4. Kapitel

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„Wo ist mein Sohn?" Lalwen sah Thranduil, der ihr gegenüber stand, nicht an. „Ich weiß es nicht." „Das glaube ich dir nicht. Ich glaube nicht, dass er gegangen ist, ohne dir etwas zu sagen." „Kein Wort hat er gesagt. Die letzten Tage habe ich geheult wie sonst in einem Jahr nicht. Wenn er mich wirklich lieben würde, hätte er mir gesagt, dass er geht, und mich nicht einfach sitzen lassen. Wahrscheinlich hat er jetzt schon eine Andere, irgendwo da draußen, vielleicht nicht mal eine Elbin. Vielleicht war ich nur ein Zeitvertreib." „Nein Lalwen, das glaube ich nicht. Legolas ist nicht so, wie du jetzt denkst. Vor dir gab es keine Frau in seinem Leben, glaubst du, da lässt er dich einfach so abblitzen, nach ein paar Tagen? Außerdem, Lalwen, hatte er einen Grund, warum er gegangen ist, und wenn man diesen Grund bedenkt, ist es wirklich sehr unwahrscheinlich, dass er etwas mit irgendwelchen Frauen anfängt. Was glaubst du, wo ist er?" „Wo geht er hin, wenn er jemanden zum Reden braucht?" „Aragorn!"

„Legolas?" Aragorn stand an den Türrahmen gelehnt und sah seinen Freund an. Legolas blickte erstaunt auf, er hatte nicht erwartet, ihn so früh zu sehen. Der Mensch ging langsam auf ihn zu und setzte sich neben ihn. „Legolas ... ich kann wirklich verstehen, wenn du auf keinen Fall zurück willst ... aber weißt du, ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, das Problem zu lösen. Du musst mit deinem Vater sprechen. Du musst vor allem mit Lalwen sprechen. Hast du ihr überhaupt gesagt, dass du gehst?" „Nein ... ich habe es niemandem gesagt, ich bin einfach gegangen." „Ich glaube, sie machen sich Sorgen. Lalwen und dein Vater. Sie wissen nicht, wo du bist." „Vielleicht tun sie das. Aber ich will nicht zurück, Aragorn." Aragorn sah nachdenklich aus dem Fenster. „Und wenn ich mitkomme?", fragte er schließlich. Legolas sah seinen besten Freund lächelnd an. „Dann schon eher. Aber ... ich will trotzdem nicht sofort zurück nach Hause. Lass mir ein bisschen Zeit, ein paar Tage hier." „Natürlich. Ich denke, das wird kein Problem sein. Nur ... was willst du Elrond sagen? Er wird wissen wollen, warum du hier bist. Mit meiner Erklärung, du hättest Probleme zuhause, war er nicht zufrieden." „Da wird mir schon etwas einfallen ... wirst du Arwen sagen, warum du mit mir kommst?" „Wenn es für dich in Ordnung ist ... Weißt du, ich halte nicht gerne Dinge vor ihr geheim, es ist recht unangenehm, wenn sie letztendlich alles selbst herausfindet." „Was erwartest du? Sie ist eine Elbin."

Legolas blieb also ein paar Tage in Bruchtal. Elrond stellte er mit der Erklärung zufrieden, er brauchte Aragorns Rat in einer Angelegenheit, bei der sich der Mensch weitaus besser auskannte. Elrond blickte den blonden Elben skeptisch an, sagte aber weiter nichts. Legolas hatte den Eindruck, der Herrscher über Bruchtal mochte Aragorn mit jedem Tag weniger. Am fünften Tag nach dem Gespräch mit Elrond traf ein Bote Thranduils in Bruchtal ein. Der König des Düsterwaldes wünschte zu erfahren, ob sein Sohn Legolas sich in Bruchtal aufhielt. Wenn ja, solle ihm ausgerichtet werden, er müsse zwar nicht zurückkommen, doch es würde von mehreren Personen im Düsterwald sehr bevorzugt werden. Aragorn sah Legolas mit einem Blick an, der ‚hab-ichs-dir-nicht-gesagt?' zu bedeuten schien. Legolas streckte ihm dafür, als niemand von den anderen hinsah, die Zunge heraus. Schließlich schickte sich das nicht für einen Elben. Erst recht nicht für einen Elbenprinzen.

Zwei Tage darauf beschlossen Legolas und Aragorn, endlich aufzubrechen. Sie sattelten ihre Pferde, sahen zu, dass sie genügen Vorrat einpackten und ritten los. Arwen hatte sich lauthals darüber aufgeregt, dass Aragorn mit in den Düsterwald ritt. Genau gesagt drückte sie es mit den Worten „Legolas pfeift und du springst" aus. Elrond nahm lächelnd zur Kenntnis, dass seine Tochter wütend auf ihren Freund war und dieser nun für längere Zeit abwesend sein würde. Man könnte glatt denken, Elrond war recht froh über diese Tatsache.

„Vielleicht hättest du doch lieber in Bruchtal bleiben sollen.", brach Legolas das nun schon seit Stunden andauernde Schweigen, während sie nebeneinander her ritten. „Warum das?" „Naja, Arwen war ziemlich aufgebracht..." „Kein Grund zur Sorge, Legolas, das ist sie oft. Schon fast regelmäßig. Sie flippt schon vollkommen aus, wenn ich mal eine Nacht weg bin. Sogar dann, wenn sie es vorher wusste. Das ist ihr großer Fehler. Sie vertraut mir nicht. Das ist das Problem. Denkt ständig, ich würde sie betrügen. Warum sollte ich? Das wäre doch genau das, was Elrond will." „Elrond mag dich nicht besonders, oder?" „Er will mich loswerden, Legolas. Ich glaube, es ist gar nicht so, dass er mich nicht mag ... ich denke, er will nur nicht, dass seine Tochter ihr unsterbliches Leben an einen Menschen verschwendet. Und ich kann ihn verstehen. Nur, wie er es zeigt ist einfach verletzend." „Wie hältst du das nur aus?" Legolas zog sich die Kapuze seines Elbenmantels über den Kopf. Der Wind wurde stärker. „Wie ich das aushalte? Ich weiß es nicht. Nicht mehr lange jedenfalls. Ich habe schon öfter mit dem Gedanken gespielt, einfach zu gehen. Sie sitzen zu lassen mit ihrem ewigen Misstrauen. Aber ... wahrscheinlich würde ich Elrond damit sogar eine Freude machen. Arwen würde mich auf ewig hassen ... vielleicht sollte ich ihr ihre Vermutungen bestätigen ... dann hätte ich auch etwas davon ..." Grinsend sah er Legolas an. Als er dessen zweifelnden Blick bemerkte, sagte er: „Auch wenn sich das seltsam anhört, Legolas, so wird es enden. Wenn sie und Elrond so weitermachen, wird das das Ende sein." „Dann wird dich jeder als den Mann kennen, der Elronds Tochter betrogen hat." „Das ist mir egal. Solange du weißt, wie es wirklich dazu kam, ist mir das egal. Solange du dich nicht von mir abwendest ..." Legolas lächelte ihn an. „Das wird niemals geschehen, mellonnin." Aragorn lächelte ebenfalls.

Der Wind verwandelte sich langsam in einen regelrechten Sturm. Dunkle Wolken zogen auf. „Was haben wir wieder ein Glück mit dem Wetter...", meinte Aragorn kopfschüttelnd. „Es sieht nach Gewitter aus." „Ja", sagte Legolas, „wir sollten Unterschlupf suchen. Weißt du, ob in der Nähe eine Stadt ist?" „Nichts", seufzte Aragorn, „hier gibt es absolut nichts." Legolas brachte sein weißes Pferd zum stehen und sah sich aufmerksam um. Sein Blick blieb an ein paar Felsen in der Ferne hängen. „Da. Die Felsen. Da ist eine Art Höhle. Wir müssten es dorthin schaffen, bevor das Gewitter anfängt." „Lang lebe der Sinn der Elben", bemerkte Aragorn lachend. Schnell ritten sie auf die Felsen zu, die Legolas erspäht hatte. Tatsächlich gab es dort eine kleine Höhle, in der sie Unterschlupf fanden. Die Pferde aber mussten draußen bleiben.

I never meant to cheat on you (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt