21.Kapitel

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Andreas:

Der nächste Morgen brach mit einem wunderschönen Sonnenaufgang an. Ob das jedoch was gutes zu bedeuten hatte, konnte ich jetzt noch nicht wirklich sagen. Ich war nach der letzten kurzen Nacht ziemlich müde und fühlte mich heute morgen wie vom Pferd getreten. Ein dampfender heißer Kaffee sollte meinen Wohlfühlpegel deutlich steigern und mich so fit werden lassen, dass ich zu Chris und Annika in die Klinik fahren kann. Meiner Schwester sollte es jedoch deutlich besser gehen wie Chris, aber das würde ich erst später von seinen Ärzten erfahren.

Akex war bereits weg. Er ist da wie ich. Ihm liegen seine Kinder am Herzen genau wie mir. Johanna hatte mir ein guten Morgen auf dem Handy gewünscht und Mama fragte mich warum ich mich heute morgen noch nicht gemeldet hatte. Also alles wie immer, als wenn ich zu Hause wäre. Im großen und ganzen hat er es besser als ich. Alles geregelt und Harmonie, alles was ich immer wollte und nun nicht mehr habe, weil Loreen mich verraten hatte.

Es lag ein Zettel auf dem Tisch das er schon vorgefahren war. Ich weiß das er sich auf seine Tochter freut und er es kaum erwarten konnte sie endlich sehen zu können. Es ist immer wieder das selbe, die Freude mitzuerleben wenn so ein kleines Wesen auf die Welt kommt und besonders wenn es so einen schwierigen Start hatte wie die kleine Maus meiner Schwester.

Also machte ich mich alleine auf den Weg zu Chris und meiner Schwester. Ich möchte es zwar nicht zugeben, aber ich bin auch neugierig darauf die kleine zu sehen. Ich hoffe ich kann sie auch mal in den Armen halten. Das vermisse ich so sehr ein Baby zu versorgen, denn sie werden so schnell groß, dass man gar nicht merkt wie schnell die Zeit verfliegt. Ruck zuck kommen sie in den Kindergarten, in die Schule und ehe man sich versieht führt man sie zum Traualtar und alles geht von neuem los, nur das man dann Opa anstatt Papa gerufen wird, aber das ist alles noch Zukunftsmusik für die nächsten Jahre.

Jetzt stand ich vor der Klinik auf dem Parkplatz und fühlte mich emotional hin und hergerissen, was ich tun sollte. Erst zu meiner Schwester um mir positive Nachrichten abzuholen oder erst zu Chris um meiner Schwester keine neuen negativen Infos von Chris überbringen zu können. Ich horchte in mich und entschied mich für Annika und meine kleine Nichte, denn es war nicht weit von hier bis zur Entbindungsstation.

Zwei Etagen und drei Türen weiter stand ich vor ihrem Zimmer mit meiner Hand an der Türklinke. Mein Herz klopfte vor Aufregung als wäre ich selber grade Papa geworden,  denn meine Erinnerungen an eine glückliche Zeit mit Loreen hielten in meinem Kopf wieder Einzug. Die Überwindung die Tür zu öffnen fiel mir hier wesentlich leichter, als wenn ich vor Chris seinem Zimmer stehe und nicht zu ihm darf, was mir immer wieder neu, sehr weh tut. Ich würde ihm so gerne alles sagen was um ihn rum passiert, aber noch ist das nicht möglich.

Ich hörte Stimmen bei ihr und ein leises Gespräch durch die Tür und fühlte mich blitzartig für den Moment doch etwas überflüssig, weil ich den beiden den ersten Kontakt nicht ruinieren wollte, also ging ich doch erst mal zu Chris. Das es bei diesem Gespräch doch um etwas anderes ging sollte ich erst später erfahren.

Er sah aus wie gestern nur das sein Bein nach der OP verändert aussah und die sehr stark verbrannten Stellen mit einem speziellen hautbildenden Fließ ausgelegt waren. Auch die anderen verbrannten Stellen an seinem Körper waren mit  behandelt worden. Das ist ein gutes Zeichen, das sie sein Bein retten wollen und es doch noch dran ist. Er wird lange brauchen um wieder laufen zu können, aber Hauptsache er kann es wieder, egal wie lange es dauern wird.

Noch in Gedanken wie es weitergehen könnte kam grade sein begandelnder Arzt und berichtete mir was mit Chris noch alles anstehen wird. Seine Niere hat sich wieder erholt, was eine sehr gute Nachricht ist. Er muss zwar später Tabletten dafür nehmen und einiges deswegen beachten müssen, aber er kann ohne eine weiteren OP an den Nieren auskommen. Das wäre auch sehr schmerzhaft geworden.
Seine Lunge steht leider weiterhin auf keinem guten Blatt. Dadurch das er nicht sofort geborgen werden konnte, hatte die Rauchvergiftung ihr übriges dazu getan, so das er wirklich zu dem jetzigen Zeitpunkt eine komplette neue Lunge braucht und die Suche geht weiter. Ob sich der Teil den er noch hat erholen wird ist bisher noch fraglich und es ist nicht klar ob ihm eine Hälfte reichen wird. Man wird es auf jeden Fall versuchen den Teil zu erhalten und zu reinigen. Sollte man jemanden finden der als Spender passt, wird man ihm den fehlenden Teil einsetzen und hoffen das er sich damit erholt. Wenn das nicht funktioniert wird weiter für eine komplette Lunge gesucht werden müssen.
Fest steht das der Spender möglichst bald gefunden werden sollte, bevor sein Herz die ganzen Strapazen nicht mehr aushalten kann.

Ich hatte erst mal genug gehört und sah das es ihm mit den schweren Verletzungen, die er doch hat, den Umständen entsprechend gut geht und er gut versorgt wird. Ich konnte Annika zumindest eine gute Nachricht überbringen und ging so guten Mutes zu ihr.

Sie hatte die kleine bei sich und hielt sie schlafend auf einem Stillkissen liegend im Arm. Sie ist sehr zierlich und klein und sieht Annika als Baby sehr ähnlich, aber wer weiß vielleicht ändert sich das noch mal. Sie ist so niedlich. Ich kam bei der Kleinen aus der Schwärmerei gar nicht mehr raus.

Ich merkte aber das meine Schwester etwas beschäftigte und sie nicht wirklich mit der Sprache raus wollte. Ich spüre das meistens sofort wenn man mir etwas verheimlicht, oder wenn man mich anlügt. Deswegen kriege ich immer alles raus, auch bei meinen Kindern steht Ehrlichkeit ganz oben im Vordergrund und das über alles geredet wird, wenn es Probleme gibt.

Wir ließen die augenblickliche Stille im Zimmer auf uns wirken, als sie überraschend Alex mit einem Blick, den ich nur zu gut kenne, zur Tür raus schickte. Zeitgleich kam eine Schwester mit einer Milchpumpe rein und übergab sie meiner Schwester. Alex sein Gesicht verriet mir das er wusste was jetzt kommen wird und mir wurde schlagartig klar, das es vorhin auch darum ging, was Annika mir gleich sagen wird. Sie stellte sie bei Seite und gab mir die kleine in den Arm. Sie schlief einfach weiter. Ein wunderschöner Anblick. Mein Kopf war aber trotzdem wach und mein Herz sagte mir das ich gleich was zu verdauen habe, denn auch meine Schwester ist Meisterin im lösen von Problemen. Aber mit dem  was jetzt kommen sollte, darauf war ich nicht gefasst.

Sie holte tief Luft und begann das Gespräch, wovor ich allmählich doch langsam Bammel bekam.

Ani:
Andreas, ich weiß wie es um Chris steht.
Andreas:
Wie kommst du darauf? Meinst Du das ich Dir was verschwiegen habe?
Ani:
Nein, das glaub ich nicht, aber ich hab es gesehen, als ich im OP war. Papa hat mir Hinweise gegeben. 
Andreas:
Was weißt Du genau? Ich hab eben erst mit seinem Arzt gesprochen. Es geht ihm etwas besser. Seine Niere wird es schaffen.
Ani:
Aber seiner Lunge geht es nicht besser und ich bin getestet worden, genauso wie Du. Nur das Du nicht in Frage kommst. Aber ich. Ich werde die erste Woche voll stillen, damit sie ihr Imunsystem aufbauen kann und dann lasse ich mich operieren. Die Zeit läuft gegen Chris. Auch wenn ich Gefahr laufe das es nicht funktionieren wird. Es ist eine Chance für Chris und die müssen wir nutzen, wenn es möglich ist. Sein Arzt hat grünes Licht gegeben und ich bin ansonsten kerngesund. Beste Voraussetzungen für die Op. Ich würde dich bitten, dich um Christine zu kümmern. Sie scheint dich zu mögen, wenn sie sogar auf deinem Arm weiter schläft.
Andreas:
Ist das jetzt ihr Name?
Ani:
Ja, er passt so gut zu ihr.
Andreas:
Weiß Mama schon was davon?
Ani:
Nein, ich werde sie später anrufen und es ihr sagen.
Andreas:
Meinst Du das Du die richtige Entscheidung triffst?
Ani:
Ja das tue ich und ich habe das Gefühl das es Chris auch weiß das ich versuchen werde ihm zu helfen.
Andreas:
Und was sagt Alex dazu?
Ani:
Was denkst du denn, was er dazu gesagt hat? Begeistert ist er davon nicht, aber er kommt nicht gegen meinen starken Willen an und es ist meine Entscheidung und ich bin mir sicher das Mama da genauso denkt, das wir als Familie zusammen halten sollen. Sie wird aber sicher genauso geschockt sein wie Du. Ich liebe Chris und ich werde ihn nicht sterben lassen, wenn ich ihm helfen kann, auch wenn ich dadurch gesundheitlich etwas eingeschränkt sein werde. Chris stirbt sonst und das weißt Du auch.
Andreas:
Du hast ja recht, aber ich muss das trotzdem alles erst mal verdauen. Ich kümmere mich natürlich gern um die kleine, wenn ich dich damit unterstützen kann. Ich hoffe so sehr das Du es nicht umsonst tun musst.
Ani:
Mein Gefühl sagt mir das es das richtige ist und wenn Papa sich in unseren Träumen einmischt und Hinweise gibt, wird es nicht umsonst sein. Da bin ich mir sicher. Hab vertrauen auf Papa und mich. Sei Du nur immer für ihn da. Ich werde nichts rückgängig machen und meine OP-Vorbereitungen laufen schon. Dann wird es Chris besser gehen und man kann ihn vielleicht aus dem Koma holen. Kümmere Du Dich nur mit Barbara um die Presse, alles andere läuft von selbst. Tu es für mich und für Chris. Ihr wollt doch irgendwann mal wieder zurück kommen, oder etwa nicht?
Andreas:
Ja klar, aber es dauert so lange es dauert. Magst du nicht deinen Mann wieder rein holen? Es ist ja alles besprochen.
Ani:
Ja sicher.

Andreas:

Das war ein heftiger Brocken, den mir meine Schwester da vorgeworfen hatte, denn damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Einerseits bin ich ganz froh, daß es niemand fremdes sein wird, der Chris helfen wird, andererseits riskiert Annika ihre eigene Gesundheit. Aber sie hat mich gebeten ihr zu vertrauen und das tue ich auch.

Jetzt müssen wir nur Mama davon überzeugen das sie ruhig bleibt und uns das Handeln hier übernehmen lässt. Und das in jeder Hinsicht. 

Endstation Glück?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt