Kapitel 14

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Die normalerweise so unglaublich autoritäre Frau wirkte auf einmal so klein und Schwach, als hätte all die Kraft ihren Körper verlassen und einzig die leere Hülle ihrer selbst war übrig geblieben und Stand nun vor ihm. Mit ihren knochigen Finger umfasste sie seine Wangen, strich mit ihrem runzligen Daumen über sein Stoppliges Kinn. Die Berührung wirkte so kalt und unnahbar wie eh und je doch was hatte er auch erwartet. „Was willst du hier Mum?" Seine Stimme klang rau, als hatte er seit Tagen kein Wort gesprochen und das war bei ihm wohl ziemlich unwahrscheinlich.
„Deine Vater hatte
einen Schlaganfall."
Die Wort erreichten ihn kaum. Wieso verdammt war da dieses Gefühl der Erleichterung in ihm, das sich so sehr versuchte hinaus zu zwängen. Er sollte dieses Gefühl nicht empfinden, nicht hier, nicht jetzt. Nicht aufgrund seines Vaters und doch war es da, tief in seinem Inneren verborgen.
„Komm rein" Mit einer Freundlichen Handbewegung, die so garnicht zu dieser Situation passte, bat er sie einzutreten. Erneut liess er sich auf die Couch fallen. Unschlüssig stand seine Mutter im Raum.
Sie war selten hier gewesen und meist nur um ihm eine ihrer legendären Standpauken zu erteilen oder sonstigen Kram mit ihm zu besprechen. Nie war sie gekommen um zu sehen wie ihr Sohn sich eingelebt hatte oder einfach mal zu sehen wie es ihm erging.
„Du solltest mehr für deinen Vater da sein, er hat so vieles für dich getan." Ihre Stimme klang sanft doch mittlerweile wusste Isaac, das dies nicht ihre wahre Gestalt war. Sie wollte ihm tausende Vorwürfe machen und doch hatte sie es geschafft jeden davon in einen einzigen Satz zu verpacken.
Diesmal konnte er den Szunami an Gefühlen nicht aufhalten....
„Nie war er für mich da, nie hat er auch nur eine einzige Sekunde seiner kostbaren Zeit an MICH verschwendet, nicht als ich meinen Arm beim Fahrrad fahren gebrochen habe und auch nicht als ich meinen ersten Schreibwettbewerb gewonnen habe." Weist du eigentlich wie sehr ich ihn, meinen Vater gebraucht hätte, wie sehr ich mir gewünscht habe das er mir Beachtung schenkt? Und jetzt soll ausgerechnet ich für ihn da sein wo er doch nie auch nur das geringste für mich getan hat. Weist du eigentlich wie sehr ich mir als Kind gewünscht habe das ich andere Eltern hätte. Eltern die meine Träume unterstützen, die für mich da sind wenn es mir schlecht geht und Eltern die ihren Sohn lieben, aber wie man so schön sagt, man bekommt nie alles was man sich wünscht."
Eine einzelne Träne löste sich aus seinem Auge und hinterliess eine feuchte Spur auf seiner Wange. "ich werde es deinem Vater ausrichten." Mit diesen Worten drehte sie sich um. Isaac hörte das leise Schliessgeräusch der Wohnungstür und dann war da wieder nur er und die Stille. Die Stille und er.
Wieso war immer er der Schuldige? Wieso war es immer er, der alles falsch machte? Vielleicht hatte seine Mutter recht, vielleicht war er ein egoistisches Arschloch.
Seine Finger trommelten krampfhaft einen Rhythmus auf die Kante der glatten Glasplatte. Er hatte das Bedürfnis etwas zu zerstören, jemanden zu zerstören. Mühsam richtete er sich auf.
Im Bad war es stockfinster, einzig sein gespenstisches Spiegelbild sah ihm lächelnd entgegen. Er wollte das falsche Lächeln nicht mehr sehen, die lügen nicht mehr hören.
Er hatte es schon einmal getan, früher als er jünger war. Es war wie eine Sucht, eine Sucht nach dem Schmerz. Ein Gefühl nach dem er sich so sehr sehnte. Vielleicht war er es gewesen, der Fehler, das Problem. Niemand hatte ihn gewollt und trotzdem war er immer da gewesen. Ein gespenstisches Lächeln zierte seine Lippen. Sein Finger strich behutsam über die bläulich, grüne Vene. Ein Versprechen an sich selbst. Was es war, was er sich versprach wusste er selbst nicht.
Vorsichtig setzte er die Klinge an seinem Arm an, strich ein letztes mal über die bläuliche Vene. Er konnte es nicht, nicht schon wieder, nicht jetzt. Zitternd, pulte er sein Handy aus der Hosentasche. Liess die Klinge klirrend zu Boden fallen. Einzig das surren in seinen Ohren blieb. Er vertippte sich, einmal, zweimal. Fluchend drückte er auf den grünen Hörer. Das leise Tuten seines defekten Lautsprechers ertönte. Ein müdes Murmeln war zu hören. „Isaac?" „Malik bitte, k...kannst d...du zu mir kommen?
Ich will das nicht, b...bitte glaub mir doch, b...bitte."
„Hey, Isaac sag mir wo du wohnst und ich bin gleich da." „B...Beethovenstrasse 6" „Gut, bis gleich" Zitternd schlang Isaac die Arme um seine nackten Beine. Sein Blick lag unentwegt auf der grünen Wand neben dem Waschbecken. Das laute tuten den Türklingel war zu hören. Mühsam richtete er sich auf. Seine Glieder schmerzten.
Er wusste nicht wie lange er dort gesessen hatte, auf den kalten Fliesen, vielleicht waren es nur wenige Minuten gewesen, genauso gut hätten es aber auch Stunden sein können.
Das Surren der Tür ertönte. Isaac drehte den Schlüssel im Schloss. Ein leises Knarzen ertönte. Vor ihm stand Malik.
Der Schweiss lief an seiner Stirn hinab und hinterliess feuchte Spuren auf der geröteten Haut. Sein braunes Haar stand in alle nur möglichen Himmelsrichtungen ab und sein Atem ging schnell und unkontrolliert. Schluchzend fiel ihm Isaac um den Hals, klammerte sich mit aller Kraft an ihm fest, aus angst er könnte ihn los lassen. Die Tür hinter sich schliessen und ihn alleine lassen, alleine mit seinen Gedanken. Gedanken, welche nur allzu gerne zu Taten wurden. Taten die man nicht einfach wieder rückgängig machen konnte. Behutsam strich Malik ihm über den Rücken, malte feine Kreise auf seine Haut. Malik hob seinen Zitternden Körper hoch und trug ihn auf des bunte Sofa. Vorsichtig legte er ihn ab und fuhr mit dem Daumen durch sein schwarzes Haar. Malik wusste nicht was geschehen war, er wusste es nicht und trotzdem war er hier. Hier bei ihm.

Die Pfütze meines Lebens (Narben der Vergangenheit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt