On The Road [larry]

➳ Epilog

Doncaster

[2.783 Wörter]

Es war schon fast Herbst, als die Uni wieder losging. Die Blätter an den Bäumen verloren ihr saftiges Grün und tauschten es gegen ein Gemisch an Gelb, Orange und Braun. Einzelne fielen sogar schon zu Boden und begannen das bis vor kurzem noch saftige Gras unter einer Decke an raschelndem Laub zu begraben.

Auf den Straßen entdeckte er immer wieder Leute, die mit Mütze unterwegs waren, andere sogar bereits mit einem leichten Schal. Louis selber hielt an seiner Jeansjacke fest. Er würde sie erst gegen etwas Dickeres eintauschen, wenn der Frost an ihre Haustür klopfte und seine Hände so kalt wurden, dass sie sich schon rötlich färbten.

Die Straßen auf dem Weg zur Uni waren belebt, weswegen er den Griff um Rubys Hand an seiner linken etwas verfestigte, damit sie ihm bei ihrem Bordstein-Gehüpfe nicht entkam. Cooper auf seiner rechten Seite hielt seine Finger von ganz alleine umklammert und lief brav neben ihm her.

Louis mochte den kleinen Kerl. Er weckte einen ganz besonderen Beschützerinstinkt in ihm, welchen er zuletzt bei Maddie verspürt hatte, welche ihm nun, knapp dreißig Jahre später, mit dankbarem Lächeln gegenüberstand.

„Danke, dass du auf die beiden aufpasst, Dad." „Aber natürlich, mein Schatz. Ich tue nichts lieber als das, das weißt du." „Trotzdem, danke", beteuerte sie und zog ihren Vater in eine kurze Umarmung, ehe sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte und die gleiche Prozedur bei ihren beiden Kinder vollführte.

„Habt viel Spaß mit Opa und benehmt euch", ihr Blick huschte für einen Augenblick länger zu Ruby, welche ihrer Mutter allerdings nur mit einem Ohr zuhörte. Viel interessanter waren die beiden Schmetterlinge, die sich auf der anderen Straßenseite gegenseitig durch die Lüfte jagten.

„Papa holt euch heute Abend nach der Arbeit ab, hab euch lieb." „Wir haben dich auch lieb!", rief Louis ihr mit seinen beiden Enkelkindern im Chor hinterher und winkte Maddie zum Abschied, bis sie in dem Gebäude der Uni verschwunden war.

Louis störte es nicht, dass seine Tochter mit Mitte dreißig noch einmal beschlossen hatte, eine Umschulung zu machen. Sie wollte Dolmetscherin werden. Jetzt, wo die Kinder alt genug waren, dass sie in die Schule gingen, wollte auch sie ihren Traum leben und die Leidenschaft ausüben, die ihr von ihrem Vater und von ihrem Urgroßvater im Blut steckte: die Liebe zur Erkundung fremder Länder, anderer Kulturen und diversester Sprachen.

„Na dann ab nach Hause, Kinder, da wartet bestimmt schon eine heiße Schokolade auf euch", sagte Louis mit einem Lächeln auf den Lippen, drückte Coopers Hand und legte Ruby eine beschützende Hand auf den Rücken, mit der er sie leicht anschob.

Ein letzter Blick zurück zu dem großen backsteinfarbenen Gebäude hinter ihm, an welchem unzählige Erinnerungen seines jungen Erwachsenenlebens klebten, schickte ein warmes Gefühl durch seinen Körper. Er erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem das neue Semester nach den Ferien losgegangen und er mit schweißnassen Händen so nervös gewesen war, dass er die Nacht zuvor kaum ein Auge zugetan hatte.

Er hatte die restlichen freien Wochen nach seinem Roadtrip durch die Westküste damit verbracht, sein Reisetagebuch zu vervollständigen. Hatte jeden einzelnen Tag mit viel Liebe zum Detail beschrieben, eine Karte seiner Route ausgedruckt und die Fotos seiner Kamera entwickeln lassen, damit er sie mit einkleben konnte.

Es hatte ihn mit so viel Freude erfüllt, diese Erinnerungen für immer handfest aufbewahrt zu haben und er wollte nichts lieber tun, als sein Ergebnis mit Harry zu teilen. Dem gelockten, Grübchen-lächelnden, hübschen Harry.

Ein Tag voller Aufregung, Ungeduld und Herzklopfen war ins Land gestrichen und er hatte sich damals schon Sorgen gemacht, dass der Lockenkopf doch in Amerika geblieben war. Für Louis wäre eine Welt zusammengebrochen.