9. Belegte Brötchen

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Die restliche Nacht war viel zu kurz. Gegen halb neun klopfte es an der Zimmertür. Verwirrt und verschlafen hob ich meinen Kopf, nur um in ebenfalls verschlafene blaue Augen zu blicken. Sofort kam die Erinnerung an gestern zurück. Jake war hier, bei mir. Wir hatten uns geküsst und wir wollten es miteinander versuchen. Jake war nun mein fester Freund. Sofort kribbelt es wieder in meinem Bauch.

Ich lag halb auf ihm. Seine eine Hand lag auf meiner Taille. Mit der anderen strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Verlegen lächelte er mich an. Ich wollte mit einem 'Guten Morgen' ansetzen, als es erneut klopfte. Fragend sahen wir uns an. Ich rollte mich von Jake herunter und rieb mir über die Augen, bevor ich ganz aufstand. Die Tür hatte leider keinen Türspion, also öffnete ich die Tür nur einen Spalt breit. Ein Blondschopf schob sich in mein Sichtfeld.

"Guten Morgen. Ich hoffe, ich störe nicht, Frau Schmidt? Wenig kreativ, wenn du mich fragst", grinste mich Lilly an. Warum war bitte dieser Nachname so offensichtlich? Ich öffnete die Tür weiter.
"Woher wusstest du, in welchem Zimmer wir sind?", wollte ich überrascht wissen.
"Ich arbeite hier. Ich kann einfach ins Buch gucken. Außerdem dachte ich mir, ihr habt eventuell Hunger. Also habe ich ein paar belegte Brötchen dabei, wenn ihr wollt." Sie hielt mir eine Tüte vor die Nase. Zu gratis Essen konnte ich einfach nicht nein sagen. Ich wusste schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal etwas gegessen hatte. Mit einem Blick nach hinten zu Jake, der sich gerade seinen mittlerweile trockenen Hoodie überzogen hatte, ließ ich Lilly rein.

"Hallo", begrüßte sie Jake und legte die Tüte auf den Tisch.
"Guten Morgen, Lilly", entgegnete er ihr, dann trat Stille ein.
"Kann ich mit dir reden, Jake?" fragte sie ihn schüchtern. Bestätigend nickte er. Das war wohl der Punkt an dem ich die beiden alleine lassen sollte.
"Gebt mir 5 Minuten, dann habt ihr eure Ruhe", sagte ich, schnappte mir Kleidung und verschwand im Bad. Ich konnte mir schon vorstellen, worüber Lilly mit ihm reden wollte. Die beiden saßen an dem Tisch und sahen mich abwartend an.
"Ich nehme mir nur noch ein Brötchen", ungeschickt versuchte ich, mir schnell ein Brötchen aus der Tüte zu holen, welche auf dem Tisch lag, und verließ das Zimmer.

Und was sollte ich jetzt tun? Ich biss in mein Brötchen, und mein Blick huschte über den Parkplatz. Am Eingang zur Rezeption fiel mir ein Junge auf. Er saß auf dem Bordstein und spielte mit Spielzeugautos. Der Mann von gestern, der mich so argwöhnisch ansah, gesellte sich zu ihm. Er redete kurz auf den Jungen ein, und sie gingen zusammen in meine Richtung. Während der Mann mir keinerlei Aufmerksamkeit schenkte, blieb der Junge vor mir stehen und starrte mich an. Seine kurzen Haare standen verwuschelt zu allen Seiten ab. Er neigte seinen Kopf etwas zur Seite, als er mich musterte.

"Du hast auch den Mann ohne Gesicht gesehen, stimmt's?" fragte er mich. Überrascht zog ich die Augenbrauen nach oben.
"Ihr hättet ihr nicht helfen sollen", murmelte das Kind weiter. Bitte was?! Meinte er Hannah? Warum sagte er so etwas?
"Jetzt ist er bestimmt noch wütender", seufzte er. Geschockt sah ich ihn an. Das Kind hatte ja keine Ahnung!

"Alfie, jetzt komm und lass die Frau in Ruhe", rief der Mann, als ihm auffiel, dass das er nicht mehr bei ihm war. Mit schnellen Schritten war er bei uns. Er drehte den Jungen zu sich um und ging etwas in die Knie. "Ich hab dir gesagt, du sollst nicht mit fremden Leuten reden", meinte er vorwurfsvoll, doch das Kind reagierte nicht. Der Blick des Mannes huschte zu mir. Ich war noch immer geschockt von dem, was er von sich gab.

"Entschuldigen Sie, er weiß manchmal nicht, was er sagt." Damit zog er den Jungen hinter sich her und ließ mich stehen. Ich nahm mein Handy und öffnete den Chat von Jessy. Irgendjemandem musste ich jetzt davon erzählen.

Ich: [Guten Morgen, hast du gerade Zeit?]

Zum Glück war Jessy schnell online.

Jessy: [Guten Morgen. Für dich doch immer. 😊]

Duskwood: wie geht es weiter? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt