Kapitel 2: Wasser und Kristalle

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Schon seit einigen Tagen bin ich ununterbrochen auf der Krankenstation. Ich kann mich uwar immer noch nicht erinnern, aber immerhin habe ich ein paar Freunde gefunden; Sasha, Eren, Mikasa, Petra, Armin, Hanji natürlich und, mehr oder weniger, Levi. Es klingt unglaublich, doch es stimmt! Wenn er nichts zu tun hat ist er immer bei mir. Zwar reden wir kaum, aber allein seine Anwesenheit muntert mich auf, auch wenn er gruselig ist. Er hat etwas Vertrautes an sich. Irgendwie habe ich auch das Gefühl, dass er zu mir freundlicher ist, als zu den anderen. Vermutlich ist das aber nur Einbildung.

Eine Tür geht auf und eine Schwester betritt den Raum, um mir mitzuteilen, dass ich entlassen werde. Aber wo soll ich hin? Ich weiss dich nichts mehr. Ich will hier bleiben. Egal, ich stehe auf, zitternd vor Anstrengung. Immerhin habe ich ja nur herumgelegen und meine Beine sind, genauso wie meine Arme, immer noch verbunden. Ich verlasse die Krankenstation und betrete den Flur, wo jemand schon auf mich wartet, Levi. "Komm mit, ich zeige dir dein Zimmer.", begrüsst er mich kalt und läuft auch schon los. Ich folge ihm so gut es geht. "Sir? Ich dachte ich sollte heute entlassen werden?", frage ich ihn verwirrt. "Das stimmt, aber du wirst nur aus der Krankenstation entlassen. Solange du dich nicht erinnern kannst, kann ich dich auch nicht gehen lassen." Ist da eine Spur von Sorge in seiner Stimme? "O-okay..." Er hält vor einer Tür an und öffnet sie. "Das ist dein Zimmer." Ich betrete es und schaue mich um; ein Bett, ein Schreibtisch mit Stuhl, ein Kleiderschrank, ein Bücherregal und eine Tür, die vermutlich ins Badezimmer führt. Es riecht extrem stark nach Putzmittel. Der Geruch von Zitrone wirkt irgendwie vertraut. Ich setzte mich auf mein neues Bett. "Ich muss noch etwas erledigen.", erklärt Levi und verlässt mein Zimmer. Ich beschliesse duschen zu gehen, keine Ahnung wann ich mich das letzte mal gewaschen habe. Ich schliesse die Tür ab, dann ziehe ich meine Sachen aus und entferne die Verbände. Auf meinen Armen und Beinen kommen mehrere kleine Schnittwunden und blaue Flecken zum Vorschein. Ich will gar nicht wissen, woher ich sie habe. Egal, ich gehe ins Badezimmer und stelle mich unter die Dusche. Meine Wunden brennen etwas, aber es stört mich nicht. Ich stehe einfach inter dem warmen Wasser. Die Zeit vergeht. 10 Minuten. 20 Minuten. 30 Minuten. Meine Beine fangen an zu schmerzen, also setze ich mich auf die kalten Fliesen. 45 Minuten. Eine Stunde. Das Wasser wird eiskalt. Eineinhalb Stunden. Zwei Stunden.

Plötzlich klopft jemand an meine Zimmertür. "Ciel? Kann ich kurz mit dir reden?" Es ist Hanji. Ich kann sie hören, aber ich bewege mich keinen Millimeter. "Ciel? Alles okay bei dir?", fragt sie etwas lauter und hörbar besorgt. Ich antworte immer noch nicht. "Ciel!", schrie sie panisch. "Was ist denn los?", höre ich eine etwas tiefere Stimme fragen. Es ist Levi. "S-sie antwortet nicht! Die Tür ist verschlossen, ich kann nicht rein!", erklärt sie hysterisch. Ich kann hören, wie die Tür aufgeschlossen wird. Anscheinend hat Levi einen Schlüssel. Ich bleibe immer noch sitzen. Hanji scheint das Wasser der Dusche zu hören und stürmt zu mir ins Badezimmer. "Sie ist hier!", ruft sie Levi zu. Ich sehe sie nicht an, ich starre weiterhin gerade aus. "Ciel? Geht es dir gut?", fragt sie vorsichtig, während sie das Wasser abstellt und mich in ein Badetuch wickelt. Ich antworte nicht. Levi betritt nun auch das Badezimmer, hebt mich hoch und trägt mich auf mein Bett. Er ist stark. "Sie scheint nicht zu reagieren, vielleicht ist sie in einer Art Depression oder so.", meint Hanji. Levi nickt. "Dann müssen wir wohl warten, bis sie wieder aufwacht." Sie setzen sich neben mich und warten.

Nach einer Weile sehe ich die beiden an. "Wollt ihr jetzt einfach gier sitzen und darauf warten, dass ich euch erkläre, was das eben sollte?", frage ich ruhig. Die beiden nicken. "Na gut, ich wollte nur in Ruhe nachdenken und ich muss sagen, dass es etwas gebracht hat." Hanji starrt mich ungläubig an. "Du kannst dich an etwas erinnern?" Levi scheint auch erstaunt zu sein. "Ja, aber es ist nicht viel. Ich kann mich an eine Melodie erinnern, vermutlich ein Schlaflied aus meiner Kindheit.", erkläre ich gelassen und fange an die Melodie zu summen. Levi's graue Auge scheinen sich zu weiten, als ich singe. Ist das wirklich so unglaubwürdig? Hanji lächelt mich an. "Das ist doch schon mal ein guter Anfang!" Levi nickt nur zustimmend. Irgendetwas beunruhigt ihn, das kann ich sehen. Ich will ihn gerade fragen, ob alles in Ordnung ist, aber Hanji hält mich davon ab. "Hast du Hunger oder Durst? Du hast seit mehreren Tagen nichts gegessen." Ich schüttle den Kopf, im Moment will ich nichts essen. Levi scheint das nicht gern zu sehen. "Hör zu, Ciel! Wenn du jetzt nicht sofort etwas isst, werde ich dich zwangsernähren, hast du mich verstanden?", fragt er streng. Ich kriege etwas Angst und nicke deshalb. Hanji steht auf und verlässt das Zimmer, um mir etwas zu holen. Ich weiss gar nicht mehr, wie spät es ist. Levi bleibt neben mir sitzen und starrt mich an. Nach einer Weile wird mir etwas unwohl. "Ähm...Sir? Stimmt etwas nicht?", frage ich zögernd. "Ah, ich dachte nur gerade darüber nach, dass du dir vielleicht etwas anziehen sollst. Da hat er nicht unrecht. Ich hole mir ein (L/F) Sommerkleid und Unterwäsche aus meinem Kleiderschrank und verschwinde ins Badezimmer. Etwa fünf Minuten später komme ich wieder raus und Levi mustert mich. Ich könnte schwören, dass ich Stolz in seinen Augen sehe. Ich lächle ihn an. Im gleichen Moment kommt Hanji mit einem Tablett zurück. Darauf ist ein Teller Suppe, den sie mir hinhält. Ich will momentan wirklich nichts essen, aber ich will nicht von Levi zwangsernährt werden, also nehme ich den Teller entgegen und esse ein paar Löffel. Am liebsten würde ich alles wieder ausspucken, aber Levi beobachtet mich so scharf, dass ich mich nicht traue. Ich würde sowieso nur Ärger kriegen. Ich esse ungefähr die Hälfte und stelle den Teller dann auf den Boden. Levi ist zufrieden, zum Glück, mehr kann ich nämlich nicht essen.

Nach einer Weile verlassen Levi und Hanji mein Zimmer. Ich bleibe noch etwas in meinem Zimmer, bis mir langweilig wird und ich raus gehe. Ich wandere ein wenig drinnen umher und finde den Ausgang, der zum Trainingsplatz führt. Neugierig verlasse ich das Gebäude, setzte mich draussen auf eine Bank und schaue Levi zu, wie er seine Kadetten herumkomandiert. Sie tun mir irgendwie leid. Anfangs bemerkt Levi mich nicht und ich kann ihn endlich im Umgang mit anderen sehen. Tatsächlich! Zu mir ist er viel freundlicher! Okay, ich gehöre nicht zu seinem Team, aber trotzdem! Irgendwie verhält er sich, als würde er mich kennen. Aber warum sagt er es mir dann nicht? Will er mich schützen? Hanji hat ja gesagt, dass er über nichts reden darf, woran ich mich nicht erinnern kann. Ist das der Grund? Ich muss es wissen! Ohne auf mich aufmerksam zu machen, gehe ich wieder rein. Etwas habe ich bei meinem Plan nicht bedacht: ich habe null Ahnung wo Levis Büro ist. Darum haltecich einfach die nächstbeste Person an und frage sie. Ich werde in die Richtung geführt, in der mein Zimmer liegt. Levis Büro ist genau neben meinem Zimmer. Deshalb konnte er Hanji also hören. Ich bedanke mich bei meinem Helfer und warte, bis er weg ist. Dann schaue ich mich kurz um, ob auch wirklich niemand da ist und betrete sein Büro. Erstaunlicherweise ist es nicht abgeschlossen. Ich untersuche den Raum in der Hoffnung ein paar Hinweise zu finden. Vorsichtig durchsuche ich die Akten, die auf seinem Schreibtisch liegen. Die meisten Namen sagen mir nichts und ich wollte mich gerade den Schubladen widmen, als ich auf der untersten einen seltsamen Namen erblicke. "(V/N) (N/N)...", murmle ich leise. Ich werde sie mir später genauer ansehen, zuerst muss ich den Rest des Zimmers absuchen. Die meisten Schränke und Schubladen sind verschlossen. Mein Blick fällt auf zwei Türen. Ich öffne die erste und betrete sein Badezimmer. Auch hier öffne ich alle Kästchen und Schubladen, ausser Putzmittel ist da nichts. Ich verlasse das Badezimmer, schliesse die Tür hinter mir und betrete den anderen Raum, sein Schlafzimmer. Es riecht genauso stark nach Zitronenputzmittel wie meines. Sein Bett ist, meiner Meinung nach, viel zu gross für ihn. Wobei ich ja auch nicht grösser bin, als er. Etwas glänzendes auf der Konode zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Es ist ein (L/F) Kristall an einem dünnen schwarzen Lederband, welches man als Halskette tragen kann. Ich nehme sie in die Hand und betrachte sie. "Wunderschön..." Ich mache sie mir um sehe mir mein Spiegelbild im Fenster an. Sie sieht aus, als wäre sie für mich gemacht. "Wunderschön, nicht wahr, Ciel?"

Himmel und Hölle (Leser X Levi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt