2| Wie Essen und ein Bonbon meinen Tag verändern

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Das mit dem saftigen Essen ist dann doch ziemlich kläglich ausgefallen. Nämlich auf eine winzige Portion Pommes, denn Liz hat ihren Geldbeutel im Hotel gelassen. Also haben wir kurzerhand unser Kleingeld aus Hosentaschen und Socken gekramt und daraus eine mickriges Tütchen mit fettigen Kartoffelstreifen finanziert. 

Die Traumvorstellung mal so eben um die Ecke einen Fressladen zu finden, hat sich auch als verdammter Irrtum herausgestellt, nach zwanzig Minuten Fußmarsch hat Liz nämlich einen Wutausbruch und ich einen Kreislaufkolaps bekommen. 

Mit einer Todesmiene marschieren wir auf die Warteschlange zu in der Jana und Mine irgendwo untergegangen sind und drängeln uns ganz ehrenhaft durch. Liz's Schlag-sie-tritt-sie-Taktik stellt sich eben doch als verlässlich heraus, zumindest schaffen wir es bis zu unseren Freundinnen nach vorne. Die stehen nämlich inzwischen kurz vorm Ziel, die Handys schonmal parat. ,,Na endlich, ich dachte wir müssen wegen euch eine Absperrung holen lassen'', mault Mine und sieht genervt zu dem jungen Paar vor uns, dass gerade eine Instagramstory aufzunehmen scheint. ,,Wieso ne Absperrung, ich fände nen Polizeieinsatz besser'', brummt Liz und seufzt auf. 

Irgendwie glaube ich, dass ihr Ego ist demoliert, Geld vergessen ist so eine Art Hirntrauma für sie. Sie wirft einen Blick über Jana's Schulter und versucht ihren Mittelfinger in die Kamera der Menschies vor uns zu strecken. Funktioniert leider gut, am Ende kriegt Gollum noch eine Anzeige. Die blonde Trullertante scheint etwas aus dem Konzept gebracht, grinst jedoch immer noch wie eine fresher Piranha und labert irgendetwas von ,,Link in der Beschreibung''. Liz seufzt frustrierter den je und drängelt sich an Jana und Mine vorbei auf das Paar zu.

 ,,Sorry, können sie ihren Kim-Kardeshian-Arsch mal bitte zur Seite schwingen, wir haben noch einen Besuch im Krankenhaus auf dem Plan, da wär ne Zeitverzögerung nicht so geil''. Die Blondine sieht perplex zu ihrem Freund und wieder zu Liz, bevor sie ohne ein weiteres Wort mit ihrem Kameramann abdackelt. Motiviert beginnt Mine uns in eine seltsam verdrehte Position zu bringen und ballert uns kurz darauf ihr Handy um die Ohren. 

Nach drei Jahren stehen, knien, sitzen und Handstand-machen sind wir mit den Nerven in Afrika und unsere Freundin fertig. ,,Wand'', meint Liz, zu mehr ist ihr Hirn auch nicht mehr nützlich und lotst uns mit rudernden Armen über den Bahnsteig. Sie sieht ein wenig aus wie ein Storch, nur eben in Miniaturform. Tatsächlich ist irgendwie kein Schwein auf die Idee gekommen Fotos vor der ,echten' Wand zu machen, denn im Gegensatz zu dem Fake-Gleis ist hier mal sowas von nichts los. 

Liz sieht die Wand begeistert an, ungefähr so, wie sie unsere Deutschlehrerin anglotzt, wenn die mal wieder mit Grammatik loslegt. ,,Ich hab so Bock dagegen zu rennen'', murmelt sie andächtig und legt ihre Hand auf die Steinwand. ,,Zuckerentzug'', meine ich auf Jana's verstörten Blick. ,,Okay, wie machen wir das jetzt? So mit Anlauf oder nur dagegen lehnen?'', fragt Mine und rückt ihre Armkettchen zurecht. Liz sieht sie verständnislos an und geht dann ein paar Schritte zurück. ,,Wir rennen und wir springen'', bestimmt sie entschlossen. Jana sieht mich verzweifelt an und irgendwie bin ich mir sicher, dass sie sich um den Betonschädel von Gollum sorgen macht. ,,Wir müssen das verhindern'', zischt sie mir zu und wirft Liz einen verstörten Blick zu. ,,Seh ich genauso. Außerdem brauch ich sie noch für die Deutschabschlussprüfung'', flüstere ich zurück. 

Jana stößt entnervt die Luft aus. 

Gut, vielleicht klang das egoistisch, aber Liz ist der beste menschliche Spickzettel den ich je gekannt habe. Während Mine einem mit Zeichensprache Algebra beizubringen versucht, hat Liz eine eigene Sprache für Lösungen entwickelt und da sie und unsere Lehrerin beste Freunde auf ewig sind, wird sie beim Flüstern meistens eiskalt ignoriert. Wenn Ulla aus der letzten Reihe niest, kriegt die allerdings einen tödlichen Blick und aggressiv wackelnde Augenbrauen entgegengeworfen. Also im übertragenen Sinne. Nicht, dass man denkt in unserem Klassenzimmer wird mit Augenbrauen geworfen. 

Wie wir uns im Universum verloren|RumtreiberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt