8. Zimmer 24

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Mein Auto, mit meinen Sachen, stand noch in der Nähe der Aurora. Cleo war so freundlich, uns dort abzusetzen, statt direkt ins Motel zu fahren, denn ich brauchte ganz dringend frische Kleidung. Jake legte seine Tüte mit seinen gewaschenen, aber noch nassen Klamotten in den Kofferraum. Mit dem Navi ging es dann in Richtung Motel.

"Das ist es wohl", nuschelte ich, als das rote Licht, in das das Motel getaucht war, auch das Innere des Autos erhellte.
"Kannst du alleine reingehen?" fragte Jake mich. "Ich möchte ungerne mit."
Ich nickte und stieg aus. Als ich die Tür öffnete, stand eine Dame an der Rezeption und unterhielt sich mit einem Herren. Noch hatten die beiden mich nicht bemerkt. Die Frau musste Miss Walter sein.

"Also, dass sie das Fest jetzt doch stattfinden lassen wollen, nach allem, was der Donfort passiert ist. Und dann läuft der Entführer immer noch frei herum. Ich weiß ehrlich nicht, was - Oh, guten Abend, wie kann ich Ihnen helfen?" fragte die eindeutig als Miss Walter identifizierbare Frau. Sie trug ein kleines Namensschild an der Brust. Der Herr, mit dem sie sich gerade unterhalten hatte, sah mich abschätzig an. Sein Haar war ziemlich dünn und wurde langsam grau. Das könnte vielleicht der alte Gray sein, der neben Lilly hier arbeitete.

"Guten Abend, ich hätte gerne ein Zimmer, nein, zwei, oder äh..." Was sollte ich genau buchen? Ein Zimmer oder doch lieber zwei? Ungeduldig sah Miss Walter mich an.
"Meine Liebe, um das hier abzukürzen: Wir sind momentan, wegen des Pine Glade Festes, ziemlich ausgebucht, und da es verschoben wurde, sind die Zimmer noch länger belegt und es sind noch mehr Buchungen dazugekommen. Warten Sie kurz." Sie drehte sich zu einer Wand, die wohl normalerweise mit Schlüsseln behangen war, aber nun waren viele der Haken leer.

"Ich kann Ihnen ein Doppelzimmer oder ein Einzelzimmer anbieten, ansonsten sind wir, wie gesagt, ausgebucht. Wie viele Personen sind Sie denn?" entgegnete sie mir.
"Wir sind zu zweit", antwortete ich ihr.
"Dann wohl das Doppelzimmer." Sie schnappte sich einen Schlüssel.
"Wie lange wollen Sie bleiben?"
"Ähm... Bis nach dem Fest?", antwortete ich ihr eher als Frage. Fragend zog sie ihre Augenbrauen nach oben.

"Nur gut, dass Sie mitbekommen haben, dass das Fest verschoben wurde. Es hatte sich eine ziemliche Unzufriedenheit bei meinen Gästen ausgebreitet, als sie gehört hatten, dass das Fest verschoben wurde. Naja, aber was soll man machen? Am besten wäre es, sie hätten es ausfallen lassen. In Duskwood ist in letzter Zeit zu viel Schlimmes passiert." Ich presste meine Lippen aufeinander. Ich wusste nicht, dass das Fest verschoben wurde.

Miss Walter übergab mir einen Schlüssel mit der Zimmernummer 24 und eine Rechnung. Ich war interessiert daran, was sie mir vielleicht noch erzählen konnte.
"Was ist denn Schlimmes passiert, und warum wurde das Fest überhaupt verschoben?" fragte ich interessiert. Erfreut zogen sich Miss Walters Mundwinkel nach oben. Diese Frau schien Klatsch und Tratsch zu mögen.

"Zuerst wurde eine junge Frau entführt, dann wurde eine weitere tot aufgefunden. Außerdem wird eine weitere Person vermisst. Die entführte Frau konnte gerettet werden; sie wurde in der alten Mine festgehalten, in der auch ein Feuer ausbrach. Alle sind noch in Aufruhr. Es ist noch nicht lange her, seit das Feuer gelöscht wurde, und deswegen wurde das Fest verschoben. Normalerweise führt dort eine Kutschfahrt lang. Nun war sowieso ein Teil gesperrt, aber durch das Feuer wurde ein noch größerer Teil des Waldes abgesperrt, und die Leute reden. Egal, wohin man hier in Duskwood geht, jeder hat ein Gerücht, ob wahr oder erfunden, zu erzählen." Sie lehnte sich über den Tresen näher zu mir.

"Die Polizei hat viel vertuscht, aber scheinbar haben sich einige Leute zusammengeschlossen, um die entführte Frau zu finden. Es wurde auch vermutet, dass ein Hacker mit einer Komplizin an der Entführung beteiligt war." Dabei kamen mir direkt Lillys Video und all die Hassnachrichten wieder in den Sinn, konzentrierte mich dann aber wieder auf Miss Walter.

"Nun, ich bezweifle, dass diese Vermutung stimmt. Aber der Entführer, und ich sage es Ihnen, er ist bestimmt auch der Mörder der anderen jungen Frau. Da bin ich mir sicher! Und der, der ist noch auf freiem Fuß." Da hatte sie recht; er war noch auf freiem Fuß, mehr oder weniger. Gespielt geschockt, über das was sie sagte, sah ich die Frau mir gegenüber an. Sie war gut informiert.

Ich sah mir die Rechnung an und bezahlte sie sogleich. Miss Walter wünschte mir noch einen angenehmen Aufenthalt und ich machte mich auf den Weg zurück. Als ich wieder aus der Tür trat, schlug mir die kühle Luft entgegen. Jake wartete, mit den Händen in den Hosentaschen, an meinem Auto gelehnt.

"Ich hoffe, es ist nicht schlimm, dass wir uns ein Zimmer teilen. Es ist alles ausgebucht, wegen dem Pine Glade Fest."
"Nein, schon okay." Ich erzählte ihm, was Miss Walter mir erzählt hatte.
"Also wissen die Leute doch in etwa, was alles passiert ist", meinte Jake und ich nickte.

Wir machten uns auf den Weg zum Zimmer 24. Es war relativ klein, ein Doppelbett aus dunklem Holz mit rot-weißen Bezügen stand in der Mitte des Raums. Darüber hing ein altes Bild des Motels. Ein Fernseher, wohl schon ein älteres Modell, stand auf einem kleinen Tisch in der Ecke und ein Kleiderschrank, im selben Holz wie das Bett, daneben. Der Boden war mit rotem Teppich ausgelegt und am Fenster stand noch ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Auf einen davon legte ich meine Tasche. Jake machte sich währenddessen an den Vorhängen zu schaffen und zog sie zu. Ich brauchte jetzt ganz dringend eine Dusche und suchte meine Sachen dafür zusammen.

Als endlich das warme Wasser meinen Körper hinunterlief, konnte ich mich endlich entspannen, und ich ließ meine Gedanken schweifen. Ich hätte Stunden hier verbringen können, doch die Müdigkeit war dann doch stärker. Mit noch nassen Haaren, einem übergroßen Schlafshirt und einer kurzen Hose ging ich zurück ins Zimmer. Dort saß Jake mit dem Rücken zu mir gewandt auf dem Bett. Ein Teil seiner gewaschenen Kleidung hatte er auf die Stühle gehangen. Sein schwarzer Hoddie hing mit einem Kleiderbügel am Schrank.

"Ist alles okay?" fragte ich ihn, als er sich nicht rührte. Erschrocken drehte er sich zu mir um; er muss die Tür wohl nicht gehört haben. Ich nuschelte ein "tut mir leid", ging um das Bett und setzte mich zu ihm. Ich musterte ihn. Unter seinen Augen hatten sich tiefe Augenringe gebildet.

"Als ich das letzte Mal in so einem Motelzimmer war, war ich auf der Flucht. Es sah nicht mal groß anders aus als dieses Zimmer. Ich musste auf jeden Schritt von mir achten, durfte keine Fehler machen... Es war der Horror", erzählte er, den Blick auf den Tisch am Fenster gerichtet. Für mich war es unvorstellbar, wie es ihm in dieser Zeit gegangen war. Sanft legte ich ihm eine Hand auf den Unterarm, dann fuhr er fort: "Doch das Einzige, woran ich denken konnte, warst du." Mit diesen Worten sah er mich an, und mein Kopf war wie leergefegt. Zögerlich legte er seine Hand auf meine, die noch auf seinem Arm lag.

"Ich hatte mir solche Sorgen um dich gemacht", nuschelte ich. Er ließ seinen Kopf hängen. Nicht nur für ihn war diese Zeit schlimm. Er hatte mir so gefehlt. Es verging kein Tag an dem ich hoffte, ich würde endlich wieder eine Nachricht von ihm bekommen. Ich lehnte mein Kopf an seine Schulter, bis er weiter sprach:
"Wir müssen morgen mein Handy zurückbekommen. Ich will nicht wieder quer durch das Land gejagt werden. Ich konnte mein Vorsprung wieder ausbauen. Es wird jedoch nie sicher sein, aber eine Pause davon, eine Pause mit dir an meiner Seite, wäre alles, was ich mir jetzt wünschen würde." Er kam mir bei jedem Wort etwas näher, so nah, dass ich seinen Atem spüren konnte. Mein Herz raste, und ich schloss die Augen.
"Ich will aber nicht nur eine Pause mit dir verbringen", hauchte ich, bevor ich die letzten Zentimeter zwischen uns überbrückt.

Der Kuss war schüchtern und sanft. Meine Hand glitt von seinem Arm in seinen Nacken. Unsicher legte Jake seine Hand auf mein Bein. Ich schmunzelte in den Kuss; es war süß, wie schüchtern Jake war. Tausende Schmetterlinge flatterten durch meinen Bauch. Nach viel zu kurzer Zeit löste sich Jake von mir. Meine Lippen prickelten. Schüchtern lächelte Jake mich an und flüsterte: "Ich liebe dich."
"Ich liebe dich auch, Jake."
Sanft lehnte er seine Stirn an meine. Ich wünschte, dieser Moment würde nie enden.
"Was machst du nur mit mir?" Fragte er und ich kicherte.

Duskwood: wie geht es weiter? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt