8. Kapitel

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Die ewige Stille war erdrückend. Keiner der Beiden wollte eine Unterhaltung beginnen, doch jeder hoffte insgeheim, dass der Andere es tat. Und so blieb es still. Irgendwann hielt Legolas es nicht mehr aus und begann leise, nur für sich, zu singen. Natürlich hörte Aragorn das Lied seines Gefährten, doch er versuchte einfach, nicht hinzuhören, was ihm jedoch nicht gelang. Es war Elbisch, und so verstand der Mensch jedes Wort. Der Elb wusste das. Legolas wusste nicht, wie lange er gesungen hatte. Nun, als er sein Lied beendet hatte, wusste er zweifellos, dass sein Freund ihm zugehört hatte. Auch wenn er ihm noch immer den Rücken kehrte. Auch die folgenden drei Tage spielten sich auf diese Art ab. Sie sprachen kein einziges Wort, schwiegen und riskierten nur dann einen Blick zum Anderen, wenn der es sicher nicht bemerkte. Der Elb fragte sich täglich, ob es das überhaupt wert war. Ihm bedeutete die Freundschaft zu Aragorn mehr als alles andere, und der Mensch wusste das. Es war absolut unnötig, dieses Verhalten, das erkannten sie beide. Tag für Tag schwiegen Legolas und Aragorn sich an, und Tag für Tag kam Siara und beobachtete sie nachdenklich. Dann, nach drei Tagen, sprang Legolas endlich über seinen Schatten. Er sah dem Menschen bei seiner Lieblingsbeschäftigung zu, die darin bestand, in diesem kleinen Raum auf und ab zu gehen. Hin und her, den ganzen Tag über. Der Elb befürchtete, Aragorn würde psychische Schäden davontragen. Auf elbische Weise ausgedrückt. Oder eher, er würde durchdrehen und zu absolut nichts mehr zu gebrauchen sein. Er seufzte leise, dann stand er mit der üblichen Leichtigkeit der Elben auf.„Aragorn", sagte er ruhig. Auf der Stelle blieb der Mensch stehen. Doch er zögerte, sich umzudrehen. Hoffnungsvoll fixierte Legolas den Hinterkopf seines besten Freundes. Und tatsächlich drehte Aragorn sich wie in Zeitlupe zu ihm um. Ausdruckslos sahen sie sich an. Dann begann der Elb wieder zu sprechen. „Aragorn... es tut mir Leid."Erstaunt zog der Mensch eine Augenbraue hoch.„Was tut dir Leid? Du hast mir nichts getan, Legolas. Du hast nur gefragt, und es war dein gutes Recht. Ich kann dir nicht verbieten, zu fragen. Ich hätte dir antworten sollen, aber ... Legolas, du hast schon recht, ich denke natürlich mehr über Siara als dass wir ihr vertrauen können, aber das Problem ist, ich weiß selbst nicht genau, was."Diese Aussage versetzte Legolas einen Stich. Er wusste nicht, was... konnte es denn wirklich sein, dass Aragorn sich in dieses Mädchen verliebt hatte, oder bildete er sich das alles nur ein? Wieder stieg die bekannte Eifersucht in ihm auf. Obwohl er nicht wusste, ob sie berechtigt war, und warum er sich eigentlich so aufregte. „Verstehst du, was ich meine?", hörte er Aragorn fragen. Er nickte nur. Dann spürte er die Hand des Menschen auf seiner Schulter. Die dunklen Augen sahen ihn liebevoll an. Ja, liebevoll. Diesen Blick hatte er noch nie zuvor bei ihm gesehen. Die Haut an seiner Schulter kribbelte unter der warmen Hand seines Freundes, die, wenn es nach Legolas gegangen wäre, noch viel länger dort hätte liegen können. Irgendetwas in ihm schrie ‚küss ihn', und sofort erschien eine Stimme in seinem Kopf, die ihm aufzählte, warum es absolut unmoralisch, unverzeihbar und undenkbar wäre, das zu tun. Er hoffte nur, Aragorn hatte diesen Gedankengang nicht bemerkt. Ein tieferer Blick in die schönen braunen Augen sagte ihm, dass er Glück gehabt hatte. Als Siara an diesem Abend kam, wunderte und freute sie sich darüber, die Stimmen der beiden Männer leise sprechen zu hören. Sie saßen nebeneinander an eine der Wände gelehnt und schienen über etwas zu diskutieren. Dass es darum ging, wie sie am schnellsten frei kämen, wusste sie nicht. Und so ahnte sie auch nichts von Aragorns Absicht, als er auf sie zu stürmte. Er klammerte sich an die Gitterstäbe und suchte ihren Blick. Legolas beobachtete, noch immer an der Wand sitzend, das Schauspiel, das sich ihm bot. „So hungrig?", fragte das Mädchen lächelnd. „Das ist es nicht."„Was dann?"„Siara, wir halten es hier unten nicht länger aus. Ich merke schon, wie ich jeden Tag ein Stück verrückter werde, und bei Legolas wird es sicher auch nicht mehr lange dauern. Könntet Ihr, vielleicht, rein theoretisch, könntet Ihr uns hier rausholen?"Sie zog eine Augenbraue hoch, und Legolas bemerkte in Gedanken, dass sie dabei Aragorn gar nicht so unähnlich war. „Rein theoretisch könnte ich das natürlich. Ich werde es aber nicht tun."„Wie kann man euch umstimmen?"Nachdenklich sah sie an ihm vorbei. „Es kommt ganz darauf an, was ich dafür bekomme.", meinte sie dann grinsend. „Unsere Dankbarkeit", war Aragorns erster kläglicher Vorschlag.„Das ist mir zu wenig."Legolas beobachtete ihr Gesicht ganz genau, und er ahnte, wohin dieses Spiel führen würde.„Wir haben sonst nichts, und unsere Pferde geben wir nicht her."„Was ich will, könnt Ihr mir geben."„Was wollt Ihr?"Sie hätte es gar nicht mehr sagen brauchen, Legolas wusste ohnehin schon, was sie damit bezweckt hatte, und spätestens bei diesem Blick musste Aragorn es auch verstanden haben. „Einen Kuss von Euch, Aragorn."Das einzig Interessante für Legolas war nun die Reaktion Aragorns. Einen Moment lang fürchtete er, der Mensch würde sie auf der Stelle, wohlwollend, ohne Widerrede küssen, doch, zu seiner großen Erleichterung, lag er damit falsch. Zuerst schwieg Aragorn, dann machte er einen Schritt zurück.„Nein."„Sicher?"„Ja."Sie reichte das Wasser und das Brot durch die Stäbe, sagte noch: „Überlegt es Euch gut", und ging dann zurück. Aragorn sah ihr perplex nach. Er schüttelte den Kopf, schnappte sich das spärliche Abendessen und kehrte zu Legolas zurück. „Was machen wir jetzt?", fragte Aragorn Legolas und biss gierig in sein Brot. „Uns was anderes überlegen. Ich hab keine Ahnung, wie lange dieser Möchtegernkönig uns noch in seinem staubigen Keller sitzen lässt, aber es könnte lange dauern. Und Siara kann uns auch nicht helfen."„Sie könnte, wenn ich-"„Nein, Aragorn.", wurde der Mensch sofort unterbrochen. Ein bisschen zu energisch vielleicht, aber das fiel nicht weiter auf. „Ich lasse nicht zu, dass du sie küsst, und wenn es um mein Leben ginge."Ein erstaunter Blick von Aragorn. „Warum?"„Weil...", der Elb suchte nach einer unverfänglichen Erklärung, „weil ... weil sie zu jung ist, deshalb. Weil das einen seltsamen Eindruck von dir hinterlässt."„Aha", meinte der Mensch nur lächelnd. Er wusste doch nicht etwa von Legolas' verwirrten Gefühlen? Nein, das konnte gar nicht sein. „Also, wie sollen wir hier rauskommen? Ich habe den Eindruck, dieser, wie du so schön sagst, Möchtegernkönig ist verrückt, nicht nur ein bisschen."„Wie kommst du denn darauf?", fragte Legolas lachend, „Jemand, der eine Stadt mit höchstens 200 Leuten als Königreich bezeichnet, sich selbst zum König ernennt und einen staubigen kleinen Kellerraum mit Gitterstäben als Kerker ausgibt, ist doch wirklich vollkommen normal..."„Der normalste Mensch, den ich je gesehen habe ... gut, ernsthaft, Legolas. Ich muss hier raus, sonst ende ich auch noch so."„Du dürftest dich aber mit Recht König nennen ... aber du hast Recht, so kann es nicht weitergehen. Siara wird uns keine große Hilfe sein, ich denke, sie wird auf diese Belohnung bestehen...." Nachdenklich betrachtete Legolas seinen Freund, der gerade den letzten Schluck Wasser hinunterkippte. „Ich werde versuchen, ihr das auszureden. Sie muss es doch verstehen..."

I never meant to cheat on you (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt