Sie stöhnt und wölbt ihren Rücken. Ich muss ihr den Mund zu halten, dass niemand auf uns aufmerksam wird. Ihr Blut rauscht durch meine Venen und gierig trinke ich von ihr. Ich bin schon ein wenig über mein normales Pensum hinaus und merke wie mein Sichtfeld langsam rot verschwimmt. Shit. Ich muss aufhören, bevor ich in einen totalen Blutrausch falle. Aus irgendeinem Grund kann ich aber nicht aufhören. Ihr Herzschlag, der rotes Blut durch ihren Körper pumpt, das pulsieren der Arterien, der metallische, süße Geschmack. Mein Biss wird fester und Alexandra schreit auf. Diesmal aber nicht vor Lust, sondern vor Schmerz. Noch mehr Blut explodiert in meinem Mund und ich bin meinem Trieb verfallen. „Lexa Stopp." flüstert sie. Ihr Gesicht ist schon gefährlich blass. Meine Sicht ist rot und meine Augen komplett schwarz mit geröteten Bindehäuten. Wie immer wenn wir Vampire in einen Rausch fallen. „Lexa...du.. du tust mir...." Ihre schwache Stimme dringt durch den Nebel. Mit aller Willenskraft, die ich aufbringen kann höre ich auf. Alexandra ist nah an der Bewusstlosigkeit. Ich stolpere zurück und versuche wieder klar zu sehen. Ihr Herzschlag ist langsamer als vorher. Ganz langsam kehre ich zurück in das hier uns jetzt. Mein Rausch ebbt ab und zurück bleibt unendliche Schuld. Was hab ich getan? Ich will mich neben Alexandra knien, um ihr zu helfen, aber sie weicht zurück. „Bleib weg von mir." spuckt sie mir mit letzter Kraft entgegen. Sie kriecht zu ihrer Hose und zieht sie unter enormer Anstrengung an. Sie ist sehr wackelig auf den Beinen. „Warte lass mich dir helfen." sage ich aber sie schlägt meine Hand weg. „Wag es nicht mich anzufassen. Du bist ein Monster!" ihre Stimme zittert und sie sieht aus als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen. Ich taumle zurück, als hätte sie mich geschlagen. Vielleicht wäre mir das lieber gewesen. Weil Worte manchmal mehr wehtun und nie ihr Ziel verfehlen. Mir wird schlecht und ich verlasse fluchtartig die Schule. „Du bist ein Monster." spielt mein Kopf immer und wieder ab. Bin ich wirklich ein Monster? Meine Augen brennen verräterisch. Ich renne ohne Pause, da mir ja eh nicht die Luft ausgehen kann. Endlich komme ich bei meinem Lieblingsort an. „Monster." das Wort klebt an mir wie die Schuld. Viel hätte nicht mehr gefehlt dann wäre Alexandra tot gewesen. Ich habe gespürt wie ihr Herz langsamer geworden ist. Ich drücke die Handballen gegen meine Augen. Wieso habe ich kein Herz aber fühle trotzdem so viel. Alles wäre leichter, wenn ich mehr wie mein Vater wäre. Vampire haben die Fähigkeit ihre Gefühle komplett auszulöschen. Mein Vater tat es als er meine Mutter verlor. Das ist 18 Jahre her und nur deshalb ist er so ein guter Anführer. Da gibt es keine Gefühle, die ihn beeinflussen oder Skrupel. Er sorgt für mich. Aber seine Sorge ist eher rational. Weil ich seine Nachfolgerin bin. Würde ich ihm im Weg stehen, oder nicht genug in seinen Augen sein, könnte er mich ohne gefühlsmäßige Barriere umbringen. Die Gefühle zu löschen ist leicht, aber sie wieder lebendig zu machen, beinahe unmöglich. Die Fähigkeit hat sich ganz am Anfang bei den ersten Vampiren entwickelt, da diese noch starke Hemmungen hatten, Blut zu trinken und über die Jahre wurde diese Fähigkeit weiter gegeben. Es wäre so leicht für mich. Ein Knopfdruck und ich würde keine Schuld mehr spüren. Keinen Druck mehr meinem Vater gerecht werden zu müssen. Ich könnte tun und lassen, was immer ich will ohne gefühlsmäßige Konsequenzen.
Aber lässt sich dadurch auch der Kopf ausschalten?

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