Teil 20

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Laylas POV:


"Warum gibst du dich dann mit ihnen ab?" fragte ich den Brünetten neugierig. Wir haben heute schon so viele unsichtbare Grenzen voneinander überschritten, dass ich weitergehen wollte. Ich hatte den unabstellbaren Drang herauszufinden wie er denkt und fühlt, was diese Tiefe in seinem Blick ausgelöst hat.

"Deine Fragen sind echt nervig, weißt du das." Fragte er rhetorisch und starrte stur geradeaus.

Als ich nichts mehr erwiderte, sprach er dann doch weiter.

"Diese Leute sind das nähste an Familie, was ich je erlebt habe. Wir teilen uns alle einen Hintergrund, nicht so wie die meisten Schnösel an unserer Schule. Nichts gegen dich, aber so Leute wie du und deine Freundin oder was auch immer sie jetzt ist seit wie ein behühtetes Ei aufgewachsen. Euch steht alles offen."

Jetzt stockte ich. Ich bin vielleicht nicht arm, aber auch ich habe kein perfektes Leben.

"Ach komm schon, du weißt doch nicht im geringsten was es bedeutet auf sich selbst gestellt zu sein." Lachte er jetzt düster und machte mir somit bewusst, dass ich den letzten Satz laut ausgesprochen habe.

Jetzt reichte es mir. Ich drehte mich zu ihm und starrte ihn wütend an. "Okay, neuer Versuch: Meine Eltern sind gestorben als ich noch ganz klein war. Seitdem lebe ich bei meiner alleinerziehenden Tante und ihrer Tochter, und liege den beiden seit Jahren Jahren auf der Tasche.  Das einzige was ich beitragen kann, ist ab und zu auf meine Cousine aufzupassen und bestmögliche Noten zu schreiben, so dass ich ein Stipendium bekomme und ihnen nicht auch noch meine Studiengebühren auflaste. Meine Tante ist zwar Ärztin, aber das macht uns noch lange nicht reich." Den letzten Teil des Satzes zischte ich beinahe.

"Wie sind Sie gestorben?" Bekam ich als einzige Antwort. Jetzt sah er mir in die Augen.

"Ein Motorrad hat ihnen die Vorfahrt genommen. Mein Vater wollte noch schnell ausweichen und ist gegen einen Baum gefahren." Ich hielt seinem Blick stand.

Statt einer Entschuldigung für das was er mir zuvor vorgeworfen hatte, drehte Tyler seinen Kof wieder starr nach vorne. Dann begann er wieder zu sprechen.

"Mein Vater hat mich schon in der achten Stufe versucht zu überreden die Schule abzubrechen. Er meinte immer alles mit Gewalt regeln zu müssen, weswegen meine zwei älteren Schwestern abgehauen sind sobald Sie konnten. Die eine ist nach Allicante abgehauen, die andere irgendwo anders hin in Deutschland. Ab da hab ich alles abbekommen. Mit zwölf bin ich das erste mal nicht nach Hause gekommen, weil ich wusste, was mich dort erwartet. In derselben Nacht hab ich auf der Straße geschlafen. Weil meine Mutter da plötzlich auf Beschützer gemacht hat, zwang Sie meinen Vater mich zu suchen, welcher mich dementsprechend nach Hause geschleppt hat und dann seite Wut an mir auslassen konnte. Mit den Jahren habe ich allerdings dazugelernt, und angefangen mich selbst zu versorgen." Er holte einen Joint aus seiner Hosentasche und drehte ihn langsam zwischen seinen Fingerspitzen. "So habe dann die anderen kennengelernt. Sie zeigten mir wie ich mich zu verteidigen habe und wie man alleine als Minderjähriger auf der Straße überlebt. Jetzt habe ich meine eigenen vier Wände und bin trotz des Wunsches meines Vaters immernoch in der Schule. Um besser zu werden als er."


Ich war sprachlos. Jetzt lächelte Tyler und steckte seinen Joint wieder ein. Dann sagte er noch an mich gewandt "Ich hab mir als Kind immer gewünscht mein Vater würde sterben. Lieber ein toter Vater als ein unfähiger."

"Du hast gewonnen" War meine Antwort.

"Irgendwie ist die Stimmung jetzt scheiße." Stellte er in den Raum

"True" Ich nickte. So saßen wir da und starrten ins Leere. Jeder in seine eigene Misere gezogen.

"Was macht dich sonst noch so aus, Tyler Schmiedt?" Unterbrach ich Stille nach einiger Zeit und stellte den Blickkontankt wieder her.

Er zog die Augenbrauen hoch. Dann seufzte er und sagte: "Ich lese gerne."

"Du ließt gerne? Du?" Fragte ich ungläubig.

"Ich weiß überhaupt nicht was du hast." Schmunzelte er und lehnte sich mit geschlossenen Augen nach hinten auf seine Arme. Zum ersten Mal hatte ich wirklich die Möglichkeit ihn genau zu betrachen. Die langen Wimpern, die buschigen Augenbrauen und die definierte Jawline. Wie kann man(n) nur so gut aussehen?

Mit den Worten "Genug gestarrt?" öffnete Tyler seine Augen wieder. Ertappt wandte ich meinen Blick ab und murmelte "Alles Einbildung", erkannte aber dennoch aus dem Augenwinkel wie sein Mundwinkel nach oben zuckten.

Unschlüssig wie ich reagieren sollte, zückte ich mein Handy und regestrierte dass wir schon kurz nach 3 hatten. Ich bin die ganze Naacht wach gewesen!

"Was machen wir jetzt noch die nächsten vier Stunden?" Fragte ich Tyler also und biss mir nervös auf die Unterlippe.

"Schlafen." antwortete dieser und legte sich doch tatsächlich auf die Wiese.

"DAS KANN NICHT DEIN ERNST SEIN, ES IST ARSCHKALT!" Schrie ich entsetzt, was er mit einem rauen Lachen quittierte und wieder aufstand.

"Ganz ruhig, ich wollte nur deine Reaktion sehen. Über dem Boxcenter hat Luiz einige Wohnungen und in einer davon lebe ich momentan. Du kannst ruhig bei mir übernachten " Perplex starrte ich ihn an. Aus dem Jungen wurde man echt nicht schlau.

Verblüffenderweise stimmte was Tyler gesagt hatte. An der Seitenfassade des Gebäudes gab es einen weiteren kleinen Eingang mit drei Briefkästen.  Er schloss die Tür auf und hielt Sie mir auf.

"Ladys first." Sagte er mit einer einladenden Handbewegung.


Noch war es nicht zu spät. Ich könnte noch nach Hause gehen und meiner Tante alles erzählen. Andererseits vertraute ich Tyler aus irgendeinem Grund. Und für ein Mal in meinem Leben wollte ich auch ein Risiko eingehen.

"Dankeschööön." Sagte ich also und hörte wie die Tür ins Schloss fiel.

Badboys need GoodgirlsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt