Kapitel 6 (Einblick in Isaacs Leben)

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„Dad können wir heute Nachmittag Basketball spielen" quengelte Isaac und klammerte sich mit seinen kleinen, speckigen Händen an das Bein seines Vaters. Sein Vater schwieg. Das tat er immer weil es leichter war als nein zu sagen. Er dachte das er auf diese Weise niemanden verletzten konnte, doch das war ein gewaltiger Irrglaube. Isaac hatte schon so oft auf ihn eingeredet, doch noch nie hatte er eine Antwort bekommen und irgendwann, irgendwann hatte er auch keine mehr erwartet. Es war die Ignoranz die seinen Vater ausmachte und seine Kindheit geprägt hatte.
Er war schlichtweg zu viel. Das war was jeder, von ihm dachte und was er irgendwann auch selbst zu glauben begann. Wenn man einem Kind sagte das es dumm war, würde es das sein Leben lang glauben und wenn man einem Kind sagte das es zu viel war dann würde es auch das glauben, denn Kinder waren Formbar in jeglicher Hinsicht und so auch er. Seine Mutter nahm seine Worte kaum noch ernst. Er versuchte ihr zu erklären das er später einmal Schriftsteller werden wollte. Er hatte ihr als Kind oft seine Aufsätze aus der Schule gezeigt damit sie stolz auf ihn sein konnte doch meist erntete er nur ein abwesendes Nicken. Er hatte gelernt das er seine Träume für sich behalten musste damit sie ihm niemand zerstörte Mind das tat er. Er hatte nie wieder jemandem seine Geschichten gezeigt die er Abends heimlich unter der Bettdecke kreiert hatte und er hatte auch nie jemandem von den Schreibwettbewerben erzählt, die er allesamt gewonnen hatte.
Die Tür war geschlossen. Die Tür, welche Ihn in seine Kindertage zurück führte. Tage an die er sich lieber nicht erinnern wollte, an denen er schreiend, in seinem Versteck unter der Treppe gesessen hatte um die Stille des grossen Anwesens zu übertönen. Zitternd legte er seine Finger um die eiserne Türklinke. Es war noch die selbe alte Klinke mit den verschnörkelten Mustern, die sein Vater so sehr mochte und Isaac verspürte noch die selbe alte Angst wenn er die Türklinke nach unten drückte und das selbe vertraute Knarzen ertönte wenn die Tür aufgeschoben wurde.
Seine Vater sass am Tischende, des viel zu langen Esstisches und lächelte munter in die Runde. Auch seine Geschwister waren schon eingetroffen und setzten ihr überhebliches Lächeln auf ,was sie immer trugen sobald sie ihm begegneten. Seine Schwester studierte Medizin, was sie nicht oft genug erwähnen konnte und sein Bruder half seinem Vater in der Firma. Seine Mutter war nicht anwesend sowie fast immer. Sie wollte das Schweigen nicht mehr hören das den Raum erfüllte. Sie wollte die hasserfüllten Blicke nicht mehr sehen, die jeder einander zuwarf. Sie wollte nicht mehr Teil dieser kaputten Familie sein genau wie Isaac, weshalb er sie nur all zu gut nachvollziehen konnte. Nur war er kein Mensch der sich einfach von seinen Problemen fernhalten wollte. Er wollte mit ihnen abschliessen. Sie in eine kleine Kammer seines Gedächtnis verbannen und nie wieder raus lassen. Ja das wollte er und das würde er irgendwann auch tuen. Nur wann war dieses irgendwann?Er wusste es nicht.
Es gab Lasagne. Anscheinend war das früher sein Lieblingsessen. Er konnte sich nicht daran erinnern. Es hätte genauso gut ein Haufen Hundescheisse sein können und niemand hätte sich wirklich daran erinnert. So war es immer. Sein Vater behauptete etwas über seine Kindheit zu wissen obwohl er nur irgendeine abgedrehte Geschichte erfunden hatte oder seinen Bruder gefragt hatte, der selbst kaum eine Ahnung hatte.
Schweigend schaufelten sie das Essen in sich hinein. Isaac mochte keine Lasagne. Sie war ihm viel zu schleimig und matschig und schmeckte nach Katzenfutter. Er wusste wie Katzenfutter schmeckte. Er hatte mal eine Wette mit dem Nachbarjungen gemacht, wer am meisten Katzenfutter essen konnte. Danach musste er zwei Tage erbrechen und die Katze hatte kein essen mehr. Sie hatten sie danach mit Erdnussbutterbroten gefüttert damit sie nicht verhungerte.
Sein Vater unterhielt sich mit seinem Bruder über das Geschäft und fragte seine Schwester über ihr Studium aus. Isaac sass schweigend da und starrte an die Wanduhr, welche seit Jahren die selbe Stelle an der Wand schmückte. Sie tickte regelmässig vor sich hin und das seit 22 Jahren. 1,2,3,4,5,6,7, zählte er leise mit bis jemand seinen Namen sagte. „ Isaac was machst du denn zur Zeit, ich meine du bist ja schon ein junger Mann und...
... . Ich mache alles mögliche, also manchmal arbeite ich im Benjoy und ab und zu helfe ich paar Leuten bei Arbeiten aus und ja so siehts aus." „Du arbeitest in einer Schwulenbar!" Schrie Sein Vater entsetzt. „Du hast gefragt, ich hab geantwortet. Aber woher weisst du eigentlich das Benjoy eine Schwulenbar ist?" Ich dachte du seist glücklich mit Mum verheiratet oder hab ich mich da etwa geirrt?" Stichelte Isaac auf ihm rum.
Er liebte es seinen Vater zu provozieren. Es war die einzige Genugtuung die er seit Jahre bekam.

Sein Vater sah ihn schweigend an doch in seinen Augen schimmerte der pure Hass. „Du bist schon längst nicht mehr Teil dieser Familie" Sagte er, seine Augen blitzen als hätte er endlich aussprechen können was er schon seit Jahren hatte sagen wollen. Seine Geschwister sagten nichts, kein Wort der Verteidigung fiel, doch ein Ausdruck des Entsetzens stand auf ihr Gesicht gezeichnet als hätten sie es nicht schon längst gewusst.
. Im Grunde genommen wusste er es schon längst, aber es so klar und deutlich zu hören war trotz all der Jahre ein Schock. Mit einem Ruck stiess er sich vom Tisch ab. Sein Stuhl auf dem er vor wenigen Sekunden noch gesessen hatte, fiel scheppernd zu Boden. Mit wackligen schritten lief er richtung Ausgang. Das letzte was er hörte war die Tür wie sie donnernd in Schloss viel und ihr folgte die Stille.

Die Pfütze meines Lebens (Narben der Vergangenheit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt