Kapitel 18 Extra Lang

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30.11.2023. Donnerstag, Zwei Uhr früh und Astrid lag weiterhin wach in ihrem Bett. Sie kuschelte sich in ihre graue bezogene Winterbettdecke aus flauschigem Polyester. Autumn schlummerte seelenruhig in ihren Armen. Sieben Tage waren bereits vergangen, seit ihrem Wiedersehen mit Hicks, ihrem eiligen Krankenhausbesuch und dem Vorfall mit ihrem Ex. Sie konnte allein nicht mehr schlafen aus Angst jeden Moment angefallen zu werden. Lächerlich – nicht wahr? Sie wollte sich nicht ausmachen, was Erin gemacht hätte, wäre Hicks nicht bei ihnen gewesen. Die Wut und Angst, die sie verspürt hatte, als sie ihn mit Erin kämpfen und streiten gehört hatte, hatte sie fast zu Stein werden lassen. Wie sie ihn hasste. Jedes Mal hatte sie sich verflucht, weil das Messer danebengegangen ist, als sie gestritten haben.

Unfähig sich zu bewegen, wegen eines Mannes aus der Vergangenheit – einfach lächerlich. Ja, sie hatte Angst vor diesem Psychopathen und war furchtbar wütend, aber Hicks hielt ihn fern. Er war da und sie hoffte, er würde nie weggehen. Ein Grund, weshalb sie ihren Mut zusammengenommen und Hilfe geholt hatte, statt paralysiert dazusitzen und abzuwarten, wer es aus dem Badezimmer schaffte. Astrid hätte es nicht mal mitbekommen, wenn Erin ins Zimmer gekommen wäre und sie attackiert hätte, denn sie hatte ja geschlafen. Sie hätten beide sterben können oder er hätte ihr aus reiner Schadenfreude Autumn genommen und ihr neues Leben – ihre zweite Chance -somit zerstört.

Autumn war ihr einziger Halt in all der Zeit. Ein Fakt, der sie glücklich und traurig zugleich machte. Vorgestern hatte sie Hicks angerufen und gefragt, ob es Neuigkeiten von Erin gäbe. Es war ein Vorwand, um seine Stimme zu hören. Seiner Stimme nach, hatte er diese Frage nicht erwartet. »Er ist seit zwei Tagen wieder auf freien Fuß. Sie konnten ihm nichts nachweisen, Astrid. Sag mal wie geht es meiner Kleinen?«, hatte er gefragt. Gekonnt ausgewichen. Astrid schickte ihm ein kurzes Video von Autumn beim Krabbeln am Teppich mitten im Wohnzimmer, dass sie eine Stunde zuvor aufgenommen hatte und Autumn hatte sich seither kaum vom Fleck bewegt. Sie hielt Astrids altes Papagei- Kuscheltier in der Hand. Sturmpfeil hatte sie es getauft, wegen der Blau, gelben Federn, aber die weitere Begründung dafür wusste sie nicht mehr. Ihre Eltern hatten es ihr in die Taschen gestopft, als sie sie aus dem Haus geworfen hatten. Autumn hatte gekichert, Hicks am Telefon gelacht und sie gelächelt.

Die Nachricht über Erins Freilassung war nicht einfach zu verdauen und mitunter der Hauptgrund für ihre Schlafprobleme, aber sie ließ sich nichts anmerken. Ob er es bemerken würde? Und wenn, was würde er tun? Zu ihr nach Hause fahren und sie so lange bedrängen, bis sie ihm sagte, dass sie nicht schlafen konnte, wenn niemand neben ihr lag?

Es gab fast niemanden, dem sie vollkommen vertraute – nicht mal den wenigen guten Bekanntschaften und Freunden, die sie in ihren beiden Jobs gemacht hatte. Gloria, Mira, Layla, Fischbein und Elsa und Anna. Aber sie wollte stark sein – für sich selbst und ihr Kind. Sie wollte sich nicht helfen lassen, bis sie bemerkt hatte, dass sie in manchen Momenten der letzten Tage schon stumm um Hilfe geschrien hatte, und Hicks hatte sie gehört, ohne, dass sie etwas sagen musste. Sie vertraute bis zu einer gewissen Grenze nur ihm - diesem Dummkopf von der Herrentoilette.
Etwas war seltsam an ihm. Wie konnte sie ihm innerhalb weniger Stunden so viel Vertrauen entgegenbringen, dass sie sogar mit ihm im selben Bett geschlafen hatte? Aneinander gekuschelt. Astrid hatte sich an ihn rangeschmissen, wie eine schüchterne rollige Katze. So ungern sie es zugab, aber sie hatte sich gut gefühlt und lange nicht mehr so erholsam geschlafen. Erin hatte sie nie so gehalten oder ihr Trauma respektiert. Neben ihm zu schlafen war unangenehm, deshalb war sie auch auf die Couch gewechselt, als sie schwanger war. Das Gefühl gab ihr Hicks von vorneherein nicht eine Sekunde lang - und genau deshalb ging er ihr nicht aus dem Kopf. Ein schlechtes Zeichen.

Sie hatte sich geschworen auf ewig allein mit Autumn zu sein und keinen Mann je wieder an sich heranzulassen, aber hier lag sie nun. Hatte dem Vater ihrer Tochter keine vierundzwanzig Stunden nach einer zwei Jahre Pause in den Armen gelegen und machte sich sogar Sorgen um ihn, als er demoliert im Krankenzimmer gestanden hatte. Sie war eindeutig nicht sie selbst – das war sie schon lange nicht mehr, denn ihre Beziehung zu Erin hatte sie verändert. Sie war ängstlicher, ließ sich vieles gefallen. Einfach weich. Wie ändert man sich von heute auf morgen? Sie verstand es nicht.

The really normal shit - Hiccstrid:*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt